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Ansprache bei der Aufnahme des Archivs für Geld- und Bodenreform in die Bibliothek der
Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg
am 10. November 2007
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
liebe Familienangehörige, Freunde und Bekannte, ich möchte Sie und Euch alle sehr herzlich begrüßen und herzlich danken für das Interesse am Auftakt des „Archivs für Geld- und Bodenreform“ hier in der Bibliothek der Carl-von-Ossietzky-Universität in Oldenburg.
Von Ende 1975 bis 1981 habe ich hier in Oldenburg Ökonomie studiert. Diese Zeit bezeichnete der Soziologe Dr. Rainer Fabian in der Ausgabe des „Uni-Info“ vom Juni 2007 als die erste von drei großen Phasen in der Entwicklung der Universität: die Phase der „totalen Politisierung aller inneruniversitären Entscheidungsprozesse“ mit einem „rigiden Freund-Feind-Denken“ der politischen Lager (SHB, MSB Spartakus u.a.).[1]
In den Anfängen meines Studiums fühlte ich mich zur marxistischen Gesellschaftskritik der 68er Studentenbewegung hingezogen, aber ich wollte auch die sog. bürgerliche Ökonomie kennen lernen. Es blieben dann Fragen offen, für die ich weder auf der einen noch auf der anderen Seite Antworten fand. Deshalb wandte ich mich den sog. Dritten Wegen zu, die mir bereits während meiner Zivildienstzeit begegnet waren: sie fußten auf den englischen und französischen Frühsozialisten, u.a. auf Marx’ großem Kontrahenten Pierre Proudhon. An ihn knüpfte der Kulturphilosoph Gustav Landauer an, der seinerseits den jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber mit seinen Vorstellungen von sozialistischen Siedlungen beeinflusste. Hinzu kamen die Genossenschaftsbewegung und die Bodenreformideen von Henry George, Adolf Damaschke und Franz Oppenheimer und schließlich die Geldreformideen von Silvio Gesell, die soziale Dreigliederung von Rudolf Steiner und der Religiöse Sozialismus von Leonhard Ragaz.
Diese Denkansätze sog. Dritter Wege verstanden sich als Alternativen zu Kapitalismus und Kommunismus. Sie standen auch im Gegensatz zu konservativen Denkrichtungen und zum Faschismus. Abgesehen davon waren sie keineswegs ein in sich homogenes Gebilde. Aber sie drehten sich um Fragen, die mir damals als Schlüsselprobleme erschienen: Wie ließe sich der Umgang mit Geld und Boden einschließlich der Ressourcen institutionell so gestalten, dass sie als gemeinschaftliche öffentliche Güter allen Menschen unabhängig von ihrer Herkunft, Hautfarbe und Religion zu gleichen, gerechten Bedingungen zur Verfügung stehen? Es beeindruckte mich, dass damit die Vorstellung einer egalitären Bürgergesellschaft verbunden war, in der soziale Gleichheit an die Stelle von gesellschaftlichen Hierarchien treten soll. Und mitbedacht war auch bereits der Zusammenhang zwischen sozialer Gerechtigkeit und innerem wie äußerem Frieden.
Ich empfand es als ein großes Glück, dass die Hochschullehrer in Oldenburg mir damals die Freiheit ließen, mich neben der Standardökonomie und dem Marxismus auch intensiv mit diesen ansonsten wenig beachteten Denkansätzen zu beschäftigen. Ebenso dankbar bin ich der „Stiftung für Reform der Geld- und Bodenordnung“ für die Möglichkeit, mein Steckenpferd nach dem Studium zum Beruf machen zu können. Zum einen übertrug sie mir die Redaktion der „Zeitschrift für Sozialökonomie“, worin versucht wird, diese ideengeschichtlichen Ansätze zu aktualisieren. Und zum anderen kam 1983 als zweite Aufgabe der Aufbau eines „Archivs für Geld- und Bodenreform“ hinzu. Bis dahin gab es nämlich in Deutschland noch kein solches „Gedächtnis“ der Geld- und Bodenreformbestrebungen - weder in den Kreisen ihrer Anhänger noch in wissenschaftlichen Bibliotheken.
