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Werner Onken:
Vom Sozialdarwinismus zur Solidarischen Ökonomie
Kritische Aufarbeitung des Einflusses der Evolutionstheorie auf die Geld- und Bodenreformbewegung

Übersicht
1  Einleitung
2  Darwin, Wallace, Haeckel und die Evolutionstheorie
3  Von der Evolutionstheorie zum Sozialdarwinismus
3.1  „Linker Sozialdarwinismus“
3.2  „Sozialdarwinismus des Status quo“
3.3  Fließende Übergänge zwischen dem konservativen und dem reformerischen Sozialdarwinismus
3.4  Absturz in die Barbarei des Nationalsozialismus
4  Gesells Rezeption der Evolutionstheorie
4.1  Zwiespältiges Verhältnis zum Christentum
4.2  Erwartungen an die Evolutionstheorie als mögliche Trägerin der Geld- und Bodenreform
4.3  Von der „natürlichen Ordnung“ der Physiokraten zur „Natürlichen Wirtschaftsordnung“ und zu ihrer Verbindung mit der „natürlichen Auslese“ der Evolutionstheorie
4.3.1  Von der „kapitalistischen Auslese“ auf monopolistischen Märkten zur wieder hergestellten „natürlichen Auslese“ auf monopolfreien Märkten
4.3.2  Vervollständigung der „natürlichen Auslese“ durch eine das ökonomische Gefälle zwischen Vätern und Müttern ausgleichende „Mütterrente“
4.4  Weitere Unterschiede zwischen der „Natürlichen Wirtschaftsordnung“ und dem konservativ-reaktionären Sozialdarwinismus
5  Und dennoch: Plädoyer für eine Lösung der Geld- und Bodenreform von der Evolutionslehre und vom Sozialdarwinismus
5.1  Übersehener Widerspruch zwischen dem „Kampf ums Dasein“ und dem „freien Spiel der wirtschaftlichen Kräfte“
5.2  Fragwürdige Aufteilung des Lebens in eine vom Egoismus gesteuerte Wirtschaft und in vom Altruismus bestimmte andere Lebensbereiche
5.3  Von der Überbewertung der Leistungen von „Tüchtigen“ zur Fehldeutung der „natürlichen Wirtschaftsordnung“ als neuer privilegienfreier Form einer Aristokratie
5.4  Ungelöst gebliebene Widersprüche in Gesells Menschenbild und in seiner Anhängerschaft bis 1933 bzw. 1945
5.5  Nach 1945: Der allzu lange versäumte Abschied der Geld- und Bodenreform vom Sozialdarwinismus und ihre Suche nach einem neuen Menschenbild
5.6  Zwischenbilanz und Schlussfolgerung
6  Sozialdarwinismus in modernen Gewändern
6.1  Vom soziobiologischen „Kampf egoistischer Gene“ zum „Prinzip Menschlichkeit“
6.2  Evolutorische Ökonomik: „natürliche Auslese“ im Wettlauf der Großunternehmen um Innovationen und Wachstum
7  Ausblick
Literatur
Anmerkungen

Einleitung

In den vergangenen Jahren ist dem Geld- und Bodenreformmodell Silvio Gesells mehrfach entgegengehalten worden, dass es auf einem sozialdarwinistischen Menschenbild beruhe und von daher nicht geeignet sei, einen Beitrag zu einer Alternative zum neoliberalen Kapitalismus zu leisten.[1]

Tatsächlich ließ sich Gesell ab 1912/13 - mehr als 20 Jahre nach dem Erscheinen seiner Frühschriften über die Geldreform (1891/92) und rund 10 Jahre nach ihrer Verbindung mit einer Bodenreform (1903) - nachträglich noch stark von der Evolutionstheorie beeinflussen. In drei Aufsätzen in den Zeitschriften „Der Physiokrat“ (1913) und „Die Freistatt“ (1917/18) sowie im Vorwort zur 3. Auflage seines Hauptwerks „Die Natürliche Wirtschaftsordnung“ (1919), in der Münchener Verteidigungsrede (1919) und in seiner Broschüre „Der Aufstieg des Abendlandes“ (1923) hat dieser Einfluss deutliche Spuren hinterlassen. Der wirtschaftliche Wettbewerb wird darin ganz im Sinne von Charles Darwin, Alfred Wallace und Ernst Haeckel als „natürliche Auslese“ aufgefasst. Dieser „Kampf ums Dasein“ wird bestimmt von den Gesetzen der „natürlichen Zuchtwahl“ und der „Hochzucht“. In der Generationenfolge komme insbesondere den Frauen das „große Zuchtwahlrecht“ zu.[2]

Dass diese deutlich sichtbaren Spuren des Einflusses der Evolutionstheorie auf Gesells Werke fast 100 Jahre später grauenhafte Erinnerungen an die menschenverachtende Rassenideologie des Nationalsozialismus wecken und den Zugang zum Kern seines ökonomischen Reformprojektserschweren, ist mehr als nur verständlich. Vielmehr wäre es verwunderlich, wenn sie bei der Lektüre von Gesells Quellentexten nicht wenigstens ein großes Unbehagen oder mehr noch die bange Frage auslösen würden, ob er trotz mancher gegenteiliger Aussagen vielleicht doch auch ein Wegbereiter schauerlicher Pläne zur Züchtung bzw. Vernichtung von Menschen gewesen sein könnte.

Diese Frage lässt sich mit gutem Gewissen verneinen. In ihrer ursprünglichen Form hätte die Geld- und Bodenreform einen Beitrag zur Überwindung des Sozialdarwinismus leisten können, was allerdings nicht auf den ersten Blick erkennbar ist, weil sich Gesell nachträglich von der Evolutionstheorie beeinflussen ließ. Dadurch entstand ein von ihm selbst nicht wahrgenommener Widerspruch zwischen seinem ökonomischen Reformprogramm und seinem von Zeitgeist geprägten Menschenbild. Spätere Unterstützer der Geld- und Bodenreform haben eine gründliche Aufarbeitung von Gesells widersprüchlichem Menschenbild und den darin enthaltenen sozialdarwinistischen Tendenzen leider versäumt. Dies könnte mehrere Ursachen haben, darunter eine mangelnde Bereitschaft, Schwächen bei Gesell zuzugestehen. Auch die Unsicherheit gegenüber philosophischen Fragen dürfte frühzeitigere Bemühungen um eine gründlichere Klärung des Menschenbildes der Geld- und Bodenreform verhindert haben. Desinteresse an Fragen des Menschenbildes führte zu der Ansicht, Gesells ökonomischen Denkansatz unabhängig von dem mit ihm verbundenen Menschenbild fortentwickeln zu können. Mehrfach wurde die Geld- und Bodenreform auch ohne detaillierte Auseinandersetzung mit ihrer historischen Beeinflussung durch die Evolutionstheorie mit anderen Menschenbildern verbunden. Schließlich löste auch die Unsachlichkeit, mit der Gesell zuweilen des Sozialdarwinismus bezichtigt wurde[3], Abwehrreaktionen aus anstatt die Bereitschaft zu fördern, die allzu lange versäumte kritische Beschäftigung mit dem Einfluss der Evolutionstheorie auf Gesell nachzuholen.

Ohne dessen Hinwendung zur Evolutionstheorie rechtfertigen zu wollen, soll hier zunächst unter Berücksichtigung der damaligen Zeitumstände rekonstruiert werden, wie es überhaupt dazu kam. Sodann stellt sich die Frage, an welche Strömungen innerhalb des sehr vielschichtig differenzierten Sozialdarwinismus Gesell anknüpfte, ob diese Anknüpfung logisch folgerichtig war und ob sich seine damit verbundenen Erwartungen erfüllt haben (Kap. 2 – 4). Sodann soll eine längst überfällige Auflösung der Verbindung der Geld- und Bodenreform mit dem Sozialdarwinismus empfohlen und gezeigt werden, wo Gesells Nachfolger diesen Schritt bereits seit längerem durch eine Hinwendung zu anderen Menschenbildern vorbereitet haben (Kap. 5). Abschließend soll darauf hingewiesen werden, dass auch im gegenwärtigen Zeitalter des sog. Neoliberalismus noch immer sozialdarwinistische Denkweisen verbreitet sind, die lediglich unverfänglichere Bezeichnungen tragen (Kap. 6).

2  Darwin, Wallace, Haeckel und die Evolutionstheorie

Seit dem Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit bahnte die Philosophie des Humanismus und der Aufklärung den modernen Naturwissenschaften mit ihrem Glauben an den technischen Fortschritt sowie dem klassischen Liberalismus in der Ökonomie ihren Aufstieg. Während Kopernikus und Newton die Vorstellungswelten der Astronomie und der Physik bereits lange vor der Französischen Revolution mit dem heliozentrischen Weltbild und der klassischen Mechanik umwälzten, revolutionierten Charles Darwin und Alfred Russell Wallace die Vorstellungswelt der Biologie ab etwa 1860 mit dem Gedanken, dass die Lebewesen auf der Erde ihr Dasein nicht isolierten göttlichen Schöpfungsakten verdanken, sondern einem evolutionären Prozess der „natürlichen Auslese“ und der „natürlichen Zuchtwahl“, bei dem die „tüchtigsten“ Arten und Exemplare innerhalb einzelner Arten überleben.[4]

Zuvor hatte bereits Lamarck Untersuchungen über Veränderungen von Arten und ihre Entwicklung von einfacheren zu komplexeren Formen angestellt. Jedoch hatte Lamarck noch eine den Arten innewohnende Kraft zur zielstrebigen Selbstvervollkommnung und zur Vererbung der Entwicklungsfortschritte angenommen, während Darwin die Evolution ohne Zuhilfenahme einer das Leben ordnenden Kraft mechanistisch aus dem Kampf ums Dasein erklärte.

