FORSCHUNG_4 | Kap. III
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III.  Möglichkeiten des Trueque

1.  Ende der Geldknappheit - ein neues Tauschmittel

Es wurde bereits deutlich, dass die prekäre wirtschaftliche Lage Argentiniens zu einer dramatischen Verschlechterung der Arbeitsmarktsituation geführt hat. Arbeitslosigkeit und vor allem die Informalität der Beschäftigungsverhältnisse stiegen von 1998 bis 2002 enorm an. Immer mehr Menschen glitten in dieser Zeit in Armut ab, was 2002 durch Inflation und Corralito extreme Ausmaße annahm. Breite Bevölkerungsteile sind auch heute noch durch ihre Arbeits- und Einkommenslosigkeit aus dem offiziellen Geld- und Wirtschaftskreislauf ausgeschlossen und haben nur sehr eingeschränkten oder überhaupt keinen Zugang zum herkömmlichen Tauschmittel Geld, das als allgemeingültiger Wertmaßstab aller Güter marktliche Tauschbeziehungen ja in der Regel erst ermöglicht. Als Ergebnis sind auf der einen Seite unbefriedigte Bedürfnisse zu verzeichnen, und auf der anderen das Brachliegen menschlicher Arbeitskraft, welche einen Teil dieser Bedürfnisse durchaus versorgen könnte, aber aufgrund der fehlenden Nachfrage nach Arbeit bzw. nach den Produkten und Dienstleistungen, die in Eigenarbeit produziert werden können, daran gehindert wird. Es fehlt das Geldmedium als Verknüpfungsmechanismus zwischen diesem ungenützten Potential an Arbeitskraft, Kapazitäten und Fähigkeiten und der unbefriedigten Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen.

Como resultado de la falta de demanda de trabajo o de los productos o servicios que se pueden producir por cuenta propia, le faltan ingresos a un sector. Pero las capacidades están allí, y también las necesidades insatisfechas. El problema es volver a unirlas. [37]

Bernard Lietaer vertritt in seinem Werk “Das Geld der Zukunft” die These, dass Komplementärwährungen die Lösung dieses Problems sein können und Arbeit und Konsum wieder zusammenführen. Eine Komplementärwährung ist ein innerhalb einer Gemeinschaft vereinbartes Zahlungsmittel, das nicht identisch mit der Landeswährung ist. Sie „gewährleistet, dass die Menschen ein Tauschmittel haben, das ein weiteres Funktionieren der Wirtschaft ermöglicht und so Arbeitsplätze sichert.“ [38] Komplementärwährungen existieren parallel zu der jeweiligen offiziellen Währung, differenzieren sich von ihr aber durch ihre ausschließliche Funktion als Tauschmittel und durch ihre Nicht-Knappheit. [39] Wie wir gesehen haben, erfüllt der Crédito diese Voraussetzungen. Im Gegensatz zum Peso steht er den ausgeschlossenen Bevölkerungsteilen „ausreichend“ [40] zur Verfügung und ist für jedermann leicht akzessibel, also gerade nicht knapp. Erinnern wir uns, dass jeder Prosument bei seinem Eintritt in das System 50¢ erhält [41] und durch den Tausch seiner Produkte wiederum schnell zu Créditos kommt. Damit überwindet die Tauschwährung einen wesentlichen Nachteil, den die offizielle Währung für die Betroffenen hat, und stellt den Teilnehmern wieder ein Tauschmittel und damit neue Kaufkraft in einem eigenen Wirtschafts- und Geldkreislauf, der parallel zum herkömmlichen funktioniert, zur Verfügung. Im Folgenden gilt es daher zu analysieren, inwieweit diese Parallelökonomie mit der Crédito-Währung erstens zur Befriedigung von Bedürfnissen führt, die im formalen Wirtschaftssystem unbefriedigt bleiben, und zweitens die Produktions- und Arbeitsmöglichkeiten der Prosumenten zu einem für die Gemeinschaft nützlichen Einsatz bringt und damit zu einer materiellen, aber auch immateriellen Besserstellung aller Beteiligten führt.

2.  Grundversorgung und Erweiterung der Konsummöglichkeiten

In der Tat ist festzustellen, dass der Trueque vor allem von 1999 bis Anfang 2002 wesentlich zu einer qualitativ und quantitativ besseren Versorgungslage der Teilnehmer beitrug und so zu einer Wohlfahrtssteigerung der Prosumenten führte. Dieser wirtschaftliche Vorteil wurde daher von den meisten Befragten als Hauptmotiv für die Teilnahme am Trueque genannt. Hier spielte in erster Linie die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen des alltäglichen Lebens eine große Rolle. Über die Nodos konnten die Teilnehmer oftmals einen beachtlichen Teil ihres Grundbedarfs abdecken. Auch die medizinische Versorgung war ein wichtiges und begehrtes Angebot in den Nodos. Vor allem der verarmten Mittelklasse bot der Tauschhandel überdies zusätzliche Konsummöglichkeiten in Form von Gütern und Dienstleistungen, die sich die Prosumenten auf dem herkömmlichen Markt nicht mehr leisten konnten und die für sie daher als „Luxusgüter“ galten.

2.1  Abdeckung des Grundbedarfs

Am wichtigsten für die Teilnehmer war die Behebung von Versorgungslücken des Grundbedarfs, welche die privaten Haushalte nicht durch Eigenleistung auszufüllen imstande waren und die wegen fehlender Mittel auch nicht oder nur eingeschränkt über den herkömmlichen Markt geschlossen werden konnten. Alle befragten Prosumenten und Koordinatoren, die ebenfalls aktiv tauschten, besuchten die Nodos in erster Linie, um für sich und ihre Haushalte Lebensmittel, Kleidung und Dienstleistungen (Haarschnitt, ärztliche Beratung, etc.) zu erhalten. Die anteilige Versorgung der Haushalte mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen konnte deren Ausgaben in Pesos deutlich senken. Sehen wir uns dies näher an. Die Bereitstellung von Gütern bzw. Dienstleistungen für die Tauschmärkte erlaubt eine größere Rentabilität des Peso-Einkommens. Nach José Luis Coraggio, Professor für Sozialökonomie an der Universidad Nacional de General Sarmiento und Experte für die Tauschclubs, ist die Rechnung einfach aufzustellen: Investiert man z.B. von 150$ einen Bruchteil, z.B. 20$, auf dem regulären Markt in den Kauf von Produkten wie Mehl und Milch, verarbeitet diese zu Brot oder Gebäck und verkauft den über den Eigenbedarf hinausgehenden Teil im Trueque, erhält man letztendlich 70$ in Form von Créditos, also zusätzliche 50$ [42]. Durch die Verarbeitung erhalten die Anfangsprodukte einen Mehrwert, wodurch der Verkaufspreis des Endproduktes steigt. Diese Rechnung gilt natürlich ebenfalls im offiziellen Wirtschaftskreislauf, doch wird hier das Produkt bzw. die Arbeitskraft ja gerade nicht mehr nachgefragt, was das Ausweichen auf das Parallelsystem notwendig macht. [43] Das Angebot führt also zu einer Einkommensmehrung für den Einzelnen, dem nun in unserem Beispielfall mit den 70¢ (= 70$) ein größerer Betrag zur Versorgung seiner Familie zur Verfügung steht. Hiervon erwirbt er Lebensmittel und sonstige für ihn notwendige Güter über den Tauschmarkt mit dem Ergebnis, dass ihm vom ursprünglichen Gesamtbetrag in Peso ein größerer Rest bleibt, der anderen Verwendungen zugeführt werden kann.

Die Aussagen zum Volumen der Ausgabenreduzierung in der offiziellen Währung variieren stark. Vielen Teilnehmern fällt es schwer, Schätzungen hierüber abzugeben. Daher sind die Angaben nicht als exakte Ziffern zu verstehen, sondern als Richtwerte. Die meisten Befragten konnten ihre Ausgaben in Peso im Grundversorgungsbereich um 25% bis 50% senken, einige wenige gaben bis zu 80% an. Diese Aussagen stimmen mit Umfragen aus dem Jahr 2000 weitgehend überein. [44]

Aquí en Chacarita había de todo. Teníamos todo de alimentos, frutas, verduras, carne, qué sé yo. Después también había peluqueros, albañiles, médicos, [...]. Yo también compré todo para mi familia, compré las frutas, las verduras, el pan, mucho ya no tenía que comprar afuera. Por semana, te diría que ahorré casi el 50% de lo que normalmente gastaba.[45]

Die zusätzliche Versorgungsmöglichkeit neben dem herkömmlichen Markt hatte für die einzelnen Teilnehmerschichten unterschiedliche Bedeutung. Den Prosumenten der Nueva Pobreza, die sich in der Regel nicht in einem Zustand extremer Bedürftigkeit befanden und noch Peso-Einkünfte erhielten, bot sich durch die parallele Nutzung des Trueque die Möglichkeit, ihren Lebensstandard einigermaßen aufrechtzuerhalten und nicht vollständig in die Armut abzugleiten. Sie lebten vom Trueque und konnten das durch die Ausgabenreduzierung im formellen Wirtschaftskreislauf gesparte Geld für die Güter und Dienstleistungen verwenden, die sich über den Tauschhandel nicht erwerben ließen, z.B. für die Bezahlung der monatlichen Rechnungen:
Yo empecé con el trueque porque en el 99 me quedé sin trabajo. Participé toda la semana en varios nodos. Y el trueque me daba para vivir – pero me sobraba! El dinero que yo tenía, practicamente lo gastaba en pagar los gastos de la luz, el teléfono y esas cosas del departamento. Y el resto lo destinaba a comprar las cosas que en el trueque no conseguía, pero eran muy pocas, por ejemplo, farmacia, o articulos como jabón y champú. Pero los alimentos, los compré casi todos en el trueque. Solamente la carne, la tenía que comprar afuera. [46]

Hubo mucha gente que vivía del nodo, la gente del nodo lucha por tener algo más. Hay gente que ha estado muy bien y que en este momento no tiene trabajo. Yo también en un cierto momento tuve que vivir del nodo. Para mi siempre el trueque fue una cosa paralela. A mí me ayudó mucho, o sea, en algún momento no tuve el mercado formal y tuve que vivir de lo que me daba el trueque. Y en un momento tuve problemas con los servicios. Entonces, qué hacía? Vivía del trueque, y lo que me entraba por el mercado formal, lo usaba para los servicios.[47]