Seitdem konnte ich einschlägige Primärliteratur zu diesem Gebiet zusammen tragen - von Proudhon, Landauer, George, Gesell, Damaschke, Oppenheimer u.a., die in ganz unterschiedlicher Weise etwas zu einem freiheitlichen Sozialismus bzw zu einer Marktwirtschaft ohne Kapitalismus beigetragen haben. Oppenheimer gehörte übrigens zu den maßgeblichen Vordenkern des zionistischen Siedelns in Palästina und er war auch der Doktorvater des späteren Wirtschafts(wunder)ministers Ludwig Erhard. Es gab bemerkenswerte Berührungspunkte mit dem Ordoliberalismus nach 1945, auch wenn dieser sich dann leider bald von seinen Ursprungsidealen von Walter Eucken u.a. entfernte und sich zum Neoliberalismus wandelte.
Überhaupt gibt es in der Ideengeschichte der Ökonomie einige Geistesverwandte mit Aussagen, welche die Zuversicht nähren, dass da doch etwas dran sein könnte an diesen unkonventionellen Denkansätzen. Gossen und Walras zum Beispiel, die beiden großen Mitbegründer der Neoklassik, waren auch Verfechter von Bodenreformgedanken. Keynes schrieb in seiner berühmten „Allgemeinen Theorie“, dass er die Idee einer Neutralisierung des Liquiditätsvorteils von Geld für sehr bedenkenswert hielt. Dieser Idee entspricht auch sein „Bancor-Plan“, den Keynes während des Zweiten Weltkriegs für einen gerechten Ausgleich der weltwirtschaftlichen Beziehungen entwickelte. In Bretton Woods wurde dieser Plan leider verworfen. Aber in der letzten Zeit kommt er erfreulicherweise wieder in die Diskussion.
Der amerikanische Wirtschaftsnobelpreisträger Lawrence Klein würdigte neben Gesell noch andere Geldreformer wie Proudhon, Hobson, Foster & Catchings. In dem was Keynes die „Unterwelt der Ökonomie“ nannte, gibt es also noch mehrere vergessene Geldreformer zu entdecken, zu denen auch der Schwede Johannsen und der Engländer Soddy gehören. Von deren Werken ist auch einiges im Archiv vorhanden – ebenso wie die „Dynamische Wirtschaft“ des englischen Ökonomen Roy Harrod, der sich ein Absinken des Zinses von Geld- und Realkapital gegen Null vorstellen konnte, bevor er einen anderen Weg ging und mit Domar das postkeynesianische Wachstumsmodell entwickelte.
Auch bei dem französischen Nobelpreisträger Maurice Allais gibt es Sympathien für die Neutralisierung des Geldes als Möglichkeit, alle Nachfrage in der Terminologie von Keynes wirksam zu machen und damit die Voraussetzungen für das Saysche Theorem herzustellen, die die Neoklassik bereits jetzt als erfüllt ansieht.[2]
Zur Primärliteratur des „Archivs für Geld- und Bodenreform“ gehören auch Veröffentlichungen von Anhängern, die dieses Gedankengut durch die wechselvolle Geschichte des 20. Jahrhunderts weiter getragen haben - zum Teil leider mit bedenklichen Konzessionen an den jeweiligen Zeitgeist. Ich wollte beim Sammeln aber keine Zensur ausüben, sondern die Licht- und Schattenseiten möglichst vollständig dokumentieren, damit sich das Gesamtbild dieser Ideenströmungen später einmal historisch-kritisch aufarbeiten lässt. Licht- und Schattenseiten gibt es auch bei der Sekundärliteratur, die selbstverständlich auch zu einem solchen Archiv gehört, weil sich darin die kritische Wahrnehmung von außen widerspiegelt - sowohl von Seiten der Fachwissenschaft als auch von Seiten anderer politischer Bewegungen von rechts bis links. Es gibt sowohl Publikationen mit ernstzunehmenden Zweifeln als auch destruktive Kritik, die gründlichere Recherchen und Dialogbereitschaft vermissen lässt.