Als Reaktion auf die Isolation der Individuen in der vom Marktmechanismus gesteuerten Gesellschaft postulierte Herbert Spencer den biologistischen Gedanken, dass die Individuen einen Gesellschaftsorganismus bilden. Repräsentiert werde er durch einen so wenig wie möglich bürokratisierten demokratischen, lediglich das Vertragsrecht schützenden Staat, der den Individuen alle Freiheiten der wirtschaftlichen Entwicklung lassen und keine Sozialpolitik für die Armen betreiben solle. Mit dem von ihm geprägten Ausdruck „survival of the fittest“ meinte Spencer allerdings noch nicht die rücksichtslose Verdrängung von Schwachen durch Starke, sondern die Entwicklungsfähigkeit und das Überleben derjenigen, denen es am besten gelingt, sich an die äußeren Lebensbedingungen anzupassen. Auf der Grundlage von Eigeninteresse ebenso wie von zwischenmenschlicher Sympathie und Rücksichtnahme verbürge der Wettbewerb eine gesellschaftliche Evolution in aufsteigender Linie.[5]

Obwohl Darwin im Anschluss an Lamarck ausschließlich die „Entstehung der Arten“ in der Pflanzen- und Tierwelt erforschte, ließ er sich dabei merkwürdigerweise außer von Spencer von einer weiteren sozialökonomischen Theorie leiten, und zwar von der bereits um 1800 von Malthus formulierten Theorie über die menschliche Bevölkerungsentwicklung. Ihr zufolge galt der „Kampf ums Dasein“ als eine „unvermeidliche Folge der starken Vermehrung der Lebewesen in geometrischer Progression“, weil sich die Produktion von Nahrungsmitteln allenfalls in linearer Progression steigern ließe. So hat Darwin - wie er es selbst ausdrückte - ohne jede Absicht, „irgendwie religiöse Gefühle zu verletzen …, die Lehre von Malthus mit verstärkter Kraft auf das ganze Tier- und Pflanzenreich angewendet.“ In Übereinstimmung mit dem Fortschrittsglauben der Moderne gelangte er dabei zu der Überzeugung, dass „aus dem Kampf der Natur, aus Hunger und Tod ... unmittelbar das Höchste hervorgeht, das wir uns vorstellen können: die Erzeugung immer höherer und vollkommenerer Wesen.“[6]

Gewiss charakterisierte Darwin in seinem zweiten Werk „Die Abstammung des Menschen“ (1871) den Menschen als ein „soziales Wesen“ mit einem Gewissen und mit Gefühlen von Sympathie und Nächstenliebe, mit dem Impuls zu gegenseitiger Hilfe und anderen „sozialen Instinkten“. Und er verurteilte die Sklaverei ausdrücklich als ein „Verbrechen“.[7] Andererseits fehlte ihm trotz seiner humanistischen Gesinnung ebenso wie Spencer der nötige Blick für die soziale Ungerechtigkeit der frühkapitalistischen Industriegesellschaft seiner Zeit. In der „Anhäufung von Kapital“ und dem „Erben von Besitz“ sah Darwin „durchaus kein Übel“: „Ohne Zweifel degradiert der Reichtum, wenn er zu groß wird, zu nutzlosen Drohnen; aber ihre Zahl wird stets beschränkt sein. … Selbst der große Luxus der Reichen scheint nicht sehr zu verweichlichen.“[8]

An der sozialen Spaltung der Gesellschaft in wenige Reiche und viele Arme nahm Darwin keinen Anstoß. Ihm war nicht bewusst, dass sich das liberale Bürgertum von einer ehemals progressiven Kraft, die die Herrschaft von Adel und Klerus überwunden hatte, zu einer konservativen Kraft gewandelt hatte, die nunmehr eigene Privilegien ihres Geld- und Realkapitalbesitzes gegen die Interessen des Industrieproletariats verteidigte, das sich in stark wachsendem Umfang in städtischen Slums konzentrierte. Darwin nahm nicht wahr, dass sich in Malthus’ Bevölkerungstheorie nicht mehr der Optimismus des klassischen Liberalismus widerspiegelte, wonach das „freie Spiel der wirtschaftlichen Kräfte“ zu einem harmonischen Ausgleich aller gesellschaftlichen Interessen führe. Stattdessen wurde der pessimistische „Kampf ums Dasein“ zum Abbild des monopolistischen Verdrängungswettbewerbs auf mittlerweile kapitalistisch verzerrten Märkten. Darin kehrte Hobbes’ vorliberale Idee eines „Kriegs aller gegen alle“ in neuer Gestalt wieder zurück.

Von daher stellt sich die Frage, ob der „Kampf ums Dasein“ als Ausdruck eines gesellschaftlichen Interessengegensatzes überhaupt geeignet ist, die Evolution der Pflanzen- und Tierwelt - geschweige denn der Menschenwelt! - angemessen zu beschreiben. Darwin war jedoch optimistisch, dass durch seine Erkenntnisse über die Evolution der Pflanzen und Tiere auch „Licht auf den Menschen und seine Geschichte fallen“ werde.[9] Zwar wusste er um die „Macht fortwährender Missdeutung“ und ahnte möglicherweise solche Missdeutungen der Evolutionstheorie bei ihrer Übertragung von der Biologie auf die Gesellschaftswissenschaften, aber er blickte „mit großem Vertrauen in die Zukunft“ und enthielt sich jeglicher Warnungen vor einem politischen Missbrauch seiner Erkenntnisse.[10]

Zur selben Zeit wie Darwin formulierte auch Alfred Russel Wallace eine Evolutionstheorie, die in vieler Hinsicht mit derjenigen von Darwin übereinstimmte. Gegenüber dem materialistischen Verständnis der „natürlichen Auslese“ hatte Wallace jedoch ebenso Bedenken wie gegenüber der Auffassung, dass menschliche Charaktereigenschaften zwangsläufig vererbt werden. Wallace war ebenfalls von Malthus beeinflusst, aber den „Kampf ums Dasein“ fasste er mehr im Sinne von Spencer als „survival of the fittest“ auf. Außerdem nahm Wallace anders als der eher unpolitische Darwin Anstoß an den sozialen Ungerechtigkeiten der kapitalistischen Industriegesellschaft. Er sympathisierte mit den englischen Frühsozialisten um Robert Owen und lehnte insbesondere das Privateigentum am Boden als Ursache ungleicher Startchancen im wirtschaftlichen Wettbewerb ab.[11] Das brachte ihn in Verbindung mit dem Ökonomen John Stuart Mill, der der individualistischen Wettbewerbsgesellschaft anstelle des kapitalistischen ein soziales Gesicht geben wollte. Auf Betreiben von Mill übernahm Wallace die Leitung der englisch-irischen Landreformbewegung, in deren Zielen er einen Weg sah, den „Kampf ums Dasein“ auf der Grundlage von sozialer Gerechtigkeit zu zivilisieren und ihn im Sinne eines sozial nachgebesserten Liberalismus in ein „freies Spiel“ ökonomisch gleich starker Kräfte umzuwandeln.[12]

Eine für die Rezeption der Evolutionstheorie in Deutschland wichtige Vorentscheidung fiel zwischen dem Mathematiker und Naturphilosophen Karl Snell und dem Zoologen Ernst Haeckel, die beide in Jena lehrten. In kritischer Distanz zu Darwins „Entstehung der Arten“ und noch vor dessen „Abstammung des Menschen“ stellte Snell eine ‚andere’ Evolutionstheorie über die „Schöpfung des Menschen“ (1863) auf. Zwar ging sie ebenfalls von der „Anerkennung des physischen Verwachsen- und Verschmolzenseins von Mensch und Tier“ aus, aber wegen der einzigartigen „sittlich-geistigen Natur“ des Menschen und seiner Begabung mit Vernunft stellte Snell die zwischen ihnen und den Tieren bestehende „unermessliche Kluft“ stärker in den Mittelpunkt. Er wandte sich auch gegen die „Vermischung der Dezendenztheorie mit der Selektionstheorie des Darwin“ und lehnte bei aller Anerkennung der „nicht zu leugnenden Allgemeinheit des Kampfes ums Dasein“ die „maßlose Überschätzung der natürlichen Zuchtwahl“ ab.