Die Abdeckung der Grundversorgung über den Tauschhandel bot darüber hinaus auch selbständigen Kleinstproduzenten die Chance, auf dem regulären Markt kleine Investitionen zu tätigen, die es ihnen ermöglichen, weiterhin Produkte wie Kleidung, Schuhe, Kunsthandwerk, etc. für den offiziellen Markt zu produzieren:
También me planteé la pregunta de cómo trabajo, cómo invierto. Yo, por ejemplo, hacía unos trajes deportivos, y bueno, la tela es muy cara y, a veces, no la conseguí en el nodo. Entonces, ¿cómo hago para cumplir los pedidos? Y me puse a pensar y decía bueno, ¿qué tengo que gastar en la calle? La yerba, el azúcar y esas cosas, las conseguí en el nodo, la ropa también, ya no tuve que gastar plata en eso. Entonces, esa plata la usaba para comprar la tela. [48]

Während die verarmte Mittelklasse im Trueque ihren gewohnten Lebensstandard mehr oder weniger abzusichern suchte, wurde der Tauschhandel für die Teilnehmer der Sectores Populares dagegen zu einer wahren Überlebensstrategie. Sie verfügten nur mehr über äußerst geringe und unregelmäßige Einkünfte und hatten daher schon große Mühe, die notwendigsten Grundbedürfnisse ihrer Familien zu befriedigen. Die „urgencia alimentaria“ [49] lässt sie die Tauschmärkte aufsuchen, die sie im Gegensatz zu den Mittelschichten nicht parallel zum formellen Markt nutzen, sondern als einzige Möglichkeit, in irgendeiner Form an eine Art Einkommen zu gelangen, das ihnen der Trueque in Form von Gütern und seltener Dienstleistungen leistet.

Yo antes vendía milanesas, milanesas de soja, empanadas y dulces en la calle. De eso vivíamos. Pero después [de la devaluación] subían tanto los precios para la harina y esas cosas que tuve que aumentar mis precios también. Entonces, la gente ya no me compraba las cosas. Entonces, las vendí en el nodo por créditos, y ahí con los créditos compré frutas y verduras, ropa, algunos insumos. En esa época teníamos para comer, el trueque nos daba. [...]. Pero ahora ya no tengo casi nada de ingresos, a veces no alcanza para la comida.[50]

Yo pude sostenerme gracias al trueque. Lo que tengo puesto, lo tengo del trueque. Yo no me puedo comprar ropa, no tengo ni un mango para eso. Mirá, acabo de conseguir estos zapatos, fijate, cómo me quedan. [...] Te digo, yo antes, el año pasado, no tenía el pelo largo, en el nodo había peluqueros, ahí me cortaron el pelo. Si el trueque siguiese como antes, no tendría el pelo largo ahora.[51]

Die Notwendigkeit, den Trueque als Überlebensstrategie zu nutzen, ist wahrscheinlich der wesentliche Grund dafür, dass sich der Wiederaufbau des Tauschsystems nach seinem großen Einbruch Ende 2002 in den armen Teilen des Großraums Buenos Aires deutlich rascher vollzieht, als in den Vierteln der Mittelklasse. In der Westzone (Zona Oeste) und in Quilmes funktionieren heute bereits wieder einige Nodos mit bis zu 300 Prosumenten, Tendenz steigend, während die Clubs in der Hauptstadt (Capital Federal) mit 30 bis 70 Teilnehmern ums Überleben kämpfen.

2.2  Medizinische Versorgung

Eine wichtige Rolle spielte der Trueque im Bereich der medizinischen Betreuung und Behandlung. Bereits seit etwa fünf Jahren leben mehr als 50% der argentinischen Bevölkerung ohne Krankenversicherung [52] und müssen für Arztbesuche und Medikamente selbst aufkommen. Dabei ist allein für ein Beratungsgespräch ohne medizinische Behandlung, je nach Region und Arzt [53], mit Kosten zwischen 30 und 60$ zu rechnen, was bei den derzeitigen Einkommensverhältnissen für die meisten Bürger unerschwinglich ist. Somit bliebe ihnen nur die kostenlose aber defizitäre medizinische Versorgung in den öffentlichen Krankenhäusern. Bis 2002 dagegen hatten die Prosumenten in den Tauschclubs raschen und kostengünstigen Zugang zu medizinischer Hilfe in vielen Bereichen: Neben Allgemeinmedizinern gab es auch Fachärzte sowie zahnmedizinische und psychologische, bzw. psychotherapeutische Betreuung. Auch medizinische Laboratorien, Therapeuten und Krankenpfleger waren zu finden. [54] Die Arbeitszeit der Dienstleister wurde in Créditos bezahlt, anfallende Materialkosten dagegen mussten natürlich weiterhin in Peso berechnet werden, da die Materialien ausschließlich auf dem regulären Markt zu beziehen waren. Die RGT kooperierte sowohl in der Hauptstadt als auch im Landesinneren mit medizinischen Unternehmen (empresas de medicina prépaga), die neben eigenen medizinischen Einrichtungen auch über Rettungszentralen und Ambulanzen verfügten. Der einmalige Mitgliedschaftsbeitrag war anteilig in Créditos zu entrichten, wodurch sich die ursprüngliche Aufwendung in Peso deutlich verringerte. Jeder Arztbesuch wurde anschließend in Créditos bezahlt.

Es wird deutlich, dass die Möglichkeit, auf den Crédito als Zahlungsmittel auszuweichen, für viele die zunächst unbezahlbare medizinische Versorgung erstmalig wieder zugänglich machte. Dabei kann die ärztliche Betreuung sicherlich keine langwierigen Behandlungen oder Operationen mit hohem Material- und Medikamentenaufwand umfassen. Hier wären die Zusatzkosten für den Patienten weiterhin zu hoch. Gerade aber im Bereich der grundlegenden medizinischen Versorgung und Beratung bei alltäglichen medizinischen Problemen (z.B. Erkältung, Grippe, leichten Verletzungen) bot die Parallelökonomie durchaus eine deutliche Verbesserung der Versorgung der Teilnehmer. Auch im therapeutischen Bereich, der in der Regel wenig materialintensiv ist, wurden den Prosumenten erneut wichtige Behandlungsmöglichkeiten zugänglich, die ihrem körperlichen und seelischen Wohlbefinden dienten, was gerade auch in Zeiten persönlicher Wirtschaftskrisen, Arbeitslosigkeit und den damit verbundenen psychischen und psychosomatischen Beschwerden wichtig ist.

2.3  Erweiterung der Konsummöglichkeiten hin zu „Luxusgütern“

Neben der Abdeckung des lebenswichtigen Grundbedarfs und der damit verbundenen Ausgabenreduzierung in Peso boten die Tauschmärkte ein breites Angebot an Gütern und Dienstleistungen, die nicht mehr zum unmittelbaren Überleben notwendig waren. Mitglieder konnten sich über den Tauschhandel auch Güter leisten, die sie im regulären System gar nicht mehr in Anspruch genommen hätten und die für sie somit eine Art „Luxus“ darstellten. Neben dem Aspekt der Bedürfnisbefriedigung ist hier vor allem der emotionale Zusatznutzen nicht außer Acht zu lassen, schließlich bot sich mit der Vielfalt der Möglichkeiten eine neue ‚Shopping-Welt’.

Für die Prosumenten der unteren Schicht öffnet sich damit eine neue und ästhetischere „esfera del consumo“ [55] hin zu neuen Produkten wie Bücher und Geschenkartikel, Pflanzen oder Kunsthandwerk.

Incluso, de vez en cuando pude comprar algún regalito, mira, compré este anotador de madera, es para ponerlo en la pared. Ahora, ni puedo pensar en algo así, ahora ni siquiera tengo plata para comprar la comida, fijate, como vivimos aquí.[56]

Las cosas de adorno que ves aquí en la casa, son todas del trueque. El cuadro ahí, el florero con la florcita de plástico, [...], todo del nodo. Queda mucho más lindo así.[57]

Die krisengebeutelte Mittelklasse wiederum nutzte den Trueque, um Bedürfnisse zu befriedigen, die mit den reduzierten Einkünften nicht mehr abgedeckt werden konnten, um so ihren gewohnten Lebensstandard und ihre gesellschaftliche Position einigermaßen zu erhalten. Natürlich erwarben auch sie die bereits angeführten Produkte, darüber hinaus aber nutzten sie auch Dienstleistungen aus dem Bereich Schönheit und Wohlbefinden wie Maniküre, Aroma-Therapien oder Reiki-Massagen. Auch das Angebot steuerlicher oder juristischer Beratung sowie Bildungsmöglichkeiten wurden wahrgenommen. Zur Instandhaltung und Verschönerung und teilweise auch zum Neubau ihrer Heime nutzten sie gerne das Angebot handwerklicher Dienstleister, z.B. Installateure, Maurer, Elektriker oder Maler, deren Arbeitskraft sie sich auf dem offiziellen Markt nicht mehr leisten konnten. Durch den Tauschhandel beschränkten sich die Aufwendungen in Peso auf die Materialkosten, die Arbeitszeit wurde in Créditos bezahlt.