Die Primär- und Sekundärliteratur aus früheren Jahrzehnten gaben mir ältere Leute, die sich zum Teil schon seit den 1920er Jahren für die Geld- und Bodenreformgedanken engagiert hatten. Im Laufe der 1980er Jahre setzte ein Generationenwechsel ein. Es kamen Menschen, die nicht nur eine Denktradition aufbewahren, sondern diese auch entstauben und aktualisieren wollten. Erwähnen möchte ich nur Helmut Creutz und den leider allzu früh verunglückten Rechtsphilosophen Prof. Dieter Suhr. Von ihm stammt die bildliche Formulierung vom Geld, das in seiner bisherigen Gestalt eine besondere Stellung in der Wirtschaft hat - ähnlich der eines Jokers im Kartenspiel. Diesen Jokervorteil des Geldes gelte es zu neutralisieren, damit die Wirtschaft aus ihrer Schieflage von Macht und Ohnmacht auf eine für alle Menschen gleiche Ebene gelangen kann. „Gleiche Freiheit“ hieß eines der Bücher von Suhr. Das Geld soll als Tausch- und Kreditmittel zu einem Diener der Märkte werden, der keinen Einfluss mehr auf die Verteilung von Einkommen und Vermögen hat und der auch die Art und den Umfang der Produktion nicht mehr beeinflusst. Nur am Rande möchte ich andeuten, dass es dabei auch um eine Dezentralisierung der Produktionsmittel in unterschiedlichen Eigentumsformen und um eine Überwindung der Lohnabhängigkeit geht.
Seit den späten 1980er Jahren traten weitere Personen in Erscheinung, die zu einer Verwissenschaftlichung der Geld- und Bodenreformgedanken beitrugen: Die Professoren Margrit Kennedy, Roland Geitmann, Dirk Löhr, Gerhard Senft, Bernd Senf oderThomas Huth. Als Jurist leitet Fritz Andres seit mehreren Jahren die „Stiftung für Reform der Geld- und Bodenordnung“ und in einigen Veröffentlichungen hat er deutlich gemacht, wie sehr es auch im Hinblick auf die Klimaproblematik hilfreich sein dürfte, die Gesamtheit von Boden, Ressourcen und Atmosphäre als ein Gemeinschaftsgut der ganzen Menschheit zu behandeln (am besten in der Regie der Vereinten Nationen).
Durch Gastbeiträge in der „Zeitschrift für Sozialökonomie“ und bei der Tagungsreihe „Mündener Gespräche“ ergaben sich im Laufe der Jahre mancherlei gute Gesprächskontakte mit Ökonomieprofessoren wie Hans Christoph Binswanger, Hajo Riese, Udo-Ernst Simonis, Gerhard Scherhorn und andere. Auch wenn im Detail unterschiedliche Sichtweisen fortbestehen, so zeigen solche Gesprächskontakte und einige neuere Veröffentlichungen in renommierten Verlagen (Peter Lang, Duncker & Humblot oder Metropolis), dass die Gedanken der Geld- und Bodenreform in den letzten Jahren einem seriösen, offenen wissenschaftlichen Dialog näher gekommen sind.
Ihren gegenwärtigen Stand charakterisierte Prof. Hans Georg Nutzinger treffend in einer Studie des DIW. Die „Außenseiterdiskussionen“ über die mit dem Geld- und Landbesitz verbundenen Privilegien haben demnach ihre Berechtigung. „Diese sind noch nicht richtig theoretisch analysiert, aber der damit angesprochene Zusammenhang lässt sich nicht bestreiten.“ Nutzinger sieht hier einen großen Bedarf an detaillierten Forschungen. [3]
In Anbetracht von Deflationsgefahren gab es vor wenigen Jahren auch Diskussionen über die Geldreform in amerikanischen und britischen Notenbankkreisen. Im „Journal of Money Credit and Banking“ machte Prof. Marvin Goodfriend den praktischen Vorschlag, Geldscheine mit Magnetstreifen auszustatten und darin die “Liquiditätsgebühr” zur Neuralisierung des Geldes gleichsam einzuprogrammieren.[4] Diesen Vorschlag finde ich sehr hilfreich, denn es ist natürlich klar, dass der Zahlungsverkehr in großem Stil viel zu sehr beeinträchtigt würde, wenn man diese „Liquiditätsgebühr“ durch Aufkleben von Gebührenmarken erheben wollte, wie bei historischen und aktuellen Modellversuchen mit einem neutralisierten Geld.
Erwähnen möchte ich noch, dass auch der Soziologieprofessor Christoph Deutschmann in der Zeitschrift „Leviathan“ eine Diskussion über den neueren Finanzmarktkapitalismus angestoßen hat, die sich auch auf geldreformerische Gedanken zubewegt hat. Überhaupt gibt es in der Soziologie einen sehr interessanten Diskurs über das Geld, der durch die Rezeption der Werke von Georg Simmel und Walter Benjamin in Gang gekommen ist.