Snells teleologische Evolutionstheorie wurde von den Kirchen nicht weniger bekämpft als Darwins Abstammungslehre. Sie geriet jedoch bald in Vergessenheit, wozu beigetragen haben könnte, dass „unsere Ansicht noch keineswegs so weit ausgebildet ist, dass sie auf alle Fragen eine ganz befriedigende und jedes Dunkel zerstreuende Antwort geben kann“.[13] Großen Einfluss erlangte stattdessen die Evolutionstheorie in ihrer materialistisch-monistischen Form, mit der Ernst Haeckel im Gegensatz zur vorsichtigen Zurückhaltung Darwins die Evolutionstheorie bewusst in einen Gegensatz zur christlichen Religion stellte, um damit die Macht der Kirche zu untergraben. Durch dessen populärwissenschaftliches Buch „Die Welträtsel“ (1899) wurde Deutschland schließlich zum „Heimatland des Darwinismus“.[14] Für das gesellschaftliche Leben zog Haeckel andere Konsequenzen aus der Evolutionstheorie als Wallace. Ohne sozialreformerische Ambitionen ging er in seinem Buch „Die Lebenswunder“ (1904) von der Möglichkeit aus, auf der Grundlage der bestehenden kapitalistischen Industriegesellschaft durch eine „Vervollkommnung der Technik“ zu einem „vollkommenen Staatswesen“ und zu „höherer Kultur“ gelangen zu können. Und mit seiner Klage, dass „Hunderttausende von unheilbar Kranken … ohne Nutzen für sie selbst oder die Gesamtheit … künstlich am Leben erhalten“ werden, bahnte er dem späteren Übergang von Sozialdarwinismus, Eugenik und sog. Rassenhygiene in die Barbarei des Nationalsozialismus bereits den Weg.[15]

3  Von der Evolutionstheorie zum Sozialdarwinismus

Spencers Sozialphilosophie und die Theorien von Darwin, Wallace, Haeckel und anderen über die biologische Evolution verbanden sich zum Sozialdarwinismus, der zum Inbegriff eines zunehmend unbarmherziger werdenden Kampfes der Menschen ums Dasein in der Gesellschaft und des Überlebens der Stärkeren wurde - bis hin zum Kampf nicht nur zwischen Menschen, sondern auch zwischen gesellschaftlichen Klassen, Völkern und Rassen. Im Gefolge des Glaubens der Aufklärung an die Naturwissenschaften und den technischen Fortschritt bestimmte der Sozialdarwinismus das geistige Klima in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, in der Philosophie, Anthropologie und Dichtung und auch in der Politik und in den sozialen Bewegungen.[16] Vergiftet wurde es noch zusätzlich durch Friedrich Nietzsches Eintreten für ein Recht des stärkeren „Übermenschen“ sowie für ein „Absterbenmachen der Kläglichen, Verbildeten und Entarteten“ und Maßnahmen zur Verhinderung der Zeugung „in Fällen, wo ein Kind ein Verbrechen sein würde“.[17]

Einen das Denken naturalisierenden und brutalisierenden Einfluss übte der Sozialdarwinismus in England und in den USA ebenso wie auf dem europäischen Kontinent aus. Die „politische Unbestimmtheit“ (Hannah Arendt[18]) von Darwins Evolutionstheorie begünstigte ihr Eindringen in alle Schichten der Gesellschaft und die Entstehung einer Vielfalt von unterschiedlichen Spielarten des Sozialdarwinismus. Gemäß einer Studie des Historikers Hans-Günter Zmarzlik ist „der Darwinismus für sehr verschiedenartige Deutungen sozialen Geschehens in Anspruch genommen worden. Auf ihn stützten sich Anhänger einer altruistischen Ethik, aber auch die Verkünder einer brutalen Herrenmoral. Auf ihn berief sich liberales Fortschrittdenken, aber ebenso ein krasser Geschichtsfatalismus. Ihn benutzten Vorkämpfer der sozialistischen Gleichheitsideen, aber auch die Programmatiker rassischer Ungleichheitslehren.“[19] Im Anschluss an Zmarzlik gelangte auch der Theologe Markus Vogt zu der Einschätzung, dass der Sozialdarwinismus keinesfalls eine geschlossene, sondern eine sehr „heterogene Theorie“ war: Er „spaltete sich in eine Unzahl unterschiedlicher Richtungen und Synthesen mit anderen Traditionen auf.“ Je nach dem ob ihre Verfechter mehr individualistisch oder mehr kollektivistisch orientiert waren, konnte sich der Sozialdarwinismus „mit ganz verschiedenen Traditionen, insbesondere im völkisch-nationalen Bereich, verbinden. … Der Sozialdarwinismus breitete sich aus als ein populäres Element einer eigenartigen Mischung von Wissenschaft, Pseudowissenschaft und politischer Propaganda.“[20] Damit übereinstimmend wäre es einer Studie des Historikers Hannsjoachim Koch zufolge eine „zu krasse Vereinfachung“, „würde man die aus dem Sozialdarwinismus hervorgegangenen zwei Haupttypen sozialer Interpretation übersehen. Innerhalb des einen Interpretationstypus waren Besserung und Sozialreform möglich, während der andere zum Konservativismus und zur Reaktion schlechthin tendierte.“[21]

Schließlich war der Sozialdarwinismus auch für den Historiker Rolf Peter Sieferle ein „komplexes, in sich widersprüchliches Phänomen“ mit unterschiedlichen politischen Zielen. Dem konservativ-reaktionären „Sozialdarwinismus des Status quo“ standen der „linke Sozialdarwinismus“ der Arbeiterbewegung und andere Mischformen gegenüber, in die Gedanken von Lamarck, Spencer, Darwin, Wallace, Haeckel u.a. mit unterschiedlichen Anteilen Eingang fanden.[22] Beide Grundformen des Sozialdarwinismus leiteten ihre gesellschaftspolitischen Ziele aus der Evolutionstheorie ab. Konservative rechtfertigten die bestehende soziale Ungleichheit und Hierarchie als unabänderlichen Ausdruck eines von der Evolution vorgegebenen unerbittlichen Kampfes ums Dasein, während die Reformer die gesellschaftlichen Verhältnisse verändern wollten, um eine verbesserte Welt mit den Gesetzen der Evolution in Übereinstimmung zu bringen. „Die ganze Debatte zwischen Konservativen und Reform-Sozialdarwinisten drehte sich um die Frage, ob der Mensch Mittel oder sogar Opfer eines kosmischen Determinismus sei oder ob er mittels seines freien Willens seine Umwelt wenn nicht radikal, so doch zumindest graduell ändern könne.“[23]

3.1  „Linker Sozialdarwinismus“

Schon bald nach dem Erscheinen von Darwins „Entstehung der Arten“ nannte Friedrich Engels dieses „ganz famose“ Buch einen „großartigen Versuch, historische Entwicklung in der Natur nachzuweisen“. Und Marx sah darin eine „naturwissenschaftliche Unterlage des geschichtlichen Klassenkampfes“ bzw. die „naturhistorischen Grundlagen für unsere Arbeit“. Ein Exemplar des zweiten Bandes seines „Kapital“ (1880) sandte Marx an Darwin mit einer Widmung „Von einem aufrichtigen Bewunderer“. Ursprünglich wollte er die englische Ausgabe mit einer Widmung an Darwin versehen. Der aber interessierte sich nicht für Kapitalismuskritik und Klassenkampf.[24]

Im „Kapital“ würdigte Marx Darwins „Entstehung der Arten“ nochmals als „epochemachendes Werk“ und machte die kapitalistische Produktionsweise für Degenerationserscheinungen wie die „physische und geistige Verkümmerung, vorzeitigen Tod“ innerhalb der Arbeiterschaft verantwortlich. Sie höhle „die Volkskraft an der Lebenswurzel“ aus und die „Degeneration der industriellen Bevölkerung (kann) nur durch beständige Absorption naturwüchsiger Lebenselemente vom Lande verlangsamt“ werden.[25] Mehr als an Darwin knüpfte Marx mit diesem Gedanken an Lamarck an, der den prägenden Einfluss der sozialen Verhältnisse auf die menschliche Evolution und die Vererbung von erworbenen Eigenschaften hervorgehoben hatte. Dadurch „verbreitete sich im sozialistischen Lager zunehmend eine lamarckistische Variante“ des Sozialdarwinismus. „Der Soziallamarckismus bot so eine biologisch-materialistische Begründung für sozialreformerische Maßnahmen aller Art, was ihn auf der Linken besonders attraktiv machte.“[26] Eine Veränderung des kapitalistischen Wirtschaftssystems ließ sich mit der Aussicht auf eine Verbesserung der Lebensverhältnisse als ein Fortschritt der gesellschaftlichen Evolution begründen. Als Folge davon würde die Gesundheit der arbeitenden Menschen einschließlich ihrer Kinder und Enkel gehoben und durch Selbsterziehung könnten sie sich allmählich von den deformierenden Einflüssen der kapitalistischen Produktion befreien.

Bei aller Begeisterung für Darwin und den Gedanken, dass antagonistische Gegensätze die Entwicklungen sowohl in der Natur als auch in der Gesellschaft vorantreiben, erkannten Marx und Engels jedoch auch, dass die Evolutionstheorie auf dem fragwürdigen Fundament von Malthus’ Bevölkerungstheorie errichtet war.[27] Zudem lief ihr Ziel einer klassenlosen Gesellschaft auf das Ende eines gesellschaftlichen Kampfes ums Dasein hinaus.

Von russischen Intellektuellen wurde Darwins „Entstehung der Arten“ als Waffe gegen die soziale Ungerechtigkeit sowie gegen die Macht der orthodoxen Kirche und des zaristischen Staates begrüßt. Allerdings stieß Malthus „Kampf“-Hypothese auch auf starke Widerstände, zum Beispiel bei Leo Tolstoi, der den Materialismus ablehnte und aufgrund seiner urchristlichen Überzeugung für Sozialreformen eintrat, u.a. für eine Bodenreform nach Henry George. Und der anarchistische Naturwissenschaftler Peter Kropotkin hob um 1900 die Bedeutung der „gegenseitigen Hilfe in der Tier- und Menschenwelt“ für das Überleben im Kampf ums Dasein hervor.[28]