Alcancé hacer pintar el techo del baño también. Me había cobrado 50¢ y 10$. Era poquísimo. Hubo gente que hizo pintar todo el departamento por créditos, en la época buena. Casas enteras se construyeron con el trueque. Hubo otra gente que compraba hasta casas o autos y camionetas [usadas] por créditos.[58]

Ebenfalls für die Mittelklasse bot sich durch den Trueque die Möglichkeit, Urlaubsreisen zu unternehmen, bei denen bis zu 50% der Kosten (teilweise auch mehr) entweder in Créditos oder in Form von Direkttausch (Arbeitsleistung vor Ort oder mitgebrachte Produkte) entrichtet werden konnten. Hotels aus begehrten Urlaubsregionen Argentiniens wie Mendoza oder Salta im Norden und Mar del Plata im Süden hatten sich dem Tauschhandel angeschlossen. Mit den Créditos der RGT konnten außerdem auch Fernziele in Brasilien und Uruguay (Punta del Este) angesteuert werden. Mabel von Turismo en la Red organisiert auch heute wieder für die RGT Gruppenreisen:
Nuestros turs abarcan todo, asi que la gente no tiene más gastos. Un viaje a Mar del Plata, por ejemplo, el pasaje en micro está a 38$, 38 ida más 38 vuelta. Y nosotros fuimos por 70$ y 40¢ los tres días con comida, con excursiones y con hotelería, todo incluido. Hasta ahora llevan viajando 2900 personas del trueque. Una vez llevamos un pintor a la costa con toda la familia. El trabajaba hasta la una y así pagaba su viaje. Hubo gente que tenía 74 años y no conocía el mar y pudo ir con pan casero. Fabricaron pan casero y lo llevaron. Achicó su monto con su trabajo.[59]

Anhand der aufgeführten Beispiele wird deutlich, dass sich die Teilnehmer des Trueque gegenseitig ein sehr breites Spektrum an Versorgungsmöglichkeiten zur Verfügung stellten. Dadurch wurden zahlreiche Bedürfnisse befriedigt, die im regulären Wirtschaftssystem aufgrund der eingeschränkten Liquidität der Betroffenen unbefriedigt geblieben wären. Der Crédito als neues Zahlungsmittel überwand dieses Problem und gab den Teilnehmern neue Kaufkraft. Im Tauschsystem zeichneten sich unterschiedliche Konsumniveaus der Bevölkerungsschichten ab, für die der Trueque sehr unterschiedliche Bedeutung hatte. Während ihn die abgestiegene Mittelklasse überwiegend parallel zur herkömmlichen Wirtschaft nutzte, war er für die ärmeren Schichten die einzige Möglichkeit, Einkommen und damit Güter und Dienstleistungen zu erlangen. Für alle Betroffenen aber spielte die Parallelökonomie eine herausragende Rolle in ihrer Subsistenzsicherung.

3.  Beschäftigung und Arbeit

3.1  Die Integration individueller Arbeitsleistung – Produktion zur gegenseitigen Bedürfnisbefriedigung

Die Versorgungsmöglichkeiten im Trueque stellen für das einzelne Mitglied die Hauptmotivation seiner Teilnahme dar. Um sie aber nutzen zu können, muss er über seine eigene Arbeitsleistung an die notwendigen Créditos kommen. Zur Ermöglichung der eigenen Subsistenzsicherung kann natürlich auf den Verkauf nicht mehr verwendeter Gegenstände zurückgegriffen werden. Eigentliches Ziel des Trueque ist aber, die Produktion von Gütern und Dienstleistungen durch individuelle Arbeitsleistung zu fördern. „En el trueque no hay empleo pero sí hay trabajo.“[60] Unter Arbeit wird hier nicht förmliche Erwerbsarbeit verstanden, bei der in einem Arbeitsverhältnis monetäres Einkommen erzielt wird, sondern eine autonome qualifizierte oder unqualifizierte Tätigkeit (spanisch: „Autoempleo“), die auf dem Tauschmarkt, teilweise aber auch in begrenztem Maße weiterhin parallel auf dem herkömmlichen Markt nachgefragt wird und für den Anbieter zu einer Einkommensmehrung führt. Auf diese Kaufkraftmehrung ist er, wie wir gesehen haben, aufgrund seiner prekären Versorgungssituation dringend angewiesen. Daher bietet sich ihm der Trueque als alternative oder parallele Arbeits- und Verdienstmöglichkeit an.

Bis zu seinem Einbruch ermöglichte der Trueque in vielen Fällen den Zugang zu neuen bzw. verlorenen zahlungskräftigen (in Créditos!) Kunden und somit die Weiterführung der bisher ausgeübten Beschäftigung. Vor allem den Anbietern relativ teurer Dienstleistungen im handwerklichen und medizinischen Bereich, deren Inanspruchnahme in Krisenzeiten auf ein Minimum reduziert wird, bot die Parallelökonomie einen sinnvollen Ausweg:
El intercambio con los prosumidores nos da esperanzas para seguir trabajando con dignidad, porque hoy no existen los clientes. Ahora, profesionales y productores podremos llegar a la gente. [...] Esta es la solución para los profesionales que no tienen trabajo, y también para el paciente que dignamente puede pagar su consulta con lo que dispone, es decir, con sus créditos del trueque. [61]

Durch die Parallelwirtschaft können also die sonst brachliegenden Fähigkeiten, Arbeitskraft und Produktionsmittel genutzt werden und Arbeitsleistungen erbracht werden, die im offiziellen Wirtschaftskreislauf aufgrund krisenbedingter mangelnder Nachfrage, aber auch fehlender Wettbewerbsfähigkeit (geringere Qualität, niedrige Produktivität und Produktionsmenge, etc.) unterbleiben würden. Estela Maris, Koordinatorin aus Merlo:
Aquí en el nodo hay bastante producción de ropa y calzados. La gente que produce esas cosas, no las puede vender a negocios del mercado formal porque ellos piden cantidad y calidad y, a parte, solamente deben comprar de proveedores que facturan. Entonces, solamente pueden vender sus productos a clientes privados, cosa que en tiempos de crisis tampoco es tan fácil, porque la gente ya no tiene para comprar. Entonces, lo que no podés vender en el mercado por plata, lo vendés en el nodo.[62]

Im Tauschmarkt gelten also andere Bedingungen für Effizienz und Produktivität, welche die Nutzung der relativ geringen Produktionsmöglichkeiten der Prosumenten möglich machen und diese dadurch befähigen, ihre Kapazitäten zum Erwerb ihres Lebensunterhalts einzusetzen.

Dieser Gesichtspunkt ist ebenfalls wichtig für die Integration häuslicher Produktion von Nahrungsmitteln wie zubereiteten Speisen, Brot und Konserven in den Tauschhandel. Auf dem freien Markt könnten diese Produkte bestenfalls im Straßenverkauf abgesetzt werden, Straßenverkäufer (die sogenannten „Ambulantes“) gibt es aber schon massenweise. Im Trueque dagegen finden Anbieter einen regelmäßigen und großen Markt mit entsprechender Nachfrage vor. Dies bietet vor allem Frauen [63] – gerade auch Hausfrauen - die Möglichkeit, ihre haushaltliche Produktion zu vergrößern bzw. deren Varietät zu erweitern und Überschüsse im Trueque anzubieten. Damit kann in den Nodos nicht nur ein wichtiger Know-How-Transfer haushaltlicher Arbeit und Küche erfolgen. Diese Verdienstmöglichkeiten der Frauen stärken ihre Position und “generan una intervención más importante de las mujeres en la obtención del sustento del hogar [y] también las libera[n], en cierta medida, de la sujeción respecto a sus maridos dentro de la sociedad patriarcal.”[64]

Der Trueque bietet ebenfalls die Möglichkeit zur Integration von Personen ohne eigene Produktionsmöglichkeiten, d.h. Personen, die nicht über das notwendige minimale Kapital verfügen, um in die Produktion für den Trueque investieren zu können. Die effiziente Einbindung der nur sehr begrenzten Arbeitsmöglichkeiten der absolut Verarmten hängt aber zum einen vom Geschick und Einfallsreichtum der Koordinatoren ab, und zum anderen vom Willen und der Disziplin der Betroffenen. Daher waren diese Versuche oftmals nicht von Erfolg gekrönt.

Hacíamos mucho hincapié en la autosuperación, a partir de lo que podemos aprender y de aquello que ya se aprendió pero que no lo ponemos en práctica. La gente tenía que darse cuenta de que podían a más. Por ejemplo, había gente que, cierto, los apremiaba la parte económica. Entonces, yo decía: ‘vayan y pidan a los vecinos pan, rallenlo y ustedes están recibiendo bolsitas de pan rallado. Había gente que traía milanesa ya preparada y tenía que ir al mercado formal para comprar pan rallado, cuando esa persona que traía el pan rallado podía hacerse de créditos y sentirse más útil.[65]

Die geringen Anforderungen an Produktivität und Effizienz ebenso wie die Informalität des Trueque machen ihn ebenfalls zu einer idealen Plattform, um neue Betätigungen auszuprobieren, da die Investitionskosten und somit auch das Risiko gering bleiben. Für viele bot sich daher die Gelegenheit, ihr Hobby oder ihre besonderen Fähigkeiten und Erfahrungen zum ‚Beruf’ zu machen. Vor allem im kunsthandwerklichen und Textilbereich (Schmuck, Stoffpuppen, Holzfiguren, bestickte Handtücher/Tischdecken, etc.) aber auch im Lebensmittelbereich (Herstellung von Süßspeisen und Marmeladen nach traditionellen Rezepten) kamen hier vielfältige Talente aber auch neuartige Produktvarianten zum Vorschein. Auch im Dienstleistungsbereich kannte die Kreativität keine Grenzen und es entstanden heiß begehrte Angebote wie „limpiar el horno“ (Backofen-Putzen) oder der sog. „marido por horas“ (Stunden-Ehemann), der Frauenhaushalten Reparaturhilfe, bzw. Verrichtung schwerer Arbeiten im Haushalt anbot [66]. Diese Beispiele machen deutlich, dass alle Teilnehmer Fähigkeiten besitzen, mit denen sie die Bedürfnisse Anderer befriedigen können. Erst der Trueque und der Crédito als Tauschmittel bringen Angebots- und Nachfrageseite wieder zusammen. Ziel solcher neuen Kleinstunternehmen war nach dem Lernprozess innerhalb des Schutzbereichs der Parallelökonomie oftmals Eingliederung als sogenannte Microemprendimientos in den offiziellen Markt.

