KRITIK & ANTWORT_2.3 zurück zur Übersicht >

Fritz Andres:
Geldreform und Unternehmensverfassung

Übersicht:
Der Unternehmer und die Mitarbeiter
Der Unternehmer und die Kapitalgeber
Anmerkungen

Eine Geldreform nach den Vorschlägen Silvio Gesells bringt das Verhältnis des Geldes zur Ware in Ordnung. Sie sorgt für einen geschlossenen Wirtschaftskreislauf. Damit scheint sie nur für die Marktbeziehungen der Unternehmen von Bedeutung zu sein. Auswirkungen auf das Innenleben der Unternehmen sind zunächst nicht er-sichtlich. Diese ergeben sich aber mittelbar, und zwar einerseits als Folge von Vollbeschäftigung, die die Position der Arbeit im Verhältnis zum Unternehmer aufwertet, und andererseits als Folge der Sättigung des Kapitalmarktes, die die Position des Kapitals gegenüber dem Unternehmer abwertet. In beiden Verhältnissen entstehen neue Gleichgewichte, die die Verfassungen der Unternehmen grundlegend verändern werden.

Der Unternehmer und die Mitarbeiter

Ein geschlossener Wirtschaftskreislauf und damit Dauerkonjunktur beseitigt im Laufe einiger Jahre die Arbeitslosigkeit. Arbeitsplätze werden reichlich angeboten, Mitarbeiter werden knapp und gesucht. Damit ändert sich das Verhältnis zwischen Arbeiter und Unternehmer am sogenannten Arbeitsmarkt. Die Unternehmer sehen sich gezwungen, immer mehr auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter (und derer, die es werden sollen) einzugehen. Das bedeutet zunächst höhere Löhne und Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Die Arbeiter kommen allmählich aus ihrer traditionellen Unterlegenheit gegenüber den Unternehmern heraus.

Und doch bleiben die Verhältnisse in einem zentralen Punkt unbefriedigend: es besteht weiterhin der dem Lohnverhältnis innewohnende Interessengegensatz zwischen dem Unternehmer und seinen Mitarbeitern. Ist nämlich der Lohn erst einmal ausgehandelt, so ist der Mitarbeiter ökonomisch gesehen an seiner Arbeit nicht weiter interessiert, während der Unternehmer in der vereinbarten Zeit möglichst viel und gute Arbeit haben will. Dieser Interessengegensatz erfordert von Seiten des Unternehmers die Einrichtung eines betrieblichen Antriebs- und Kontrollsystems, das gewährleistet, dass in der vereinbarten Arbeitszeit reichlich und gut gearbeitet wird. Im Lohnverhältnis ist der Unternehmer also stets der treibende Teil. Dabei kam ihm bisher die Angst der Arbeiter vor Arbeitslosigkeit zur Hilfe – eine Hilfe, die nun, bei Vollbeschäftigung, versagt. Eigentlich müsste nun der Unternehmer sein Antriebs- und Kontrollsystem verschärfen. Aber wenn der Arbeiter bei Verlust seines Arbeitsplatzes leicht einen anderen finden kann, wird er sich dies immer weniger gefallen lassen. Der Unternehmer gerät so in eine ausweglose Situation: er muss das Unternehmen effizient führen, um am Markt bestehen zu können, das dafür notwendige Antriebs- und Kontrollsystem kann er sich aber im Wettbewerb um gute Mitarbeiter nicht mehr leisten. Das Lohnverhältnis versagt also bei Vollbeschäftigung. Es überrascht daher nicht, dass viele Unternehmer in Vollbeschäftigungszeiten schon von „Überbeschäftigung“ reden und zur Disziplinierung der Arbeiter eine höhere Arbeitslosenquote fordern. Das wäre jedoch ein echter sozialer Rückschritt, dem die Politik widerstehen muss. Die Unternehmer müssen sich dann im eigenen Interesse etwas Neues einfallen lassen.