Innerhalb der deutschen Arbeiterbewegung gewann der Gedanke einer geradezu komplementären Evolution von Natur und Gesellschaft mit einer naturnotwendig zu erwartenden Entwicklung zu einer sozialistischen Gesellschaft im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts durch Friedrich A. Lange, Moses Hess und besonders durch Karl Kautsky einen so großen Einfluss, dass für die Verbindung der Entwicklungsbegriffe von Darwin und Marx gar die Bezeichnung „Darwinomarxismus“ entstand.[29] Wenn es Darwin zufolge schon bei Bienen und Ameisen auch solidarische Verhaltensweisen gebe, so müssten sie - wie Kautsky daraus ableitete - auch im gesellschaftlichen Kampf ums Dasein zu einer bewussten proletarischen Solidarität entwickelt werden. In der von ihm gegründeten sozialdemokratischen Zeitschrift „Neue Zeit“ trat Kautsky für eine Synthese von Darwinismus und Marxismus ein. In Anknüpfung an Marx’ Kritik an den von der kapitalistischen Produktionsweise verursachten Degenerationserscheinungen bei Proletariern griff Kautsky die eugenische Kritik auf, die die beiden zum Umfeld von Ernst Haeckel gehörenden Mediziner Wilhelm Schallmayer und Alfred Ploetz an den ungesunden Wohn- und Arbeitsverhältnissen des großstädtischen Industrieproletariats übten. Schallmayers Befürchtung einer „drohenden physischen Entartung der Kulturvölker“ und seine Gedanken über die „Vererbung und Auslese im Lebenslauf der Völker“ (so lauteten die Titel von zweien seiner Bücher) waren ebenso wie Ploetz’ Sorge um die „Tüchtigkeit unserer Rasse und der Schutz der Schwachen“ noch mit demokratisch-pazifistischen Denkweisen und mit der „Überzeugung von der Notwendigkeit des Übergangs zu einer sozialistischen Ordnung“ verbunden, wenngleich Ploetz bereits Ausnahmen von dem Grundsatz der Gleichwertigkeit aller menschlichen Rassen machte.[30]

In sozialistische Vorstellungen von einem ‚neuen Menschen’ flossen in Verbindung mit dem Glauben an einen gesellschaftlichen Fortschritt auch eugenische und rassehygienische Gedanken ein. Bei Kautsky enthielten sie bereits die Vorstellung, dass „kränkliche Individuen, die kranke Kinder zeugen können, auf die Fortpflanzung verzichten“ - wobei Kautsky von einem freiwilligen Verzicht ausging und staatliche Zwangsmaßnahmen ablehnte. In dieser Form gewannen Sozialdarwinismus und Eugenik einen erheblichen Einfluss innerhalb der deutschen Sozialdemokratie. Sowohl ihr revisionistischer Flügel um Eduard Bernstein, der schrittweise durch demokratische Reformen zur sozialistischen Gesellschaft gelangen wollte, als auch ihr radikaler, eine proletarische Revolution anstrebender Flügel um August Bebel bedienten sich des Evolutionsgedankens.[31]

Nachdem im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts „sozialistische Varianten des Sozialdarwinismus“ und der Eugenik eine große Rolle in der Gesellschaftskritik gespielt hatten, verschoben sich die politischen Gewichte seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts mehr und mehr nach rechts. Beispielhaft waren hierfür die Wandlung des Arztes Ludwig Woltmann von einem Vertreter des „Darwinomarxismus“ zu einem Rassisten, der den Kampf zwischen den Rassen an die Stelle des Klassenkampfes setzte, und Nordenholz’ Rechtfertigung der kapitalistischen Akkumulation als Vorteil im Kampf der Rassen ums Dasein.[32] Weingart, Kroll und Bayertz zufolge verstärkten sich konservativ-reaktionäre Varianten des Sozialdarwinismus und es trat ein „radikaler Richtungswechsel von einer progressiv-demokratischen zu einer reaktionär-‚aristokratischen’ Deutung des politischen Inhalts der Darwinschen Theorie durch eine Akzentverlagerung vom Prinzip der Evolution auf den Mechanismus der Selektion“ ein.[33]

3.2  „Sozialdarwinismus des Status quo“

Der konservative Sozialdarwinismus rechtfertigte die im Kampf ums Dasein auf monopolisierten Märkten entstandene soziale Ungleichheit als vorläufiges Ergebnis eines natürlichen Entwicklungsprozesses. Privates Geld- und Realkapital einschließlich des Bodens würden sich darin aufgrund der in unterschiedlichem Umfang ererbten Begabungen und Fähigkeiten in den Händen der Tüchtigsten anhäufen. Damit pervertierte der konservative Sozialdarwinismus die Vorstellung eines harmonischen Ausgleichs der gesellschaftlichen Interessen, den der klassische Liberalismus von der Freiheit der Märkte erhofft hatte und den der linke Sozialdarwinismus durch einen stärkeren Einfluss des Staates auf die Wirtschaft herbeiführen wollte, endgültig zu einer Ideologie der Herrschaft von Starken über Schwache.

In den USA, wo der Marxismus nur wenig Widerhall in der Arbeiterbewegung fand, wehrte der einflussreiche Soziologe William Sumner sozialreformerische Bestrebungen als unzulässige Eingriffe in den „natürlichen Lauf der Dinge“ ab. Im Gegensatz zu der maßgeblich von Haeckel beeinflussten materialistischen Ausrichtung des deutschen Sozialdarwinismus verband Sumner die Evolutionstheorie mit dem Christentum in Gestalt der Prädestinationslehre zu einem „calvinistischen Darwinismus“, der das Überleben der ökonomisch Stärkeren im Kampf ums Dasein als Zeichen göttlicher Gnade und Auserwähltheit deutete.[34] Und der damals neben Rockefeller mächtigste Industrielle Andrew Carnegie rechtfertigte in einem Essay „Über den Reichtum“ (1889) die „großen Ungleichheiten in unserer Umwelt und die stärkere Konzentration von Wirtschaft, Industrie und Handel in den Händen weniger“. Sie stünden im Einklang mit den Gesetzen des Wettbewerbs und seien „wichtig für den künftigen Fortschritt der Rasse“. Unter Berufung auf Spencer und Darwin lehnte Carnegie soziale Reformen ab, weil sie „zum Überleben von Minderwertigen“ führen würden.[35]

Dabei kamen Spencer in seinen späteren Lebensjahren Zweifel an der Übertragbarkeit der biologischen Evolution auf die menschliche Gesellschaft. Seine Mahnrufe kamen aber zu spät - ebenso wie die Warnungen des englischen Zoologen Thomas Huxley, der angesichts der sozialen Gegensätze 1894 in einer Vorlesung über Evolution und Ethik vom Sozialdarwinismus abrückte. Am deutlichsten erkannte etwa zur selben Zeit der nordamerikanische Bodenreformer Henry George die Fehler in Malthus’ Bevölkerungstheorie: „Der Zweck des Buches von Malthus war es, die bestehende Ungleichheit zu rechtfertigen, indem es die Verantwortung dafür den menschlichen Einrichtungen abnahm und sie auf die Gesetz des Schöpfers übertrug. … Armut, Not und Hungertod sind nach dieser Theorie weder der Gier Einzelner noch fehlerhaften sozialen Einrichtungen zur Last zu legen, sondern sie sind die unvermeidlichen Ergebnisse allgemeingültiger Gesetze, deren Anfechtung so hoffnungslos wäre wie die Anfechtung des Gravitationsgesetzes. … Der Hauptgrund des Triumphes dieser Theorie ist, dass sie, anstatt verbriefte Rechte zu bedrohen oder gegen machtvolle Interessen anzukämpfen, die Schichten unendlich beruhigt, die über die Macht des Reichtums verfügen und damit das Denken in hohem Maße beherrschen.“ Statt auf ein nicht zum Ausgleich zu bringendes Missverhältnis zwischen Bevölkerungswachstum und Nahrungsmittelproduktion führte Henry George Armut und Hunger auf ungerechte - und überwindbare! - Verteilungsstrukturen im Laissez-faire-Kapitalismus zurück. In erster Linie dachte er an die Privilegien des privaten Bodeneigentums, die er durch die Einführung einer „Single Tax“ aufheben wollte. Damit wurde Henry George, dessen Bücher sowohl in den USA als auch in England und sogar bis nach Australien und Neuseeland eine weite Verbreitung fanden, zu einem der „auf beiden Seiten des Atlantiks in der angelsächsischen Welt bekanntesten Kritiker des Sozialdarwinismus.“[36]

Trotz solcher Mahnungen konnte sich die konservativ-reaktionäre Variante des Sozialdarwinismus weiter ausbreiteten. Sie lieferte auch die nachträgliche Rechtfertigung des Kampfes einzelner Nationen um die Hegemonie innerhalb Europas sowie der imperialistischen Eroberungen und Völkermorde der europäischen Kolonialmächte in Übersee. Dabei wurden die sozialen Gegensätze innerhalb der einzelnen Nationen ideologisch überdeckt - zuerst durch einen soziale Schichten übergreifenden gemeinsamen Hass auf konkurrierende Nachbarn innerhalb Europas und dann in einer weiteren Stufe durch eine angebliche Überlegenheit von Angehörigen der weißen Rasse gegenüber ‚primitiven Naturvölkern’ in Amerika, Afrika, Asien und Australien. In letzter Konsequenz der Bevölkerungstheorie von Malthus entstanden Rassentheorien, die den Weißen als Rechtfertigung dienten, sich in der übrigen Welt Land zu rauben und Arbeitskräfte zu versklaven bzw. indigene Völker zu ermorden, um im Kampf ums Dasein ihre Ernährung und die Steigerung ihres Wohlstands zu sichern.[37]

Als einer der Wortführer des konservativ-reaktionären Sozialdarwinismus in Deutschland wandte sich der Anthropologe Otto Ammon mit seinem Schlagwort „Darwinismus gegen die Sozialdemokratie“ ausdrücklich gegen sozialreformerische oder sozialrevolutionäre Schlussfolgerungen aus der Evolutionstheorie. Ebenso wie englische und nordamerikanische Sozialdarwinisten zog auch Ammon sozialaristokratische Konsequenzen aus der Evolutionstheorie, indem er die gesellschaftliche Hierarchie aus einer biologisch determinierten Rangfolge von vererbten Fähigkeiten ableitete. In ähnlicher Weise warnte der Philosoph Alexander Tille, der nach seiner akademischen Tätigkeit die Geschäfte von Industrieverbänden führte, vor einer immer näher rückenden „Gefahr einer experimentweisen Verwirklichung der sozialistischen Ideen“.[38] Und ausgelöst durch eine Kontroverse mit dem Mediziner Rudolf Virchow verwahrte sich Ernst Haeckel gegen den Eindruck, dem Sozialismus nahe zu stehen. Die Evolutionstheorie sei geradezu das „beste Gegengift gegen den bodenlosen Widersinn der sozialistischen Gleichmacherei.“ In der Menschenwelt könne ebenso wie in der Pflanzen- und Tierwelt immer „nur eine kleine bevorzugte Minderzahl blühen, während die übergroße Mehrzahl darbt und elend zugrunde geht.“[39] Tilles und Haeckels aristokratisches Verständnis des Sozialdarwinismus trug maßgeblich zu seiner politischen Wendung nach rechts bei, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts und besonders nach dem Ersten Weltkrieg mehr und mehr zur Ausbreitung rassistisch-imperialistischer Varianten des Sozialdarwinismus führte.