3.1  Förderung von Kleinstunternehmern: Microemprendimientos

Die Organisation der Clubs kann die Gründung und den Erhalt solcher Microemprendimientos gezielt forcieren. Microemprendimientos sind Kleinstunternehmen von durchschnittlich 3-5 Personen, die meist der Familie bzw. dem Freundeskreis angehören. Sie produzieren arbeitsintensiv mit äußerst geringer Ausstattung an Kapital und Produktionsmitteln und daher mit geringem Produktionsvolumen. Ihre Anzahl hat im informellen Sektor des regulären Marktes als Überlebensstrategie vieler Arbeitsloser bereits großes Gewicht erlangt. [67] Auch wenn der Trueque als Parallelmarkt ein risikoarmer Schutzraum für bereits bestehende oder neu gegründete Microemprendimientos sein kann, darf gleichzeitig nicht übersehen werden, dass diese gerade durch die Risikolosigkeit kaum die notwendigen Anreize haben, um Überlebensstrategien für eine effiziente (Re)Integration in den offiziellen Markt zu entwickeln. [68] Koordinatoren und Organisatoren des Trueque können dennoch viel zur gezielten Förderung solcher Strategien beitragen. [69] Dies wurde zum einen bei der Beobachtung mehrerer Microemprendimientos des Nodo „Montserrat“ deutlich, die Kunsthandwerk aus Keramik und Glas, sowie traditionelle Süßspeisen produzieren. [70] Zum anderen werden Erfahrungen von Kleinstunternehmen der Zona Oeste mit bereits größerer Produktion herangezogen. Welche Lösungsmöglichkeiten bietet das Tauschsystem nun ihren Problemen? Ihre schlechte Ausstattung mit Kapital und Produktionsmitteln lässt sich oft nur begrenzt beeinflussen. Die Organisatoren der Zona Oeste investierten daher gezielt die Einnahmen aus den Mitgliedsbeiträgen in die maschinelle Ausstattung ihrer Kleinstunternehmen. Dadurch konnten z.B. zwei größere Emprendimientos eingerichtet werden, in denen 11 Beschäftigte unter anderem mit einer täglichen Produktion von 1200 Pizzaböden den Prosumenten eine warme Mahlzeit ermöglichten, was für viele keine Selbstverständlichkeit war. Die Bezahlung der Arbeiter erfolgte in Créditos. [71] Das Projekt befindet sich derzeit im Wiederaufbau.

Die schwache Kapitalausstattung lässt oft schon den Kauf kleiner Mengen an Produktionsmaterial zum Problem werden. Eine wichtige Kostensparmaßnahme ist der Erwerb von Produktionsmaterial über den Tauschmarkt. Im Nodo „Montserrat“ sammeln z.B. alle Teilnehmer Flaschen für das Emprendimiento Glaskunsthandwerk sowie Behältnisse und Verpackungsmaterial für die Verpackung der produzierten Lebensmittel. Die Zona Oeste stellte mit der Gründung eines Zulieferbetriebs die Mehlversorgung der Pizzaproduktion sicher und reduzierte gleichzeitig die Produktionskosten:
Nosotros compramos el trigo y mandamos hacer la harina. Pagamos la mano de obra con harina. Una bolsa de harina de 50 kg que en el mercado formal costaba 40$ a nosotros nos salía 25$. Eso nos permitía achicar todos los costos. [72]

Durch solche Maßnahmen können Kleinstunternehmen in der Startphase Kapital für Erweiterungsinvestitionen ansparen bzw. sich durch niedrige Verkaufspreise auf dem offiziellen Markt besser behaupten.
Sehr wichtig ist die Weiterqualifizierung der Prosumenten hin zu Unternehmern, die im normalen Wirtschaftssystem konkurrenzfähig sind. Eine wesentliche Aufgabe der Koordination ist hierbei, die Laienunternehmer zunächst in ihrem „poder autogestivo“ [73] zu ermutigen und ihnen Schritte zum Selbstmanagement aufzuzeigen. Daneben muss der Besuch kostenloser Schulungen zu betriebswirtschaftlichen Themen wie Finanzplanung, Buchführung, Produktvermarktung und Formalisierung angestoßen werden, da die Kleinunternehmer hierüber im Regelfall kaum Kenntnisse verfügen. Kurse hierzu werden z.B. vom Centro de Apoyo a la Microempresa [74] (CAM) der Stadt Buenos Aires angeboten. Das Programm sieht darüber hinaus auch technische und finanzielle Assistenz [75] für Kleinstproduzenten vor.
Viele Betroffene sind über derartige Möglichkeiten nicht ausreichend informiert, vor allem, weil die Informationssuche für sie mit nicht unerheblichen Kosten verbunden ist. [76] Hier spielt der Nodo als Netzwerk und Informationspool eine große Rolle. Die Mitglieder informieren und beraten sich gegenseitig. Dieses Netzwerk trägt gleichzeitig auch zum stärkeren Absatz der Produkte im informellen Peso-Markt bei, da die Produzenten über den Trueque ihren Bekanntenkreis erweitern und damit auch neue in Peso zahlende Kunden gewinnen, was ihre schlechten Kommerzialisierungsmöglichkeiten im formellen Markt etwas ausgleicht.
Einige Microemprendimientos haben bereits als informelles oder sogar als formal registriertes Unternehmen den Schritt in den offiziellen Markt geschafft. Graciela aus Quilmes schildert ihren Erfolg:
Yo en un momento estaba muy mal, no tenía trabajo. En el trueque aprendí que cada uno puede producir algo. Y me puse a pensar, ¿qué puedo hacer yo? ¿Qué sirve para el mercado formal? Y encontré la soja. No hay un producto más barato y más útil para la gente. Me capacité, busqué recetas y proveedores y con mi familia empezamos a producir productos de soja para el trueque y también para el mercado formal. [...] Después me puse a pensar, ¿cómo puedo competir en el mercado formal?, pensé, y bueno, vendí los productos más baratos que otros emprendedores, y así hubo más gente que compraba. A mis clientes, los conseguí casi todos a través de la gente que yo conocía del trueque. Llamé a todos mis amigos del nodo y ellos lo dijeron a su gente y así conseguí a gente que compraba. Gracias a eso pude sostener mi familia en los meses que mi marido tampoco tenía trabajo. [77]

Dies unterstreicht die Bedeutung des Trueque als „incubadora de empresas“ [78], die zur Neuorientierung der Teilnehmer auf dem Arbeitsmarkt beiträgt und eine Plattform für die Gründung von Kleinstunternehmen ist, die selbst wiederum, je nach Entwicklung, über große „capacidad de generación de empleo“ [79] verfügen.

3.2  Geschäfte und Unternehmen im System – Arbeitsplätze und lokale Ökonomie

Aus der regulären Wirtschaft integrierten sich mit zunehmender Ausbreitung und Vergrößerung des Parallelmarktes Geschäfte und Unternehmen aller Sektoren in das Tauschsystem. Vor allem die Netzwerke RGT und Zona Oeste befürworteten ihre Integration, die für beide Seiten Vorteile brachte. Für das Parallelsystem bedeutete sie eine größere Diversifikation des Produktangebots sowie die Lieferung größerer Mengen, wodurch die Versorgung der Prosumenten verbessert und ihr Vertrauen in das Parallelsystem gefördert wurde. Auf Unternehmerseite verhinderte der Eintritt in den parallelen Währungskreislauf ein Stillstehen ihrer Kapazitäten und ermöglichte die Aufrechterhaltung der Produktion bzw. des Verkaufs und somit die Erhaltung der Arbeitsplätze. Der Trueque brachte ihnen neue zahlungskräftige (in Créditos!) Kunden und band auch durch die Krise verlorengegangene Kundschaft wieder an sie, was gerade in kleineren Gemeinden wichtig war. Das landesweite Netzwerk der RGT bot ihnen außerdem neue Verkaufsmöglichkeiten in allen Regionen des Landes. Neben den absatzpolitischen Gesichtspunkten galt auch für die Unternehmen der Kostensenkungsvorteil durch Teilabdeckung ihrer Versorgung über die Tauschmärkte. Im Folgenden werden die einzelnen Sektoren kurz betrachtet.

Einzelhandel und Dienstleistungen: In vielen Städten und kleinen Gemeinden gliederten sich einige örtliche Geschäfte dem Trueque an. Dazu muss man wissen, dass in den meisten Orten vor allem kleine Kioske in großer Zahl vorhanden sind und der Konkurrenzkampf entsprechend groß ist, eine Situation, die sich durch die schwere Krise und Zahlungsunfähigkeit der Kunden natürlich zuspitzte. Anbieter von Produkten sekundärer Wichtigkeit, wie z.B. Buchhandlungen, deren Umsätze sich radikal reduziert hatten, sahen ebenfalls Vorteile im Trueque. Frau Maruelli berichtet aus Frías:
Tuvimos quioscos, despensas que se juntaron al trueque. Tenían un cartel diciendo ‘adheridos al club del trueque’. Pero ellos pusieron un tope de venta. Ellos decían, bueno, vamos a aceptar hasta un 15% de nuestras ganancias en créditos. Dentro del sistema obtuvieron servicios. Servicio de albañilería, algunos compraron ladrillos, servicio de electricidad. Había gente que se ahorró hasta 2000$. Sobre todo los que estaban construyendo. [80]

Durch die Aufspaltung der Preise in einen Peso- und einen Crédito-Anteil reduzierten sich für den Verbraucher die Ausgaben in der knappen offiziellen Währung, während die Créditos für sie leicht zu generieren waren. Ihre Zahlungsfähigkeit verbesserte sich, wodurch die beteiligten Geschäfte ihren Absatz wieder steigern konnten. Von den Einnahmen in der Tauschwährung deckten diese Geschäfte einen Teil ihrer Versorgung über die Nodos ab und reduzierten so selbst ihre Ausgaben in Peso. Die Verbilligung ihrer Produkte ließ sie oftmals im Preiskampf gegen ansässige große Supermarktketten, die auf hundertprozentiger Zahlung in der Landeswährung bestehen müssen, erstarken. [81] Hier wird gleichzeitig die Bedeutung der Parallelwährung für die lokale Ökonomie deutlich.
Im Dienstleistungssektor wurden bereits selbständige Ärzte, Handwerker, aber auch der Tourismusbereich erwähnt. Zahlreiche Hotels fanden durch die anteilige Akzeptanz von Créditos einen Ausweg aus ihrer prekären Lage. Sie konnten ihre Betten wieder füllen und erneut Einkünfte – auch in Peso – erzielen. Mit den Créditos erwarben sie Leistungen auf den lokalen Tauschmärkten und gingen außerdem dazu über, ihre Mitarbeiter teilweise in der Parallelwährung zu entlohnen. Mabel von Turismo en la Red beschreibt die Situation:
A partir de mediados del 2000 los hoteles empezaron a adherirse. De pronto, también nuestros créditos les servían para mano de obra en la misma costa. Mucha gente estaba adherida, había electricistas, pintores, de todo. Con estos créditos le pagaron a la gente. Y han arreglado un monton, principalmente en la costa y en Mendoza. [...] En muchos casos los hoteles también pagaron a sus empleados mitad y mitad en creditos y los empleados iban a los nodos y conseguían lo que necesitaban para vivir. [82]