Dieses Neue kann nur in einer Gestaltung des Arbeitsverhältnisses bestehen, durch die die Interessen der Arbeiter mit denen des Unternehmers koordiniert werden. Das erfordert den Ersatz des Lohnverhältnisses durch Beteiligungsverhältnisse, durch die der Arbeiter in irgendeiner Weise am Ergebnis seiner Leistung und am Unternehmenserfolg beteiligt wird. Dadurch entsteht eine partnerschaftliche Beziehung zwischen dem Unternehmer und seinen Mitarbeitern, wie sie von einigen Unternehmen heute schon gesucht und ausprobiert wird.[1] Eine solche partnerschaftliche Organisation der Arbeitsverhältnisse ist in vielfältigen Formen möglich. In ihrem Zentrum steht die Zielsetzung, die ökonomischen Interessen des Unternehmers und seiner Mitarbeiter in die gleiche Richtung, nämlich auf einen größtmöglichen Unternehmenserfolg auszurichten. Der Arbeiter wird dadurch weder zum Unternehmer oder Mitunternehmer noch zum Miteigentümer, er hat keine Außenverantwortung und -haftung, aber er bleibt im Innenverhältnis gegenüber dem Unternehmer auch nach Abschluss des Arbeitsvertrags ein gleichberechtigter Partner (sog. Innengesellschaft).

Der Unternehmer und die Kapitalgeber

Als weitere Folge der Geldreform ergibt sich auf längere Frist eine Vermehrung des Kapitals, die schließlich zur Sättigung des Kapitalmarkts führt und sich in einem Zins um Null zeigt. Da Ersparnisse nach der Geldreform in liquider Form nicht mehr verlustfrei gehalten werden können, bleibt – vom Kredit an Konsumenten oder an den Staat abgesehen – nur noch die Sachinvestition des Unternehmers als Möglichkeit der Wertaufbewahrung übrig. Die Sparer bzw. die ihre Ersparnisse weitervermittelnden Banken sind dann in gleicher Weise auf die die Sachinvestitionen tätigenden Unternehmer angewiesen wie diese es schon immer auf die Sparer/Banken und ihre Ersparnisse waren. Dadurch entsteht ein Gleichgewicht zwischen Unternehmern und Sparern bzw. Banken, das auch in der Art und Weise, wie Kapital dem Unternehmen zugeführt wird, seinen Niederschlag finden wird. Im Zustand des Machtgleichgewichts oder besser: der gleichen Machtlosigkeit beider Seiten werden sich sachlich sinnvolle und den beiderseitigen Interessen angemessene Formen der Kapitalzuführung durchsetzen. Dabei ist das Interesse des Unternehmers auf eine freie Verfügungsbefugnis über das Kapital ohne Mitwirkung des Kapitalgebers bei seinen unternehmerischen Entscheidungen gerichtet, das Interesse des Kapitalgebers dagegen auf Werterhaltung seiner Ersparnisse. Dieser Interessenlage entspricht der Kredit (Kredit = Vertrauen). Es ist daher zu erwarten, dass das sogenannte Eigenkapital, durch das der Kapitalgeber heute eine quasi-unternehmerische Position erlangt, weitgehend ersetzt wird durch Fremd-kapital. Eigenkapital bleibt dann nur dort notwendig, wo der Unternehmer Risiken eingehen will, deren Bewältigung ihm der Kapitalmarkt nicht zutraut. Aber dann wird es funktionell nur ein Anhängsel des Unternehmers sein, und nicht wie heute, die Unternehmerfunktion für sich usurpieren.

Die zu erwartenden Wirkungen der Geldreform auf die Unternehmensverfassung lassen sich wie folgt zusammenfassen: im Verhältnis zur Nachfrage der Unternehmer wird das Angebot an Arbeit knapp, das Angebot an Kapital reichlich. Dadurch wird im Verhältnis zum Unternehmer die Position der Arbeit aufgewertet, die des Kapitals abgewertet. Die Arbeit wird gewissermaßen von unten her zum Unternehmer ins Gleichgewicht gebracht, die Position des Kapitals dagegen von oben ins Gleichgewicht herabgesenkt. Der Arbeiter rückt in die Nähe des Unternehmers und bleibt auch im Vollzug des Arbeitsverhältnisses sein gleichberechtigter Partner, das Kapital wird aus seiner heutigen pseudo-unternehmerischen Position herausgedrückt in eine einflusslose, dafür aber auf Vertrauen (Kredit) beruhende Vertragsbeziehung. Das Arbeitsverhältnis wandelt sich vom Austauschvertrag (Lohnverhältnis) zum Beteiligungsvertrag, die Kapitalbeziehung vom Beteiligungsverhältnis (unternehmerfremdes Eigenkapital) zum Austauschvertrag (Kredit). Arbeit und Kapital erhalten dadurch im Unternehmen die ihnen angemessene und ihren legitimen Interessen entsprechende Stellung.