3.3  Fließende Übergänge zwischen dem konservativen und dem reformerischen Sozialdarwinismus

Die beiden Grundformen des Sozialdarwinismus standen sich durchaus nicht als jeweils geschlossene Blöcke gegenüber. Im Laufe seiner politischen Wendung nach rechts, zu der Tille und Haeckel maßgeblich beitrugen, gab es in Deutschland und auch in anderen Ländern Mischformen wie zum Beispiel im Roman „The Iron Heel“ („Die eiserne Ferse“, 1908) des berühmten amerikanischen Dichters Jack London. Dessen Heldenfigur verkörperte sowohl sozialistische und demokratische Ideen als auch die Überzeugung einer vermeintlichen Weltmission sog. „nordischer Übermenschen“. Ebenso prophezeite der englische Dichter Herbert G. Wells zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine weitere „Vermehrung der englischen Rasse und die Ausbreitung der Angelsachsen und der englischen Kultur und Sprache“.[40] In der „Fabian Society“, der außer Wells auch George Bernhard Shaw angehörte, gab es „sozialistische Imperialisten“, die sich für soziale Reformen im Inneren einsetzten und zugleich das Großmachtstreben des Empire akzeptierten. In England und in den USA gab es ebenso wie in Deutschland Bestrebungen, die sozialen Gegensätze im Inneren nach dem Vorbild von Bismarcks Sozialgesetzgebung zu entschärfen, um die unteren Schichten vordergründig in das System der kapitalistischen Marktwirtschaft zu integrieren und ihre Unterstützung der kolonialimperialistischen Expansionen nach außen zu sichern. In diesem Ziel trafen sich konservative und sozialistische Intellektuelle wie Benjamin Kidd und Charles Pearson (letzterer war eng befreundet mit dem Eugeniker Francis Galton, einem Vetter Darwins), so dass zeitweise „Sozialreform und imperialistische Politik zwei Seiten derselben Münze“ wurden. Die sozialistische Fabian Society trat für Sozialreformen ein, auch um „einer weiteren Verschlechterung der Rassensubstanz vorzubeugen“. Es gab in ihr sogar Diskussionen über Heiratsverbote und Sterilisationen[41].

Ebenso gab es innerhalb der deutschen Sozialdemokratie einschließlich der sozialistischen Frauenbewegung zwischen 1890 und 1933 ausgiebige Eugenik-Debatten über mehr als nur freiwillige Gesundheitszeugnisse, Ehe- und Sexualberatungen, Schwangerschaftsabbrüche und Sterilisationen als Maßnahmen zur ‚Perfektionierung’ des Menschen. „Auch unter Sozialisten fiel das promethische Zauberwort: ‚Hier sitz’ ich und forme Menschen!’“ Bereits Kautsky träumte von einer gesunden „Rasse von Übermenschen“. Nachdem sich Kautsky wie die meisten Sozialdemokraten anfangs noch überwiegend an Lamarcks Betonung der Umwelteinflüsse bei der lange vor 1933 schon so genannten „Entartung“ der Menschen durch Krankheiten, Alkohol und Kriminalität orientiert hatten, wandten sie sich mehr und mehr auch der Rolle zu, die der Vererbung von Krankheiten zugeschrieben wurde. Michael Schwartz stellte deshalb eine zwar ambivalente, aber dennoch „hochgradige Affinität“ zwischen Sozialismus und Eugenik fest. „Der Sozialismus öffnete seine Tore bereitwillig auch jener eugenischen Sozialtechnologie, die ihm als legitimes Kind der Moderne erschien“[42] und die er noch ohne Rassenhygiene in der Weimarer Republik zur politischen Anwendung bringen wollte. Der Sozialhygieniker Alfred Grotjahn setzte sich innerhalb der SPD schließlich dafür ein, „Minderwertige“ durch Zwangssterilisierungen von der Fortpflanzung auszuschließen.[43]

In seiner Studie über den englischen und nordamerikanischen Sozialdarwinismus erinnerte Hannsjoachim W. Koch schließlich an die Rolle einer von 1870 bis 1890 anhaltenden Deflationskrise als Nährboden für die Ausbreitung sowohl von sozialistischen Theorien als auch ihrer Verbindung mit der naturwissenschaftlichen Evolutionstheorie zum Sozialdarwinismus.[44] In ähnlicher Weise könnten auch in Deutschland die nach dem Ende der sog. Gründerzeit um 1890 einsetzende und bis zum Ersten Weltkrieg andauernde Wirtschaftskrise und die internationale Konkurrenz um Absatzmärkte und koloniale Eroberungen dazu beigetragen haben, dass der Sozialdarwinismus mehr und mehr imperialistische und rassistische Formen annahm. Statt auf gesellschaftliche Ursachen wurden Degenerationserscheinungen nunmehr auf biologische Faktoren zurückgeführt, wodurch sich das Tor zur Selbstüberhöhung der ‚nordisch-germanischen Herrenrasse’ gegenüber anderen Menschenrassen weit öffnete. Hinzu kamen die Verherrlichung von kriegerischer Gewalt und eine dementsprechend soldatische Erziehung von Kindern und Jugendlichen als Mittel, um im Kampf der Völker und Rassen das vermeintlich eigene Recht des Stärkeren rücksichtslos durchzusetzen.

3.4  Absturz in die Barbarei des Nationalsozialismus

Die auf den Ersten Weltkrieg folgende Hyperinflation und die 1929 mit dem Schwarzen Freitag an der New Yorker Börse einsetzende weltweite Deflationskrise stürzten die kapitalistische Gesellschaft schließlich in eine tiefe materielle und geistige Zerrüttung. Insbesondere entwurzelten sie die zwischen der Großbourgeoisie und dem Proletariat zerriebenen kleinbürgerlichen Mittelschichten, die einen neuen Halt in jener Ideologie des Nationalsozialismus suchten, zu der sich die konservativ-reaktionären Formen des Sozialdarwinismus mit dem Rassismus und Antisemitismus verbanden.

Schon vor Darwins „Entstehung der Arten“ hatte der französische Diplomat Gobineau als Verfechter eines demokratiefeindlichen aristokratischen Konservatismus eine „Ungleichheit der Menschenrassen“ behauptet. Mit seiner - mit Darwin nicht zu vereinbarenden - Annahme einer Überlegenheit der weißen Rasse, insbesondere von germanischen Ariern, gegenüber anderen Menschenrassen hatte Gobineau den Weg zu einem blutigen Kampf zwischen ihnen um ihr Dasein in der Welt gebahnt. Der englische, von Nietzsche und Richard Wagner beeinflusste und darum nach Deutschland übergesiedelte Schriftsteller Houston Steward Chamberlain deutete die europäische Geschichte als eine Folge von Rassenkämpfen und machte aus Gobineaus Rassentheorie ein politisches Programm zur gewaltsamen Durchsetzung einer Herrschaft der angeblich ‚höherwertigen’ germanischen Rasse. Es beeinflusste bereits das imperialistische Großmachtstreben des wilhelminischen deutschen Kaiserreichs.[45] Von Gobineau und Chamberlain führte der Weg schließlich über die anfangs eher linken Sozialdarwinisten Schallmayer und Ploetz sowie über die Vererbungslehre des Zoologen August Weismann zu Diskussionen in der von Ploetz redigierten „Zeitschrift für Rassenhygiene und Gesellschaftsbiologie“ über staatliche Maßnahmen zur vermeintlichen Bewahrung des menschlichen Erbguts vor einer weiteren Degeneration und insbesondere zur sog. „Aufartung“ des deutschen Volkes. Die Bandbreite der diskutierten Maßnahmen reichte von erbbiologischen Statistiken (Blutgruppen, Rassemerkmalen und kriminellen Neigungen) über Gesundheitszeugnisse als Vorbedingung für Eheschließungen, rassenhygienische Eheverbote, Zwangseinweisungen in Anstalten und (Zwangs-)Sterilisierungen bis hin zu Forderungen, schwächliche Neugeborene und unheilbar Kranke zu töten und Schwerkriminelle zum Tod zu verurteilen.[46] Von da aus führte die immer weiter gehende rassistisch-antisemitische „Radikalisierung des Sozialdarwinismus“ schließlich in die schauerlichen Abgründe des Nationalsozialismus, wo sich einerseits selbsternannte „Herrenmenschen aufnordeten“ und gewaltsam weiteren „Lebensraum im Osten“ für sich erobern wollten und wo andererseits Rassengesetze zur Verhütung von sog. „erbkranken Nachwuchs“ und zur Reinerhaltung des „arischen Blutes“ eingeführt wurden und wo sog. „unwertes Leben“ von Juden, Slawen und anderen Minderheiten millionenfach in den industriell betriebenen Todesfabriken der Konzentrationslager „ausgemerzt“ wurde.[47]

4  Gesells Rezeption von Evolutionstheorie und Sozialdarwinismus

Dass Gesell sich vor dem Ersten Weltkrieg von der Evolutionstheorie beeinflussen ließ, war in einer Zeit, in der die in weltliche Machtstrukturen verstrickten christlichen Kirchen die Evolutionstheorie verteufelten und an einem fundamentalistischen Kreationismus festhielten, nichts Ungewöhnliches. Es entsprach dem zu jener Zeit als modern empfundenen Zeitgeist.