Industrie und Landwirtschaft: Im landwirtschaftlichen Bereich arbeitete die RGT mit mehreren Fincas verschiedener Provinzen zusammen. Ihre Betreiber hatten vor allem zur Erntezeit durch den verstärkten Einsatz von Arbeitskräften häufig höhere Kosten als sie Einnahmen für ihre Produkte erzielten. Daneben verfügten sie auch nicht über die notwendige Liquidität, um Erntehelfer einzustellen, mit dem Ergebnis, dass die Ernte unterblieb und Obst und Gemüse verfaulte. Diese Situation erscheint um so paradoxer, wenn man bedenkt, dass gleichzeitig in einigen Provinzen Todesfälle durch Unterernährung von Kindern bekannt wurden. Die RGT bot den Produzenten einen zinslosen Kredit in Créditos an, mit dem sie die Hilfsarbeiter bezahlen konnten:
Estaba la fruta en los arboles y estaba la mano de obra pero no había dinero para pagarla. Con credito del club del trueque le pagamos a la gente para que cosechara, y la gente cosechó. [83]

Diese hatten nun Arbeit und ein Einkommen, das sie in den Nodos umsetzten. Der Betreiber selbst musste natürlich den Kredit wieder zurückzahlen und bot somit seine Produkte ebenfalls auf den lokalen Tauschmärkten an, wo sie wiederum der Versorgung der Bevölkerung dienten.
Die Tauschwährung kann also einen lokalen unabhängigen Arbeits-Versorgungs-Kreislauf ermöglichen. Dadurch wird die Selbständigkeit von Gemeinden gefördert, da durch die Nutzung lokaler Ressourcen und Produktionsmöglichkeiten die entsprechenden Güter nicht von außerhalb bezogen werden müssen. Dementsprechend muss die Region für den Erwerb dieser Produkte auch keinen Exportstrom erzeugen, um die notwendigen Geldmittel zu generieren, mit denen sie ihre Nahrungsmittel außerhalb erwerben kann. [84]

Dieser autonome Kreislauf konnte ebenso mit der lokalen Industrie aufgebaut werden. Die radikale wirtschaftliche Öffnung Argentiniens in den 90er Jahren wirkte sich ja vor allem auf kleine und mittlere Unternehmen aus, die mit den Großkonzernen nicht mehr mithalten konnten. Die zahlreichen Firmenpleiten verursachten große Arbeitsplatzverluste mit verheerenden Auswirkungen gerade in kleineren Orten. Spektakulär wurde daher die Rettung eines Unternehmens durch die Parallelwährung. Der Familienbetrieb Lourdes S.A. mit Sitz in San Rafael, Provinz Mendoza (ca. 150000 Einwohner; 40 Nodos) hatte 40 Jahre lang Konserven, Marmeladen und Gelees hergestellt. 100 Arbeitsplätze waren an die Firma gebunden. Durch die Krise brach der Verkauf ein, Kredite waren nicht zu bekommen. Die Firma stand vor dem Konkurs. Um das Unternehmen wiederzubeleben, musste in einem ersten Schritt Geld in formaler Währung für die Abdeckung von Fixkosten erworben werden. Ein Zulieferer, der die Firma regulär mit Pflaumen beliefert hatte, und nun die Ernte nicht mehr bezahlen konnte, akzeptierte den Zahlungsmodus in Créditos, mit denen er seine Arbeiter entlohnte und die Ernte durchführen konnte. Die Pflaumen wurden einem Kleinunternehmen zum Trocknen übergeben, das ebenfalls mit Créditos bezahlt wurde. Die getrockneten Pflaumen wurden anschließend in Buenos Aires gegen Pesos verkauft. „Con los pesos fuimos a San Rafael de Mendoza, pagamos la luz y el agua y compramos los primeros envases“ [85], die Produktion wurde wieder möglich. In einem zweiten Schritt wurde dem Inhaber ein zinsloser Kredit in Créditos angeboten. Damit konnten zunächst Reparaturarbeiten im Betrieb durchgeführt werden. Mit den Arbeitern der Fabrik kam man überein, sie solange ausschließlich in Créditos zu bezahlen, bis sich die Firma auf dem formalen Markt wieder refinanzieren könnte. Die Sozialbeiträge wurden bereits mit den ersten Gewinnen des Unternehmens wieder geleistet. Die Produktion wurde zunächst mit 30 Arbeitern wieder aufgenommen, die je etwa 500 Créditos verdienten. Nach und nach erhielten sie einen Teil ihres Lohns in Peso. Die Produkte flossen teilweise in den Parallelkreislauf ein und wurden landesweit in verschiedenen Nodos gegen Créditos verkauft. Der Rest wurde gegen Peso abgesetzt.
A los cuatro meses le devolvimos la fábrica al dueño y demostramos que habíamos logrado poner en marcha la fábrica casi enteramente con créditos, cuando el sistema formal la había expulsado y no había crédito. Pensamos: el empresario estaba fundido, el banco no cobraba, las ciruelas se caían, el secador de ciruelas no tenía producción, los obreros estaban parados - y con eso se puso en marcha todo. [86]

Das Unternehmen vollzog also einen fast kompletten Rückzug in die Parallelwirtschaft und reduzierte so seine Kosten praktisch auf die Fixkosten. Dies ist sicherlich ein extremes Beispiel. Im Normalfall einer Zusammenarbeit zwischen Trueque und Unternehmen würde man sicherlich bei der Bezahlung der Arbeiter ein ausgewogeneres bimonetäres Modell wählen, wie es die Zona Oeste mit einer Nudelfabrik handhabt:
La fábrica de fideo existía y existe. Nosotros aportamos la harina y pagamos una parte de la mano de obra en créditos y la otra parte en plata...el 50% en créditos y otro 50% en plata. En la fábrica trabajan 30 personas. La fabrica tenía una capacidad de 10000 paquetes diarias. Bueno, hacían 7000 para el mercado formal y 3000 para el trueque. La parte en plata era la que generaban los costos fijos de los insumos que no se podían conseguir en créditos. Esto era el punto óptimo de producción para que la fábrica no llegara a pérdida. [87]

An diesen Beispielen ist deutlich zu sehen, dass die komplementäre Nutzung der Parallelökonomie mit ihrer eigenen Währung und ihrem Versorgungssystem ein Sicherheitsmechanismus für Geschäfte und Unternehmen sein kann, deren Bestehen im offiziellen System unsicher ist. Sie können sich in den Schutzbereich der Parallelwirtschaft zurückziehen, dadurch Kunden gewinnen und Kostensenkungsvorteile ausnutzen. Durch die Reduzierung der Kosten können Produkte billiger angeboten werden oder gespartes Geld für Reinvestitionen verwendet werden, um später im regulären System wieder besser Fuß fassen zu können. Voraussetzung ist allerdings ein relativ großer Tauschmarkt mit breiter Produktvielfalt, so dass Unternehmen für sie interessante Leistungen in den für sie notwendigen Mengen erhalten können. Nur dann kann auch erwogen werden, Arbeitskraft in der Parallelwährung zu entlohnen, wobei dies dennoch aus zwei Gründen problematisch bleibt: Erstens haben Arbeitnehmer in extremen Krisensituationen wie Argentinien sie erlebt, keine Wahlmöglichkeit. Sie akzeptieren entweder die Créditos oder gehen aufgrund der Liquiditätsprobleme des Unternehmens leer aus. Sie sind gezwungen, eine Währung anzunehmen, deren Akzeptanz sich auf determinierte Kreise beschränkt. Dadurch bleiben sie zweitens „privados de consumir ciertos productos que en este mercado no pueden encontrarse“ [88]. Damit die Betroffenen auch weiterhin auf dem herkömmlichen Markt konsumieren können, dürfen die Löhne daher nur anteilig in der Parallelwährung ausbezahlt werden.

4.  Soziale Funktionen des Trueque

4.1  Subjektives Wohlbefinden und soziale Kompetenzen

Von allen Befragten eindringlich betont wurden die positiven Auswirkungen des Trueque auf das individuelle Wohlbefinden der Prosumenten. Subjektive Folgen der Arbeitslosigkeit können ausgeglichen werden. Der Einzelne kann in seiner neuen Aufgabe einen geregelten Tagesablauf aufbauen, den Wert seiner Arbeitskraft wiedererkennen und bei anderen Anerkennung finden. Viele der Teilnehmer sind entweder Hausfrauen oder haben bedingt durch Arbeitslosigkeit eine lange Zeit hinter sich, die sie meist zuhause verbrachten und kaum Kontakte zur Außenwelt hatten. Daher kamen sie oft in einem sehr deprimierten Zustand zum Nodo. Für sie ist der Nodo eine Brücke, um neue soziale Kontakte und Freundschaften zu gründen und aus dem einsamen Grübeln herauszufinden. Sie fühlen sich in der Gruppe als Gleiche unter Gleichen, „donde encuentran lugar“ [89].
Empezar con el microemprendimiento fue un gran desafío [...] pero lo logré y eso hizo crecerme y sentirme útil. El trueque para mi es como una familia porque en la familia también se ayudan todos. Y nos contamos nuestras cosas, nuestras preocupaciones, nuestros amores. [90]

Dieser Aspekt gewinnt zusätzliche Bedeutung, wenn man bedenkt, dass sich durch die Verarmung der Prosumenten ja auch ihre Möglichkeiten sozialer Aktivitäten deutlich verringert haben. Freizeitorte wie Kinos, Restaurants oder Bars sind für die meisten seit langem nicht mehr erschwinglich. Die positiven Auswirkungen auf das seelische Wohl können wiederum auch auf das leibliche Wohlbefinden rückwirken:
Yo estuve en el sistema porque pienso que es una salida. Pienso que evita enfermedades como la depresión o los vicios, porque muchos vicios solamente se inician porque uno no encuentra, qué hacer. También tiene un efecto recreativo. Y la experiencia de conocer a otras personas y de sentirse útil es de un valor incalculable para el individuo. [91]