In den Archivbeständen spiegelt sich also auch wieder, dass das Geld ein interdisziplinäres Querschnittsthema darstellt. Anknüpfungspunkte gibt es bei den Religionen des Judentums, des Christentums sowie des Islams und bei der Philosophie (zum Beispiel bei Aristoteles) ebenso wie zur Geschichte und Politik. Zum Archiv gehört auch eine Reihe literarischer Werke, in denen sich Dichter wie Goethe im „Faust 2“, Balzac und Zola, die Gebrüder Mann, Hesse oder Brecht auf ihre künstlerischen Weisen mit dieser Problematik auseinandergesetzt haben. Michael Endes Märchenroman „Momo“ enthält in dichterischer Form verschlüsselt die Grundgedanken der Geldreform. Davon wurden einige Kunstaktionen angeregt wie die „Welkenden Blüten“ vom Kölner Projekt „Herzgehirn“ oder die Bielefelder „Momos“.
Im Archiv sind auch Berührungen der Geld- und Bodenreform mit anderen sozialen Bewegungen dokumentiert, besonders mit der Friedens- und Umweltbewegung sowie mit den neueren globalisierungskritischen Bewegungen: mit der Vereinigung Kairos Europa, die im kirchlichen Bereich aus dem Konziliaren Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung hervorgegangen ist. Gemeinsamkeiten und Unterschiede gibt es mit Attac (Tobin-Steuer, Wasser als Gemeinschaftsgut usw.) und mit der Menschenrechtsorganisation FIAN, die sich für das Grundrecht auf Nahrung für alle Menschen einsetzt, Kritik am Großgrundbesitz übt und für Landreformen in Ländern der sog. Dritten Welt eintritt.
Und nicht zuletzt hat die Regionalgeldbewegung während der letzten fünf Jahre sehr dazu beigetragen, dass die Geldreformgedanken über kleine Theoriezirkel hinaus in eine breitere Öffentlichkeit gelangt sind. Zum Regionalgeld-Kongress vor einem Jahr an der Universität Weimar sind immerhin rund 260 Personen gekommen. –
Neben dem Bestreben, zu mehr Gerechtigkeit und Frieden in der Welt beizutragen, hat sich die Geld- und Bodenreformbewegung während der letzten 20 Jahre auch bemüht, die ökologische Problematik wegen der unübersehbaren „Grenzen des Wachstums“ in ihre Denkansätze zu integrieren und vor allem die Bodenreform im Hinblick auf die Ressourcen- und Klimaproblematik weiterzuentwickeln. Besonders an dieser Stelle ergab sich eine Verständigungsbrücke zu Herrn Dr. Paech. Ich erinnere mich noch gut, lieber Niko, wie Du im letzten Sommer bei einer Podiumsdiskussion im neuen Hörsaalgebäude sagtest: „Das Wachstumsparadigma der Ökonomie ist auf mittlere und längere Sicht nicht zu retten.“ Die Berechtigung dieser Aussage möge eine Grafik von Frederic Vester zeigen[5]:

Wir leben tatsächlich in einer Zeit der Entscheidung darüber, ob es nach den hinter uns liegenden leidvollen Zivilisationsbrüchen auf der Erde auch noch zu ökologischen Katastrophen kommt oder ob es uns noch rechtzeitig gelingt, im buchstäblichen Sinne ‚die Kurve zu kriegen’ in die Richtung einer Wirtschaft, die nicht mehr wachsen muss. Insofern dürfte es trotz der „gegenwärtigenmarktförmigen Durchstrukturierung der Universitäten“ (Rainer Fabian[6]) sinnvoll und geradezu notwendig sein, inmitten des weitergehenden Alltags von Wissenschaft und Politik auch kleine Inseln für Erinnerungen an die Ideengeschichte der Ökonomie und für realutopisches Denken einzurichten - sich zum Beispiel an die Vision einer quasi-stationären, wachstumsfreien Wirtschaft zu erinnern, die John Stuart Mill schon um 1870 hatte. Auch bei Keynes lässt sich schon die Vorstellung eines „quasi-stationären Gleichgewichts“ finden. Und der zeitgenössische Ökonom Herman Daly knüpft in seiner „Steady State Economy“ an einen englischen Geldreformer Frederic Soddy an.
Als Al Gore und der Weltklimarat der Vereinten Nationen kürzlich den Friedensnobelpreis erhielten, war die Rede davon, dass wir die nächsten 10 Jahre für eine Trendwende nutzen müssen, um große Klima- und ökonomische Katastrophen abwenden zu können. Ich denke, in einer solchen Situation brauchen wir neben technischen Innovationen auch Erinnerungen und Utopien, um über das gegenwärtige Zeitalter der neoliberalen Globalisierung hinausdenken zu können.