Für diese Hinwendung Gesells zur Evolutionstheorie gab es zwei Gründe: zum einen seinen persönlichen Konflikt mit dem Christentum und zum anderen seine Hoffnung, Unterstützung von Seiten der Evolutionstheorie für seine Reformen zu bekommen und dadurch seiner langjährigen geistigen Isolation zu entrinnen. Allerdings nahm er als praktischer Kaufmann ohne wissenschaftliche Ausbildung die Nuancen innerhalb der Evolutionstheorie und des Sozialdarwinismus nicht immer genügend deutlich war. Ob er die Werke Lamarcks kannte, ist ungewiss. Spencer nahm er eher beiläufig wahr.[48] Dagegen waren ihm Darwins „Entstehung der Arten“ und „Die Abstammung des Menschen“ ebenso geläufig wie Bücher und Aufsätze von Wallace und Haeckels „Welträtsel“. Unbekannt blieben ihm die Veröffentlichungen von Schallmayer und Ploetz.

Somit stellt sich die Frage, an welcher Stelle des breiten Spektrums des Sozialdarwinismus Gesell Anknüpfungspunkte für die Geld- und Bodenreform suchte. Trotz aller Infizierung mit dem naturalisierten und brutalisierten Denken seiner Zeit ließ er sich nicht - so viel sei hier bereits vorweggenommen - auf die Ungleichheits- und Ungleichwertigkeitsdogmen des konservativ-reaktionären Sozialdarwinismus ein. Nachdem der Widerspruch zwischen dem „freien Spiel der Kräfte“ des klassischen Liberalismus und dem „Kampf ums Dasein“ im Laissez-faire-Kapitalismus während des ganzen 19. Jahrhunderts wie ein gordischer Knoten ungelöst geblieben war und zur Entstehung eines breiten Spektrums von Varianten des Sozialdarwinismus geführt hatte, formulierte Gesell kurz vor und nach dem Ersten Weltkrieg eine liberal-individualistische Variante des Sozialdarwinismus. Ohne bereits selbst alle Einzelheiten zu übersehen, wollte er das „liberale Dilemma“ (Koch[49]) gleichsam mit liberalen Mitteln beheben, indem der kapitalistische „Kampf ums Dasein“ mit Hilfe der Geld- und Bodenreform in ein von monopolistischer Macht befreites „Spiel der Kräfte“ übergehen sollte. Diese liberale Variante des Sozialdarwinismus hätte die Gegensätze zwischen seinen rechten und linken Varianten überwinden sollen. Jedoch kam für beide Seiten eine „Partnerschaft mit dem als sentimental bezeichneten Liberalismus des neunzehnten Jahrhunderts“ nicht in Frage. Weil „der Liberalismus gerade in den Ländern Europas vor 1914 seine Stoßkraft verloren“ hatte, kam Gesells liberale Variante des Sozialdarwinismus zu spät, um noch ein Gegengewicht zu den bereits geschwächten linken und zu den immer stärkeren rechten „anti-liberalen Kräften“ werden zu können.[50]

4.1  Zwiespältiges Verhältnis zum Christentum

In seiner ersten, 1891 in Argentinien erschienenen Broschüre über die Geldreform bezeichnete Gesell die Entstehung des herkömmlichen Geldes als den eigentlichen Sündenfall, durch den „die Menschen … die große herrliche Schöpfung Gottes“ von einem „Paradies“ zu einer „Hölle“ gemacht hätten. Indem sie „seit Jahrtausenden um einen solchen Götzen tanzen“, wirke das herkömmliche Geld als „Erbsünde“ durch die Geschichte bis in die Gegenwart fort. Dieses herkömmliche Geldwesen und das Privateigentum am Boden, dessen Fragwürdigkeit Gesell durch die Lektüre des Buches „Fortschritt und Armut“ von Henry George bewusst wurde, erschienen ihm noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts während seiner Zeit in der Schweiz als „heidnische Gebräuche“. Dagegen nannte er die Geld- und Bodenreform einen „christlichen Altar des allgemeinen Land- und Bürgerfriedens …, wo Ihr Euer christliches Glaubensbekenntnis rückhaltlos ablegen und Euch des letzten Restes der ungleichen Güterverteilung entledigen könnt. … Ja, wenn es dem geistlichen Herrn freistünde, das Evangelium der Armen und Unterdrückten frei von der Lunge weg zu predigen.“[51]

Die Enttäuschung darüber, dass sich die christlichen Kirchen der Geld- und Bodenreform gegenüber als unzugänglich erwiesen, trug zu Gesells Entfremdung vom Christentum und zu seiner Öffnung für andere geistige Strömungen seiner Zeit bei. Nachdem er sich bereits mit dem kirchen- und staatskritischen Werk „Der Einzige und sein Eigentum“ des Philosophen Max Stirner beschäftigt hatte, las er auf Anregung seines ersten Mitarbeiters Georg Blumenthal Friedrich Nietzsches „Also sprach Zarathustra“. Und da Gesell „von Jugend an ein besonderes Interesse an philosophischen Fragen und Naturstudien“ gehabt hatte[52], folgte er während eines weiteren Aufenthaltes in Argentinien (1907 – 1911) einer Anregung seines dortigen Mitarbeiters Ernst Frankfurth, Charles Darwins Werke „Die Entstehung der Arten“ und „Die Abstammung des Menschen“ sowie Ernst Haeckels „Welträtsel“ zu lesen.[53]

Unter dem Einfluss dieser Grundlagenwerke der Evolutionslehre sowie der Werke von Stirner und Nietzsche wandelte sich Gesells Einstellung zum Leben grundlegend. Mit welcher erschreckenden Wucht die Evolutionstheorie in sein Denken einbrach, wurde erstmals 1913 in einem kurzen Aufsatz „Geld und Christentum“ sichtbar. Darin wurde die christliche Schonung von Kranken und Schwachen mit unbarmherziger Härte abgelehnt: „Gottvater hat seinen Geschöpfen Waffen gegeben, damit sie sich verteidigen und wehren können: dem Wolf seine reißenden Zähne und dem Stier seine spitzen Hörner. Der Sohn aber möchte den Tieren die Zähne ausbrechen und die Hörner abnehmen, denn sie sollen sich ja nicht wehren, sondern geduldig ertragen, was ihnen der Feind zufügt. So steht die Welt des Sohnes mit der des Vaters in einem unlösbaren Widerspruch. Der Vater will in strenger Auslese nur das gesunde und Starke erhalten sehen, der Sohn aber schützt das Morsche, Kranke, Schwache. Was Wunder, wenn die Herde des Sohnes gegen die unerbittlichen Mächte der Naturkraft unterliegt! Der Vater will Kampf und Auslese und Zuchtwahl, und der Sohn weiß von alledem nichts.“[54] Diese wahrlich schockierende Sichtweise Gesells war zu jener Zeit kein Einzelfall. Solche Gegenüberstellungen des alttestamentarischen Gottes und des neutestamentarischen Gottessohnes gab es sowohl in den rechten als auch in den linken Varianten des Sozialdarwinismus und sogar in kirchlichen Kreisen.[55]

Ein Aufsatz „Die Auslese durch das Christentum, den Krieg und den physiokratischen Frieden“, der nach Gesells Rückkehr nach Deutschland in der von Georg Blumenthal herausgegebenen Zeitschrift „Der Physiokrat“ erschien, enthält erstmals eine ausführliche und auch differenzierte Darlegung von Gesells gewandelter Weltsicht. An die Stelle seiner früheren Bewunderung für die „große herrliche Schöpfung Gottes“ trat die von der Evolutionstheorie übernommene Betrachtung der Natur als „System des Fressens und Gefressenwerdens“. Offenbar nicht ohne einen inneren Widerspruch zu spüren und ihn zugleich zu verdrängen, erschien ihm die „göttliche Weltordnung“ nunmehr als „unmenschlich … Vom rein menschlichen Standpunkt aus betrachtet ist diese göttliche Komödie ein scheußliches Schauspiel. … Wenn das alles aber wenigstens Teufelswerk wäre! Aber nein, das scheußliche Schauspiel ist wirklich göttliche Komödie; das höllische System trägt himmlische Früchte. Gott ist es, nicht der Teufel, der regiert. Das erkennt man an den Früchten dieser Regierung. Wie vollkommen ist doch jedes einzelne Geschöpf durch dieses System geworden. Diese Anpassung an die umgebende Natur! … Und es nützt nichts, wenn die menschliche Tugend gegen solche göttliche Moral sich aufbäumt. Sowie wir menschliche Begriffe in die Natur einführen und in das Walten der Lebensgesetze eingreifen wollen, so wird auch schon die Harmonie gestört. Die Erfahrung beweist es uns: die Natur straft hart und unerbittlich jeden Eingriff menschlicher Vernunft in ihr Reich.“[56]