Für einige ist die Gemeinschaft im Club auch die erste Erfahrung, sich partizipativ in eine Gruppe einzufügen und einen Platz in einer sozialen Organisation zu finden. Trotz ihrer Schwierigkeiten, sich selbst finanziell über Wasser zu halten, beginnen sie, sich solidarisch für die Belange anderer einzusetzen und einander zu helfen. Anders als vermutet, wird gerade auch in den Nodos der armen Stadtteile diese Solidarität beobachtet, obwohl das primäre Teilnahmemotiv dieser Prosumenten ihre extreme Versorgungsnotlage ist. Im Laufe ihrer Tausch-Erfahrung erkennen sie aber zunehmend, dass sie durch den Trueque zum ersten Mal die Möglichkeit haben, selbst aktiv zu geben und nicht länger als Mittellose nur in der Rolle der passiven Empfänger von Hilfsleistungen sein zu müssen. [92]

4.2  Nachbarschaftshilfe und soziale Sicherheit im Barrio

Da sich die Nodos in allen Stadtvierteln (spanisch: „Barrios“) organisierten, um die Anfahrtswege der Prosumenten möglichst gering zu halten, ermöglichen sie die Wiederaufnahme der sozialen Beziehungen innerhalb des Viertels. In vielen Vierteln führte der krisenbedingte Anstieg von Drogenkonsum und Kriminalität dazu, dass „la gente comience a perder la confianza en sus vecinos, lo cual daña o resiente aun más las relaciones de reciprocidad que se establecían entre ellos” [93]. Nachbarschaftsbeziehungen und damit nachbarschaftliche Hilfsleistungen aber auch die Möglichkeit als Barrio geschlossen aktiv zu werden, um gemeinsame Ziele (wie infrastrukturelle Verbesserung) zu erreichen, wurden oft abgebrochen, was die individuelle materielle und immaterielle Situation zusätzlich belastete. Fehlender sozialer Halt wiederum kann ein Abgleiten in die Kriminalität beschleunigen. Im Nodo traf man die bekannten Gesichter von früher wieder. Dort war auch Zeit, um miteinander ins Gespräch zu kommen:
Te digo, yo antes no conocía a la gente del barrio, sólo a los vecinos de mi cuadra, pero mucho ya no hablamos tampoco. Pero más allá de mi cuadra ya no. Y cuando puse el nodo, de repente nos conocimos todos. [94]

Die positiven Auswirkungen des Trueque auf das individuelle Wohlbefinden und die sozialen Netzwerkstrukturen einer Wohnsiedlung sind nicht zu unterschätzen. In vielen Fällen schätzen Prosumenten den immateriellen Wert des Trueque sogar höher als den eigentlichen materiellen Nutzen, den sie aus ihm ziehen. [95]

5.  Zusammenfassung

Der Trueque bietet vor allem bis zu seinem Einbruch den Nutzern Möglichkeiten, die sie in der regulären Wirtschaft nicht oder nur mehr eingeschränkt haben. Er leistet einen wesentlichen Beitrag zur Schließung von Versorgungslücken und eröffnet einen Ausweg aus den Engpässen des Arbeitsmarkts. Er ist ein Rückzugsraum für Selbständige, Microemprendimientos und Unternehmen, die durch die parallele Nutzung von herkömmlicher und komplementärer Ökonomie ihren Kundenkreis vergrößern und ihre Betriebskosten reduzieren können, wodurch sie an Stabilität und Wettbewerbsfähigkeit in der regulären Wirtschaft gewinnen und Arbeitsplätze erhalten werden. Durch die geringen Anforderungen an Produktion und Effizienz werden innerhalb der Parallelwirtschaft eine Vielzahl neuer Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen, deren Leistungen in der herkömmlichen Wirtschaft unterbleiben würden, obwohl sie in der Lage sind, Bedürfnisse zu befriedigen und damit Nutzen zu stiften. Der Arbeitsleistung der Teilnehmer wird hoher Wert beigemessen. Sie werden erneut befähigt, ihre Fähigkeiten und ihr Wissen in nutzenstiftende Tätigkeiten zu verwandeln, die wiederum der Versorgung anderer Teilnehmer dienen. Der Leistungsaustausch erfolgt dabei über den Crédito, der somit nach der These Lietaers als neues Tauschmittel der begrenzten Liquidität der Prosumenten ein Ende setzt und brachliegendes Arbeitspotential und unbefriedigte Bedürfnisse erneut zusammenführt. Durch die Wichtigkeit von Gemeinschaft und Solidarität vermag der Trueque das individuelle Wohlbefinden der Teilnehmer sowie den nachbarschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Es wird klar, dass die Tauschclubs nicht ausschließlich nur nach ökonomischen Gesichtspunkten beurteilt werden dürfen, sondern dass sie gerade „Aspekte integrieren, die vom offiziellen Wirtschaftssystem heruntergespielt oder ignoriert werden“ [96]. Somit kann der Trueque als zivile Selbsthilfeorganisation charakterisiert werden, in der sich Bürger in Eigeninitiative organisieren, um mit ihrer eigenen Leistung einen Ausweg aus der Wirtschaftskrise zu finden. Die Parallelökonomie funktioniert komplementär zur herkömmlichen wettbewerbsorientierten Wirtschaft und ergänzt diese, indem sie die Ausgeschlossenen dieses regulären Systems auffängt und durch ein anderes Werteschema den Fokus auf eine kooperative Wirtschaft legt.