Im Gedankenaustausch mit Herrn Dr. Paech über solche Themen keimte während der letzten zwei bis drei Jahre meine schon länger gehegte Hoffnung wieder auf, dass das „Archiv für Geld- und Bodenreform“ einmal in eine wissenschaftliche Bibliothek aufgenommen werden könnte. In der Hoffnung, dass dies in Oldenburg möglich werden könnte, schrieb ich einen fiktiven Dialog zwischen Ossietzky und Gesell, um ihre Gedankenwelten miteinander in eine Beziehung zu setzen.[7]
Herr Dr. Paech brachte den Stein weiter ins Rollen, bis das Archiv nach Gesprächen mit Frau Buchrucker und Herrn Kohlrenken sowie Herrn Wätjen und Herrn Vogt nun in Ihrer UniBibliothek zu Gast sein darf. Über Ihre Gastfreundschaft und Ihr Vertrauen freue ich mich. Auch im Namen der Stiftung danke ich Ihnen sehr herzlich, dass Sie diesem Archiv gewissermaßen Asyl in der Universitätsbibliothek gewähren und damit die Chancen für eine kritische wissenschaftliche Diskussion über die Denkansätze der Geld- und Bodenreform verbessern.
Im Sinne der erwähnten Äußerung von Prof. Nutzinger sind die im Archiv dokumentierten Denkansätze noch nicht ausreichend entwickelt. Aber trotz ihrer Unvollkommenheiten könnten sie Blicke für neue Forschungsfragen öffnen. Darauf kommt es nach meiner Ansicht am meisten an und es ist meine Hoffnung, dass dieses Archiv im Sinne der Präambel unserer Vereinbarung für Studien genutzt wird, die der Humanität und Gerechtigkeit, der Demokratie, dem Frieden und der Nachhaltigkeit dienen.
Erwähnen möchte ich abschließend, dass zur Zeit zwei Dissertationen entstehen, bei denen die Doktoranden das „Archiv für Geld- und Bodenreform“ nutzen - eine hier in Oldenburg über geldtheoretische Grundlagen des Regionalgeldes und eine weitere in Tübingen über die soziologische Theorie des Geldes. An eigenen anderen Universitäten entstehen zurzeit acht Diplom- bzw. Bachelor- und Masterarbeiten mit thematischen Bezügen zur Geld- und Bodenreform und zum Regionalgeld.
Es wäre natürlich ein Traum, wenn sich im Laufe der Zeit aus solchen kleinen Anfängen vielleicht einmal so etwas wie eine „Zukunftswerkstatt Wirtschaft ohne Wachstum“ entwickeln würde. Ob dies wirklich gelingt, muss offen bleiben. Gleichwohl ich freue mich sehr, diese Hoffnung heute mit Ihnen und Euch allen teilen zu dürfen. In zeitlicher Nähe zum historischen 9. November und auch sonst denke ich, dass wir angesichts der zunehmenden sozialen Spaltung der Gesellschaft, angesichts der Unfriedlichkeit der Welt und ihrer ökologischen Gefährdung auch unkonventionelle Denkansätze prüfen sollten, ob sie einen zivilgesellschaftlichen Beitrag zu einer Kurskorrektur leisten können, der uns einem gerechteren und nachhaltigen Wirtschaften näher bringt.
Werner Onken
[1] Rainer Fabian, Das Ende der großen Erzählungen – 33 Jahre Universität Oldenburg: Von überhitzten Dauerdiskussionen zur marktförmigen Durchstrukturierung, in: Uni-Info Nr. 5 Juni 2007, S. 6.
[2] Vgl. hierzu https://silvio-gesell.de/wahlverwandte.html
[3] Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (Hg.), Marktwirtschaft, Nachhaltigkeit und Wirtschaftswachstum, in: DIW-Diskussionspapiere Nr. 168/1998, S. 102 – 103.
[4] Marvin Goodfriend, Overcoming the Zero Bound on Interest Rate Policy, in: Journal of Money, Credit and Banking Vol. 32 (2000), S. 1007 – 1035.
[5] Frederic Vester, Leitmotiv vernetztes Denken, München 1988, S. 41.
[6] Wie Anm. 1.
[7] Vgl. https://silvio-gesell.de/werner-onken-carl-von-ossietzky-und-silvio-gesell.html