Bei der Integration der von der Evolutionstheorie postulierten ‚natürlichen Auslese’ in seine Geld- und Bodenreformtheorie distanzierte sich Gesell vom kirchlichen Missbrauch der Religion als „Volksbändigungsmittel“. Als Kaufmann, der selbst Arztpraxen und Kliniken in Argentinien mit medizinischen Artikeln und Geräten beliefert hatte, nahm er die christliche Religion aber gegen den damals weit verbreiteten Vorwurf in Schutz, dass die Schonung von Kranken und Schwachen zur Entstehung eines „Volkes von Ärzten, Apothekern, Krankenpflegern und Orthopäden“ sowie von Hilfsbedürftigen führe: „Es ist aber doch sehr die Frage, ob durch solche Eingriffe in die natürliche Weltordnung diese Ordnung wesentlich beeinflusst werden kann. … Es ist darum nicht wahr, wir leugnen es rundweg, dass die Degenerationserscheinungen in irgendeinem Zusammenhang mit der christlichen Schonung des Schwachen stehen.“[57]

Für folgenschwer hielt Gesell dagegen die Verfälschung der ‚natürlichen Auslese’ durch wirtschaftliche Privilegien von Vermögenden, die sich durch ihre Verfügungsmacht über konzentriertes Geld- und Realkapital einschließlich des Bodens Wettbewerbsvorteile im wirtschaftlichen Kampf ums Dasein verschaffen können: „Dieser kapitalistische Kampf ums Dasein hat den Charakter einer natürlichen Auslese vollkommen abgestreift. Er wirkt genau so blind wie unsere Kriege. Ohne Wahl reißt er ganze Teile des Volkes, Gutes und Schlechtes, alles bunt durcheinander, in die kapitalistische Mördergrube. Dem durch Religion und Gesetz an Händen und Füßen gefesselten Arbeiter setzt sich der Kapitalist einfach auf die Brust, bis er erstickt. Dann schlägt der Kapitalist stolz mit den Flügeln und kräht seinen ‚Sieg im Kampf ums Dasein’ in die Welt hinaus.“[58]

Um den „wirtschaftlichen Kampf ums Dasein“ auf einen von Privilegien und Machtvorteilen freien „völlig neutralen Boden“ zu stellen, stellte Gesell die Forderung, „dass das oberste biologische Gesetz auch für die menschliche Gesellschaft anerkannt werde. … Beugen wir uns vor diesem brutalen Gesetz. Das Unpassende, Fehlerhafte muss aus der Gesellschaft entfernt, von der Fortpflanzung ausgeschlossen werden. … Der Kampf ums Dasein wird wieder ein natürlicher werden; und zwar werden die vererbungsfähigen Tugenden der Kämpfer ganz allein den Sieg bedingen. … Wir brauchen ja der Natur bei dieser Henkersarbeit nicht Handlangerdienste anzubieten, denn das ist nicht nötig. Auch sollen wir uns hüten, mit unseren Pfuscherhänden in das göttliche Walten der Natur einzugreifen. … Die Besten des Volkes sind es gewesen, die die obersten weltlichen und kirchlichen Behörden aus dem Volke herausholten, um sie zu vernichten. An Golgatha reihen sich Torquemadas autos da fé, Huß, Giordano Bruno, die Hexenprozesse. Durch die Hinrichtungen in der französischen Revolution ist der ganze Volkscharakter verändert worden. Und die Ausweisung und Erschießung deutscher Patrioten nach 1848, die Ausnahmegesetze gegen die Sozialdemokraten, der Justizmord an den Anarchisten in Chicago, an Francisco Ferrer. Das alles bezeichnet deutlich genug den Weg, den die menschliche Vernunft auf diesem Weg geht! Es irrt der Mensch, so lange er strebt. Wo aber liegt die Gewähr dafür, dass wir es künftig besser machen würden? Der kurzsichtige Mensch hält sich allzu leicht für unfehlbar. Und wohin dieser Unfehlbarkeitswahn führt, zeigt uns zum Beispiel der Impfzwang, zeigen uns die Inzuchtgesetze des Adels, zeigen uns die Versuche des Preußenkönigs mit der Zucht von Riesensoldaten usw.“ [59]

Bei aller abstoßenden Härte von Gesells Vorstellungen vom „Überleben der Tüchtigsten“ in der „natürlichen Auslese“ und dem von Kautskys „Kraftnaturen“ und der damaligen Lebensreformbewegung mit beeinflussten Kult des Gesunden[60] erweist sich bei genauem Hinsehen, dass sie der soziallamarckischen Form der Evolutionstheorie entsprachen und sogar deutliche Warnungen sowohl vor Menschenzüchtungsplänen als auch vor der damals - kurz vor dem Ersten Weltkrieg - weit verbreiteten Verherrlichung von Kriegen als Mittel zur Veredelung von Menschen enthielten: „Es wäre aber ein verhängnisvoller Irrtum, wenn man den Zweikampf der Tiere mit den menschlichen Kriegen vergleichen wollte. … In der Natur gibt es keine Kriege zwischen Artgenossen. … Wir müssen es daher direkt als Wahnsinn bezeichnen, wenn man das Gute, dass der Kampf in der Natur für die Gesundheit der Art hat, auch den Kriegen nachsagt. Vom Kriege kann man nur die Degeneration der Art erwarten.“[61] Nachdem Gesell während des Ersten Weltkriegs Ernst Haeckels „Weltkriegsgedanken“ gelesen hatte, wandte er sich in einem Brief an Haeckel gegen jede „biologische Begründung des Krieges“ und forderte ihn auf, „den in der Kriegspropaganda biologisch Orientierten den Unterschied, der zwischen dem Krieg und dem Kampf ums Dasein liegt, durch Ihre Autorität stärker noch zum Bewusstsein zu bringen“.[62]

4.2  Erwartungen an die Evolutionstheorie als mögliche Trägerin der Geld- und Bodenreform

Bereits in seiner ersten ausführlicheren Darstellung seiner Verbindung der Geld- und Bodenreform mit der Evolutionstheorie zeichnete sich ab, dass Gesells Variante des Sozialdarwinismus eine vergleichsweise gemäßigte liberale Form annehmen und dem „linken Sozialdarwinismus“ näher stehen würde als dem rechten „Sozialdarwinismus des Status quo“, der soziale Ungleichheit erhaltende Privilegien verteidigte und militärische Gewalt rechtfertigte. In seiner Hoffnung, von Seiten der Evolutionstheorie statt von Seiten der Kirchen eine Unterstützung für die Verbreitung der Geld- und Bodenreform zu finden, konnte sich Gesell dadurch bestärkt fühlen, dass sich namhafte Evolutionstheoretiker wie Alfred Russel Wallace in England und Ludwig Büchner in Deutschland zumindest für eine Bodenreform engagierten, um den kapitalistisch verzerrten in einen natürlichen „Kampf ums Dasein“ umzuwandeln.

Alfred Russel Wallace, neben Darwin der zweite große englische Naturforscher, sah Darwins Selektionsprinzip kritisch und orientierte sich mehr an Spencers „suvival of the fittest“. In seinem Buch über seine Forschungen im malayischen Archipel (1869) hatte Wallace, der sich als Sozialist und Pazifist verstand, kritische Anmerkungen zum privaten Bodeneigentum eingeflochten. Dadurch war der Ökonom und Philosoph John Stuart Mill auf ihn aufmerksam geworden und hatte Wallace in die englisch-irische Bodenreformbewegung eingeführt. Schließlich hatte Wallace den Vorsitz der „Land Nationalisation Society“ übernommen und in einem Buch „Land Nationalisation – Its Necessity and its Aims“ (1892) die Ansicht vertreten, dass der Boden anders als von Menschenhand geschaffene Güter nicht Privateigentum sein dürfe und dass alle Menschen ein Recht auf gleichen Zutritt zum Boden bekommen müssten - ebenso ein gleiches Recht auf den Erwerb von Kapital. Im Gegensatz zum „present cruel and disastrous social system“ und dem „system of economic antagonism as of enemies“ erstrebte Wallace den Übergang zu einem “system of economic brotherhood as of a great family or of friends. … The remedy is to adopt the principle of equality of opportunity for all or of universal inheritance by the State in trust for the whole community.”[63]Hierdurch fühlte sich Gesell in seiner Hoffnung bestärkt, dass die moderne Evolutionstheorie zum Motor einer den Kapitalismus überwindenden sozialen Evolution werden könnte. In einem kurzen Artikel zum 90. Geburtstag von Wallace bezeichnete Gesell ihn als einen „Vollblut-Physiokraten, der den Platz, wo der Kampf ums Dasein sich abspielen soll, für alle gleich machen will, damit das Resultat des Kampfes nicht gefälscht werde.“[64]

In Deutschland hatte neben Haeckel der Arzt und materialistische Philosoph Ludwig Büchner, ein Bruder des berühmten Dichters Georg Büchner aus der Zeit des 1848er Vormärz, einen großen Anteil an der Popularisierung der Evolutionstheorie. Schon als junger Mann hatte sich auch Ludwig Büchner für die bürgerliche Revolution von 1848 eingesetzt und in seinem 1894 erschienenen Buch „Darwinismus und Sozialismus“ beklagte er den mit den „erschütternden gesellschaftlichen Tragödien von Mord, Selbstmord, Hungertod, unverschuldeter Krankheit, frühzeitigem Tod, Arbeitslosigkeit usw“ einhergehenden Gegensatz zwischen Reichtum und Armut als einen „unnatürlichen und ungerechten Zustand der heutigen menschlichen Gesellschaft“. Weil beim Kampf ums Dasein „bereits alle oder alle guten Plätze besetzt sind“, entsteht ein allgemeiner „Zwang des gesellschaftlichen Egoismus“.[65]