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Anmerkungen

[37] José L. Coraggio, „Las redes de trueque como institución de la Economía Popular”, in: Hintze, Susana (Hg.), Trueque y Economía Solidaria, Universidad Nacional de General Sarmiento, San Miguel, Buenos Aires 2003 (in Druck), S. 263
„Als Ergebnis der fehlenden Nachfrage nach Arbeit oder nach den Produkten und Dienstleistungen, die in Eigenarbeit erbracht werden können, fehlen einem Bevölkerungsteil Einkünfte. Aber die Kapazitäten sind vorhanden, ebenso wie die unbefriedigten Bedürfnisse. Das Problem ist, sie wieder zusammenzuführen.“ (eigene Übersetzung)
[38] BernardLietaer, Das Geld der Zukunft, New York 1999, S. 260
[39] Vgl. Lietaer, S. 260f.
[40] Lietaer, S. 259
[41] Die Probleme dieser Geldpolitik werden unter IV.3 analysiert.
[42] Vgl. Laura Vales, „Plan Jefes y Jefas de Hogar – Pro y contra de un seguro“ in:Página12, 12. 05. 2002 unter: www.pagina12web.com.ar [ /buscador/ver.php?idnota=5040&idsec=1&fecha=2002-05-12 ], 18. 06. 2002; Voraussetzung ist die Konvertibilität von 1:1 zwischen Peso und Crédito. In der Realität wurde diese Äquivalenz nie vollständig erreicht, korrekterweise würde der Einzelne daher z.B. 60$ in Form von 70¢ erhalten und somit das zusätzliche Einkommen unter 50$ liegen.
[43] Zum Thema Arbeit und Beschäftigung siehe ausführlich unter III.3.
[44] Vgl. González Bombal, S. 284ff.
[45] Interview vom 03. 06. 2003 mit Mercedes Gomez, Koordinatorin des Nodo „La Estación“ in Chacarita, Buenos Aires Capital. Der Club wurde 1999 gegründet und umfasste zu Beginn des Jahres 2002 über 4000 Prosumenten. Er war einer der größten Nodos in Buenos Aires Capital. „Hier in Chacarita gab es alles. Wir hatten alles an Lebensmitteln, Obst, Gemüse, Fleisch, was weiß ich. Weiter gab es auch Friseure, Maurer, Ärzte, [...]. Ich habe ebenfalls alles für meine Familie gekauft. Das Obst, das Gemüse, Brot, viel musste ich nicht mehr außerhalb kaufen. Pro Woche, würde ich sagen, dass ich fast 50% meiner normalen Ausgaben sparte.“ (eigene Übersetzung)
[46] Interview vom 24. 06. 2003 mit Enzo Pellegrini, 59, aus Chacarita, Buenos Aires Capital, ehemaliger Bankangestellter. Er hat derzeit keine regelmäßige Einkünfte, da er das Mindestalter für Rentenbezug noch nicht erreicht hat und lebt daher vor allem von den Einkünften seiner Familie (Eltern und Geschwistern), die Landwirtschaft in der Provinz Santa Fe betreibt. Er kann den Beitrag des Trueque nicht genau beziffern.
„Ich begann mit dem Trueque, weil ich 1999 meine Arbeit verlor. Ich nahm jede Woche an verschiedenen Nodos teil. Und der Trueque gab mir zum Leben – sogar mehr als genug! Das Geld, das ich hatte, verwendete ich praktisch nur für die Kosten von Strom, Gas, Telefon und alles, was die Wohnung betrifft. Und vom Rest kaufte ich die Sachen, die ich im Trueque nicht bekam, aber das waren sehr wenige, z.B. Apothekenprodukte oder Seife und Shampoo. Aber die Lebensmittel kaufte ich fast alle im Trueque. Nur das Fleisch musste ich außerhalb kaufen.“ (eigene Übersetzung)
[47] Interview vom 14. 07. 2003 mit María Cristina Rinaldi, Prosumentin und Koordinatorin des Nodo „Manos Creativas“ im Stadtteil Belgrano, Buenos Aires Capital. Sie gibt an, über den Tauschhandel 70% ihrer Haushaltsausgaben abgedeckt zu haben.
„Es gab viele Leute, die vom Nodo lebten, die Leute kämpfen, um ein wenig mehr zu haben. Es gibt Leute, denen es sehr gut ging, und die jetzt keine Arbeit haben. Ich musste auch eine Zeit lang vom Nodo leben. Für mich war der Trueque immer eine parallele Sache. Mir hat er viel geholfen, in einem bestimmten Moment hatte ich den offiziellen Markt nicht und musste von dem leben, was mir der Trueque gab. Und dann hatte ich Probleme mit den Nebenkosten. Und was machte ich? Ich lebte vom Trueque und verwendete das, was ich auf dem herkömmlichen Markt bekam, für die Nebenkosten.“ (eigene Übersetzung)
[48] María Christina Rinaldi, bereits zitiertes Gespräch; „Ich habe mir auch die Frage gestellt, wie ich produzieren und investieren kann. Ich, z.B., fertigte Jogging-Anzüge, na ja, und der Stoff ist sehr teuer, und manchmal bekam ich ihn nicht im Nodo. Wie schaffe ich es dann, die Aufträge zu bedienen? Und ich fing an nachzudenken und sagte mir: ‚gut, was muss ich auf der Straße ausgeben? Yerba, Zucker und diese Sachen bekam ich im Nodo, Kleidung auch, dafür musste ich kein Geld mehr ausgeben. Von diesem Geld kaufte ich den Stoff.“ (eigene Übersetzung)
[49] Leoni, S. 28; „Notlage in der Nahrungsmittelversorgung“
[50] Interview vom 13. 05. 2003 mit Elisa Auat, 45, aus Santiago del Estero, ohne Arbeit. Ihre zehnköpfige Familie lebt in einem heruntergekommenen Häuschen mit zwei Zimmern. Das Gesamteinkommen der Familie beträgt ca. 300$ im Monat, ist aber sehr unregelmäßig. Sie gibt an, ihre monatlichen Ausgaben um bis zu 100$ durch den Trueque reduziert zu haben.
„Früher verkaufte ich Schnitzel, Soja-Schnitzel, Teigtaschen und Süßspeisen auf der Straße. Davon lebten wir. Aber nach [der Abwertung] stiegen die Preise für Mehl und diese Dinge so an, dass ich meine Preise auch anheben musste. Dadurch kauften mir die Leute die Sachen nicht mehr ab. Dann verkaufte ich sie in den Nodos gegen Créditos und dort kaufte ich von den Créditos Obst, Gemüse, Kleidung, ein paar Grundnahrungsmittel. In dieser Zeit hatten wir zu essen, der Trueque gab uns. [...] Aber jetzt habe ich fast keine Einkünfte mehr, manchmal reicht es nicht für das Essen.“ (eigene Übersetzung)
[51] Interview vom 18. 06. 2003 mit Sandro García, 27, aus Capital Federal, arbeitslos. Er lebt vom Verkauf von Konserven, Marmeladen und Popcorn, die er, seine Schwester und seine Mutter zuhause produzieren. Er macht keine Angaben zum monatlichen Einkommen seiner Familie „Dank dem Trueque konnte ich mich über Wasser halten. Was ich anhabe, habe ich vom Trueque. Ich kann mir keine Kleidung kaufen, dafür habe ich nicht einen Pfennig. Schau, gerade habe ich diese Schuhe getauscht, schau mal, wie gut sie mir passen. Ich sag dir, früher, letztes Jahr, hatte ich keine langen Haare. Im Nodo gab es Friseure, die mir die Haare schnitten. Wenn der Trueque so wie früher bestünde, hätte ich jetzt keine langen Haare.“ (eigene Übersetzung)
[52] Zahl erhoben von Superintendencia de Servicios de Salud, veröffentlicht in: Candelaria de la Sota, „Un negocio que crece: salud para los que no tienen obra social“, in: Clarín, 23. 06. 2003, S. 8
[53] Vgl. Angaben mehrerer Gesprächspartner verschiedener Provinzen Argentiniens.
[54] Vgl. Angaben der Koordinatoren verschiedener Nodos.
[55] Gonzalez Bombál, S. 305; „Konsumsphäre“ (eigene Übersetzung)
[56] Elisa Auat, bereits zitiertes Gespräch; „Ab und zu konnte ich sogar ein kleines Geschenk kaufen, z.B. diesen Notizblock mit Holzrücken, den kann man an die Wand hängen. Jetzt kann ich an so etwas nicht einmal denken, jetzt habe ich nicht einmal Geld, um Essen zu kaufen, schau, wie wir hier leben.“
[57] Interview vom 22. 05. 2003 mit Estela Arevalo, 37, aus Santiago del Estero, ehemalige Koordinatorin eines Clubs. Sie lebt mit ihrem Mann und drei Kindern in einem ärmlichen Stadtviertel. Sie macht keine Angaben zu ihren monatlichen Einkünften, gibt aber an, durch den Tauschhandel ihre wöchentlichen Ausgaben in Peso um 20 bis 30$ reduziert zu haben.
„Die Dekorationssachen, die du hier im Haus siehst, sind alle vom Trueque. Das Bild da, die Vase mit der Plastikblume, [...], alles vom Nodo. So ist es gleich viel schöner.“ (eigene Übersetzung)
[58] Enzo Pellegrini, bereits zitiertes Gespräch; „Ich konnte auch die Baddecke streichen lassen. Er verlangte 50¢ und 10$. Das war sehr, sehr wenig. Es gab Leute, die die ganze Wohnung für Créditos streichen ließen, in der guten Zeit. Ganze Häuser wurden mit dem Trueque gebaut. Es gab Leute, die sogar Häuser, [gebrauchte] Autos oder Jeeps für Créditos kauften.“ (eigene Übersetzung)
[59] Interview vom 02. 07. 2003 mit Mabel Marani aus Quilmes, verwitwet mit drei Kindern. Sie konnte sich über den Trueque ihren Büroraum einrichten und Reparaturen an ihrem Haus durchführen lassen. „Unsere Tours schließen alles mit ein, so dass die Leute keine zusätzlichen Kosten haben. Eine Reise nach Mar del Plata, z.B., das Busticket kostet 38$, 38$ für die Hinfahrt und weitere 38$ die Rückfahrt. Und wir fuhren für 70$ und 40¢, die drei Tage, inklusive Mahlzeiten, Ausflüge und Hotel. Bis jetzt sind 2900 Personen vom Trueque mitgefahren. Einmal nahmen wir einen Maler mit seiner ganzen Familie an die Küste. Er arbeitete bis um ein Uhr und so zahlte er seine Reise. Es gab Leute, die 74 Jahre alt waren und das Meer nicht kannten und sie konnten fahren, mit selbstgebackenem Brot. Sie buken Brot und nahmen es mit. Mit ihrer Arbeit reduzierten sie die Kosten.“ (eigene Übersetzung)
[60] Interview vom 19. 06. 2003 mit Carlos del Valle, langjähriger Koordinator und Schulungsleiter der RTS
„Im Trueque gibt es keine Arbeit, aber durchaus Beschäftigung.“ (eigene Übersetzung)
[61] Interview mit betroffenen Ärzten, Architekten und Buchhaltern von Sergio Dimaría, „En Mendoza – Arquitectos, médicos y contadores en el trueque. Se incorporaron 300 profesionales” in: La Nación, 05. 08. 2002, S. 15;
„Der Austausch mit den Prosumenten gibt uns Hoffnung, mit Würde weiterarbeiten zu können, da es heute einfach keine Kunden gibt. Jetzt können wir Professionelle und Produzenten an die Leute rankommen. [...] Das ist die Lösung für die Professionellen, die keine Arbeit haben, und auch für den Patienten, der in voller Würde seinen Arztbesuch mit dem bezahlen kann, was er hat, nämlich mit den Créditos des Trueque.“ (eigene Übersetzung)
[62] Interview vom 02. 07. 2003 mit Estela Maris, Koordinatorin des Nodo „El Camino“ in Merlo Norte, Großraum Buenos Aires. Der Club gehört dem Netzwerk der ZonaOeste an.
„Hier im Nodo gibt es ziemlich viel Produktion von Kleidung und Schuhen. Die Leute, die diese Dinge herstellen, können sie nicht an Händler des regulären Marktes verkaufen, weil diese Quantität und Qualität fordern und außerdem nur von Zulieferern kaufen dürfen, die offiziell registriert sind und damit Quittungen ausstellen dürfen. Daher können sie ihre Produkte nur an Privatkunden verkaufen, was in Krisenzeiten auch nicht so einfach ist, weil die Leute kein Geld haben. Was man dann nicht am Markt gegen Geld verkaufen kann, verkauft man im Nodo.“ (eigene Übersetzung)