Die Umwandlung der Unternehmensverfassungen hat ihrerseits vielfältige Auswirkungen auf das Wirtschaftsleben: die Unternehmensorganisation wird dezentral, weil die Gleichrichtung der Interessen beim Unternehmer das Vertrauen schafft, dass der Arbeiter auch dann, wenn er ihm Spielräume zur selbständigen Entscheidung einräumt, diese im Sinne des Unternehmens nutzen wird. Darüber hinaus werden, wenn von der Kapitalseite kein Einfluss mehr auf die Unternehmen ausgeübt werden kann, alle heutigen, auf Beteiligung am Eigenkapital basierenden Konzernbildungen in selbständige unternehmerische Einheiten zerfallen. Es ergibt sich also nicht nur eine Dezentralisierung innerhalb der Unternehmen, die bis zur Verselbständigung und Ausgliederung von Unternehmensteilen führen kann, sondern auch eine Dezentralisierung der gesamten Unternehmenslandschaft durch Auflösung der Konzernverflechtungen und der sonstigen, auf Beteiligungsbesitz beruhenden Beherrschungsverhältnisse zwischen den Unternehmen. Auch für Kauf und Verkauf von Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen entfällt die Grundlage [2], wenn aus dem Kapitalbesitz kein Einfluss auf das Unternehmen mehr abgeleitet werden kann. Das bestehen bleibende Problem der Unternehmensnachfolge wird vom Unternehmer zu lösen sein. Da der Nachfolger aber in die Vertragsverhältnisse mit der Arbeits- wie auch mit der Kapitalseite eintreten muss, werden im Zustand allseitiger Machtlosigkeit für diesen Fall sachlich sinnvolle Mitwirkungsrechte (vor allem der Arbeitsseite) und ggf. Einspruchsrechte (vor allem der Kapitalseite) von vornherein vereinbart werden.

Die grundlegenden Umwandlungen, die die Unternehmensverfassungen als mittelbare Folge der Geldreform erfahren werden, mögen zum Teil in weiter Ferne liegen. Ihre zentrale Bedeutung für das Arbeitsschicksal des Einzelnen wie auch für die Gestalt, die der Bereich der Wirtschaft insgesamt annimmt, können aber ein zusätzliches Motiv sein, sich mit der Reform der Geldordnung zu befassen und für sie einzusetzen.[3]

Anmerkungen

1  Diese Unternehmen haben sich zum Teil in der AGP – Arbeitsgemeinschaft Partnerschaft in der Wirtschaft, Kassel, (www.agpev.de) zum Zwecke des Erfahrungsaustauschs zusammengeschlossen.

2  Damit fällt bereits ein wesentlicher Teil des heutigen Börsenhandels mit Vermögenswerten weg. Darüber hinaus wird durch die Bodenreform auch der Boden dem Zugriff des Kapitals und der Spekulation entzogen. Schließlich dürfte eine Reform der internationalen Währungsordnung auch die Devisenspekulation weitgehend uninteressant machen. Bedenkt man zuletzt, wie sehr sich jegliche Spekulation von der Erwartung von Schwankungen nährt, die aber von der Geldreform durch eine Stabilisierung von Konjunktur, Preisniveau und ggf. noch vorhandenen Zinssätzen geglättet werden, so kann man davon ausgehen, dass nach der Geld- und Bodenreform vom heutigen Börsengeschehen kaum noch etwas übrig bleiben und ein eventuell verbleibender Rest unbedenklich sein wird.

3  Näheres zu den aus der Geldreform sich ergebenden Änderungen der Unternehmensverfassungen in den Beiträgen von Eckhard Behrens, Mitbestimmung und Marktwirtschaft in Fragen der Freiheit Heft 86, Seite 30-42 und von Fritz Andres, Zur Zukunft der Unternehmensverfassung, in Fragen der Freiheit Heft 250, Seite 17-47 (Bezug der Fragen der Freiheit über das Seminar für freiheitliche Ordnung, Badstr. 35, 73087 Bad Boll, Tel. 07164/3573, Fax: 7034, E-Mail: info@sffo.de).