[63] Erinnern wir uns, dass der Anteil der Frauen in den Nodos sehr hoch ist.
[64] Nicolás L. Strangis, El Club del Trueque, Quilmes, Buenos Aires 2002, (unveröffentlichtes Dokument), S. 10 „ermöglichen einen wichtigeren Einfluss der Frauen im Erwerb des Lebensunterhalts des Haushalts und befreien sie außerdem in gewissem Rahmen aus der Abhängigkeit von ihren Ehemännern in der patriarchalischen Gesellschaft.“ (eigene Übersetzung)
[65] Interview vom 11. 05. 2003 mit Marcela Maruelli aus Frías, Provinz Santiago del Estero, ehemalige Koordinatorin; „Wir haben großen Nachdruck auf die Selbstüberwindung gelegt und sind von dem ausgegangen, was wir lernen können und von dem, was wir bereits gelernt haben aber noch nicht in die Praxis umgesetzt haben. Die Leute mussten sich bewusst werden, dass sie mehr konnten. Zum Beispiel gab es Leute, die ihre wirtschaftliche Situation sehr bedrängte. Na ja, da sagte ich: ‚Geht zu Euren Nachbarn und bittet sie um Brot, reibt es und dann habt Ihr geriebenes Brot (=Semmelbrösel).’ Es gab Leute, die bereits zubereitete Schnitzel zum Nodo brachten, aber auf den herkömmlichen Markt gehen mussten, um Semmelbrösel zu kaufen, wo doch diese Person, die die Semmelbrösel anbieten könnte, Créditos erhalten könnte und sich nützlicher fühlen würde.
[66] Vgl. Angela Dragón, Como hacer un microemprendimiento sin morir en el intento, unter: http://www.truequeenlinea.com.ar/micro/index.htm [Link nicht mehr aktiv], 27. 03. 2003
[67] Vgl. Eduardo Hecker, Hacia el desarrollo económico, Catálogos, Buenos Aires 2003, S. 238f.
[68] Vgl. Coraggio, S. 271
[69] In der Realität wurde dieses Potential zur Förderung der Microemprendimientos leider oft nicht optimal ausgeschöpft.
[70] Montserrat ist ein Viertel der verarmten Mittelklasse. Der Nodo, geleitet von Frau Beatriz Bertaccini, existiert seit Februar 2002 und hat ca. 50 – 60 Teilnehmer. Die meisten sind Hausfrauen oder haben ihre Arbeit verloren. Die Microemprendimientos verkaufen ca. 80% ihrer Produkte gegen Pesos, den Rest gegen Créditos. Sie haben ehrgeizige Ziele, z.B. plant das Keramik-Projekt den Export von 100 Weihnachtskrippen.
[71] Vgl. Interview vom 07. 07. 2003 mit Fernando Sampayo, Geschäftsführer des Trueque Zona Oeste. Die Leitung des Microemprendimientos übernahm in diesem Fall die Zona Oeste selbst, während die Emprendimientos des Nodo Montserrat eigenständig agieren. Bei abhängigen Microemprendimientos besteht natürlich die Gefahr einer Ausbeutung der Arbeiter durch Unterbezahlung und Gewinnabschöpfung seitens der Geschäftsleitung. Einige Gesprächspartner wiesen auf derartige Fälle hin.
[72] Fernando Sampayo, bereits zitiertes Gespräch; „Wir kauften den Weizen und ließen ihn zu Mehl verarbeiten. Die Arbeitskraft hierfür bezahlten wir mit Mehl. Ein 50 kg-Sack Mehl, der auf dem herkömmlichen Markt 40$ kostete, war für uns für 25$ zu haben. Das erlaubte uns, alle Kosten zu reduzieren.“ (eigene Übersetzung)
[73] Interview vom 09. 06. 2003 mit Beatriz Bertaccini, Leiterin des Nodo „Montserrat“ in Buenos Aires Capital; „Fähigkeit zum Selbstmanagement“ (eigene Übersetzung)
[74] Zentrum zur Unterstützung von Microemprendimientos
[75] Microemprendimientos erhalten 200$ im Monat.
[76] Schnelle Information per Internet ist in der Regel durch Unkenntnis oder schlechten Zugang kaum möglich. Telefonisch sind Informationen dieses Umfangs schwer vermittelbar. Daher bleibt in der Regel nur der Direktweg zu den städtischen Behörden, was unter Umständen mit großem Zeitaufwand und hohen Transportkosten verbunden ist.
[77] Interview vom 11. 06. 2003 mit Graciela Martínez, 46, ehemalige Prosumentin aus Quilmes; „Zu einem bestimmten Zeitpunkt ging es mir sehr schlecht, ich hatte keine Arbeit. Im Trueque lernte ich, dass jeder etwas produzieren kann. Und ich fing an, nachzudenken: Was kann ich produzieren? Was taugt für den regulären Markt? Und da kam ich auf Soja. Es gibt kein Produkt, das billiger und nützlicher ist für die Leute. Ich bildete mich weiter, suchte nach Rezepten und Zulieferern und begann, mit meiner Familie Sojaprodukte für den Trueque, aber auch für den herkömmlichen Markt zu produzieren. [...] Dann dachte ich: Wie kann ich im Wettbewerb auf dem regulären Markt mithalten, dachte ich, und gut, ich verkaufte die Produkte billiger als andere Unternehmer, und so gab es mehr Leute, die kauften. Meine Kunden bekam ich fast alle über die Leute vom Trueque. Ich rief alle meine Freunde vom Nodo an, und die sagten es an ihre Leute weiter, und so kam ich an Käufer. Dem Ganzen habe ich es zu verdanken, dass ich meine Familie auch in den Monaten, in denen mein Mann keine Arbeit hatte, über Wasser halten konnte.“ (eigene Übersetzung)
[78] Interview vom 07. 06. 2003 mit Carlos de Sanzo, Mitbegründer der RGT in Bernal, (Quilmes, Buenos Aires).
[79] Hecker, S. 237; „arbeitsschaffendes Potential“ (eigene Übersetzung)
[80] Marcela Maruelli, bereits zitiertes Gespräch „Wir hatten Kioske und Lager, die sich dem Trueque anschlossen. Sie hatten ein Schild, worauf stand ‚Mitglied des Trueque-Clubs’. Aber sie setzten ein Verkaufslimit. Sie sagten, gut, wir werden bis zu 15% unseres Gewinns in Créditos akzeptieren. Im System erhielten sie Dienstleistungen. Maurerarbeiten, einige kauften Ziegel, Elektrizitätsarbeiten. Es gab Leute, die bis zu 2000$ sparten, vor allem diejenigen, die gerade bauten.“ (eigene Übersetzung)
[81] Interview vom 25. 06. 2003 mit Alberto Marino, Leiter der Fundación el Prosumidor in Mendoza.
[82] Mabel Marani, bereits zitiertes Gespräch; „Ab Mitte 2000 begannen die Hotels sich anzuschließen. Ab da nützten ihnen unsere Créditos zur Bezahlung von Arbeitskraft an der Küste. Viele Leute waren beigetreten, es gab Elektriker, Maler, von allem etwas. Mit diesen Créditos bezahlten sie die Leute. Und sie haben einiges auf Vordermann gebracht, vor allem an der Küste und in Mendoza. [...] In vielen Fällen bezahlten die Hotels auch ihre Angestellten zur Hälfte in Créditos und die Angestellten gingen zu den Nodos und kauften, was sie zum Leben brauchten.“ (eigene Übersetzung)
[83] Interview vom 16. 06. 2003 mit Victor Solmí, ehemaliger Leiter von Trueque-Pymes der RGT. Trueque-Pymes kümmerte sich gezielt um die Integration von Unternehmen in das Tauschnetzwerk. Solmí ist selbst Geschäftsführer eines Unternehmens.
[84] Vgl. Richard Douthwaite / Hans Diefenbacher, Jenseits der Globalisierung – Handbuch für lokales Wirtschaften, Mainz 1998, S. 74
[85] Victor Solmí, bereits zitiertes Gespräch; „Mit den Pesos gingen wir nach San Rafael de Mendoza, zahlten Wasser und Strom und kauften die ersten Behältnisse.“ (eigene Übersetzung)
[86] Victor Solmí; durch den dramatischen Einbruch des Trueque ab Mitte 2002 nahm die Rettungsaktion der Firma Lourdes leider ebenfalls ein tragisches Ende, die Produktion steht seither still. „Nach vier Monaten gaben wir die Fabrik ihrem Eigentümer zurück und zeigten, dass wir es geschafft hatten, eine Fabrik fast ausschließlich mit Créditos wieder in Gang zu bringen. Wenn man bedenkt: Der Unternehmer war pleite, die Bank erhielt keine Tilgungszahlungen, die Pflaumen fielen vom Baum, der Pflaumen-Trockner produzierte nicht, die Arbeiter waren arbeitslos - und damit wurde alles in Gang gebracht.“ (eigene Übersetzung)
[87] Fernando Sampayo, bereits zitiertes Gespräch; „Die Nudelfabrik existierte damals wie heute. Wir liefern das Mehl und zahlen die Arbeitskraft teils in Créditos, teils in Peso...50% in Créditos und die anderen 50% in Peso. In der Fabrik arbeiten 30 Personen. Die Fabrik hatte eine Produktionskapazität von 10000 Packungen pro Tag. Sie produzierten 7000 für den regulären Markt und 3000 für den Trueque. Der Teil gegen Geld war der, der durch die Fixkosten der Materialien nötig wurde, die nicht für Créditos erworben werden konnten. Das war der Optimalpunkt der Produktion, bei dem die Fabrik keine Verluste hatte.“ (eigene Übersetzung)
[88] Ana Luz Abramovich / Gonzalo Vázquez, „La experiencia del trueque en la argentina: otro mercado es posible” in: Central de Trabajadores Argentinos, Instituto de Estudios y Formación (Hg.), Seminario de Economía Social, Begleitheft zum Seminar vom 4. 07. 2003, S. 42; „ausgeschlossen vom Konsum bestimmter Produkte, die in diesem Markt nicht zu finden sind.“ (eigene Übersetzung)
[89] Beatriz Bertaccini, bereits zitiertes Gespräch
[90] Graciela Martínez, bereits zitiertes Gespräch; „Mit dem Microemprendimiento zu beginnen, war eine große Herausforderung [...] aber ich habe es geschafft, und das ließ mich wachsen und mich nützlich fühlen. Der Trueque ist für mich wie eine Familie, weil sich in der Familie auch alle helfen. Und wir erzählen uns unsere Sachen, unsere Sorgen, unsere Lieben.“ (eigene Übersetzung)
[91] Marcela Maruelli, bereits zitiertes Gespräch; „Ich war im System, weil ich glaube, dass es ein Ausweg ist. Ich denke, es verhindert Krankheiten wie Depression oder die Laster, weil viele Laster erst anfangen, wenn man nicht weiß, was man tun soll. Außerdem hat es einen Erholungseffekt. Und die Erfahrung, andere Leute kennenzulernen und sich nützlich zu fühlen, ist von unschätzbarem Wert für das Individuum.“ (eigene Übersetzung)
[92] Leoni, S. 46; „die Leute anfangen, das Vertrauen in ihre Nachbarn zu verlieren, was die gegenseitigen Beziehungen, die sich unter ihnen entwickeln, noch mehr schädigt.“ (eigene Übersetzung)
[93] Leoni, S. 46
[94] Interview vom 15. 05. 2003 mit Suzana Duran Diaz de Ledesma, ehemalige Koordinatorin des Nodo „Modelo San Jorge“ im Barrio „Smata“, einem Viertel der unteren Mittelklasse, in Santiago del Estero.
„Ich sag’ dir, früher habe ich die Leute im Viertel nicht gekannt, nur die Nachbarn von meinem Häuserblock, aber viel sprachen wir auch nicht mehr. Aber über meinen Block hinaus kannte ich niemanden mehr. Und als ich den Nodo öffnete, lernten wir uns plötzlich alle kennen.“ (eigene Übersetzung)
[95] Das ist auch der Grund, warum die derzeit sehr kleinen Nodos der bonaerensischen Mittelklasse nicht zusammenbrechen. Obwohl die Teilnehmer keinerlei materielle Vorteile im Sinne von Kostenreduzierung verbuchen können, assistieren sie weiterhin regelmäßig dem Club.
[96] Lietaer, S. 259