Ludwig Büchner hielt es für eine Bestimmung der modernen Naturwissenschaft, „nicht bloß die geistige, sondern auch die soziale Befreiung der Menschheit zu bewirken“ und den bestehenden „Zustand extremer gesellschaftlicher Ungleichheit“, diesen „heimlichen Kriegszustand zwischen den besitzenden und den nicht-besitzenden Klassen“ mit friedlichen Reformen zu überwinden und eine „größere Ausgleichung in den Mitteln, womit jeder Einzelne seinen Kampf ums Dasein kämpft“, herbeizuführen.[66] In Anknüpfung an Henry George und dessen Kritik an Malthus’ Bevölkerungstheorie wollte Büchner die mit dem Privateigentum am Boden verbundenen wirtschaftlichen Privilegien überwinden. Wie George betrachtete er es als ein „Naturrecht“ eines jeden Menschen, einen gleichberechtigten Zugang zum Boden als der allen Menschen gemeinsamen „Mutter Erde“ zu bekommen. Dazu sollte der Boden – anders bei bei George - gegen Entschädigung in ein gemeinschaftliches Eigentum umgewandelt werden, an dem alle Menschen gleiche „Nutzungsrechte“ erhalten. Außerdem stellte Büchner das Erbrecht in Frage und forderte darüber hinaus eine „Umwandlung des Staates in eine allgemeine solidarisch verbundene Versicherungsgesellschaft gegen Krankheit, Alter, Unfall, Invalidität, unverschuldete Not und Tod“.[67]

Diesen Gedanken, den wirtschaftlichen Kampf ums Dasein zu entschärfenund die im Wettbewerb miteinander stehenden Individuen„solidarisch zu einem Kampf aller gegen die Übel des Lebens“ zu vereinigen, verstand Büchner als Alternative sowohl zur „einseitigen und engherzigen Manchester-Doktrin“ als auch zur Bismarckschen Sozialgesetzgebung und noch mehr zur marxistischen Sozialdemokratie und zum Kommunismus, die er als unfreiheitlich ablehnte.[68] Sie kam Gesells Geld- und Bodenreform sehr weit entgegen, zumal Büchner auch bereits das Geld als „Gott Mammon“ kritisierte, der „heutzutage eine alles bestimmende Macht“ hat - freilich ohne schon zu überlegen, wie sich auch diese Macht auf eine friedliche Weise überwinden ließe. Gesell kannte auch die 1910 nach Büchners Tod erschienene dritte Auflage von „Darwinismus und Sozialismus“, auch wenn er in seinen eigenen Veröffentlichungen darauf nicht Bezug nahm.[69]

Ein drittes Mal konnte sich Gesell in seinem Bestreben, die Geld- und Bodenreform mit der Evolutionstheorie zu verbinden, durch den Chemienobelpreisträger Wilhelm Ostwald bestärkt fühlen. Ostwald spielte in dem von Haeckel gegründeten „Deutschen Monisten-Bund“ eine große Rolle. Im Interesse einer Völkerverständigung unterstützte er die internationale Hilfssprache Esperanto und trat 1914 in einer monistischen Zeitschrift auch für die Geld- und Bodenreform ein.[70] Später befürwortete auch noch der dem „Monisten-Bund“ angehörende berühmte schweizerische Psychiater und Zoologe August Forel, der besonders den Alkoholismus als Form der menschlichen Degeneration bekämpfte, die Geld- und Bodenreform als Schritt zu Gerechtigkeit und Frieden.[71]

4.3  Von der „natürlichen Ordnung“ der Physiokraten zur „Natürlichen Wirtschaftsordnung“ und zu ihrer Verbindung mit der „natürlichen Auslese“ der Evolutionstheorie

Als Gesell während des Ersten Weltkriegs seine früheren Bücher „Das Recht auf den vollen Arbeitsertrag durch die Geld- und Bodenreform“ (1906) und „Die neue Lehre vom Geld und Zins“ (1911) zu einem neuen Buch umarbeitete, griff er von seinen Mitarbeitern Georg Blumenthal und Paulus Klüpfel die Anregung auf, die Geld- und Bodenreform ideengeschichtlich mit der Vorstellung der aufgeklärten französischen Physiokraten um Francois Quesnay von einer „natürlichen Ordnung“ der Wirtschaft zu verbinden. Daraus ergab sich der Titel des 1916 zuerst in Berlin und danach in Bern erschienenen Hauptwerks von Gesell: „Die Natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld“ (NWO).[72] Im Sinne der Vorstellung der Physiokraten - das aus dem Griechischen stammende Wort „Physiokratie“ bedeutet „Naturherrschaft“ - von einer von merkantilistisch motivierten Eingriffen des absolutistischen Staates freien, sich selbsttätig regelnden „natürlichen Ordnung“ der Wirtschaft sollte die „Natürliche Wirtschaftsordnung“ nunmehr das Ziel einer sowohl von staatlichen Eingriffen als auch von privatwirtschaftlichen Machtgebilden freien Wirtschaft bezeichnen. Parallel entstand dazu noch der Begriff „Freiwirtschaft“ als Ergänzung zu dem von der Bodenreformbewegung übernommenen „Freiland“ als ein von Handel und Spekulation befreites Land und „Freigeld“ als einem vom Zinstragen befreiten Geld.

Mit der Evolutionstheorie beschäftigte sich Gesell erst wieder eingehender, nachdem er 1916 erneut in die Schweiz gezogen war. In zwei kurzen im Winter 1917/18 erschienenen Aufsätzen sah er nunmehr in der „Hochzucht des Menschen“ eine „Religion der Zukunft“. Unter dem Einfluss der monistischen Philosophie erschien es ihm als Aufgabe des vom göttlichen „Gängelband“ gelösten „entwicklungsgläubigen Menschen“, sich nicht mehr nur wie ein Gotteskind unbewusst in der „Gussform der Natur“ weiterzuentwickeln; vielmehr sei der moderne Mensch als ein mit einem „freien Menschenwillen“ ausgestatteter Erwachsener dazu aufgerufen, seine Entwicklung eigenverantwortlich auf ein Ziel zu richten, das er sich einerseits „selbst steckt“ und das andererseits „notwendigerweise“ mit dem Göttlichen zusammenfalle. Auf diese Bahn könne die Menschheit gelangen, wenn sie die ‚natürliche Auslese’ von allen sie verfälschenden Einflüssen wirtschaftlicher Privilegien und Macht befreie.[73]

Im Vorwort zur dritten, 1919 in Berlin erschienenen Auflage seiner NWO fügte Gesell schließlich auch die von der Evolutionstheorie übernommene ‚natürliche Auslese’ in seine „Natürliche Wirtschaftsordnung“ ein und bezog sie sowohl auf den Bereich der von Männern dominierten Zirkulation und Produktion als auch auf den Bereich der nach traditionellen Rollenmustern den Frauen zugeordneten Bereich der Reproduktion. Die dabei von der Evolutionstheorie übernommenen, grauenhafte Assoziationen weckenden Begriffe wie „Fehlzucht“, „Unzucht“, „Minderwertiges“ und „Hochzucht“ erschweren allerdings sehr die Beachtung der Tatsache, dass Gesell sich bei der Verbindung der Geld- und Bodenreform mit der Evolutionstheorie nicht noch zusätzlich auf rassistisch-imperialistische und antisemitische Ideologien eingelassen hat. Wie in den ersten Jahren nach ihrer Entstehung beruhten beide Reformen auch weiterhin auf dem obersten Grundsatz der sozialen Gleichheit aller Menschen. Nach wie vor betrachtete Gesell die mit dem Privateigentum am Boden und mit dem zinstragenden Geld verbundenen kapitalistischen Privilegien als „soziale Spaltpilze und Sprengkörper“, zu deren Entschärfung der Boden und das Geld in Gemeinschaftsgüter umgewandelt werden müssen, damit sie dann allen Menschen zu gleichen Bedingungen zur Verfügung stehen.[74]

Im Gegensatz zu völkischen Bodenreformern wie Heinrich Driesmans[75] lehnte Gesell jede Einschränkung des elementarsten Daseinsrechts aller Menschen nach Kriterien einer Volks-, Rasse- oder Religionszugehörigkeit eindeutig ab. Die Bodenreform sollte „ausnahmslos allen Menschen – ohne Unterschied der Rasse, der Religion, der Bildung und körperlichen Verfassung“ zu einem gleichberechtigten Zugang zum Boden und zu den Bodenschätzen verhelfen. „Jeder soll dorthin ziehen, wohin ihn sein Wille, sein Herz oder seine Gesundheit treibt. Und dort soll er den Altangesessenen gegenüber die gleichen Rechte auf den Boden haben. Wir sind alle Altangesessene dieser Erde.“[76]

Ebenso universell war Gesells Vorstellung, das herkömmliche zinstragende Geld, das als „Spaltpilz in die Menschenfamilie eingepflanzt“ ist und als „großer Friedensstörer ... die Trennung der Menschen in Arm und Reich“ bewirkt“, ohne jede Diskriminierung von Juden oder anderen Minderheiten zu reformieren. Statt Personen Schaden an Leib und Seele zuzufügen, sollte dem Geld lediglich seine strukturelle Macht genommen werden, indem sein Liquiditätsvorteil mit Hilfe „künstlicher Durchhaltekosten“ neutralisiert wird. Dadurch verliert es seine Fähigkeit, sich durch Zins und Zinseszins tendenziell ins Unendliche zu vermehren und einen den menschlichen Bedürfnissen widersprechenden Einfluss auf Art und Umfang der Produktion zu nehmen. Nach seiner Befreiung vom Zins würde das Geld zu einem neutralen, allen Menschen unabhängig von ihrer Herkunft, Hautfarbe und Religion gleichermaßen dienenden Tausch- und Kreditmittel, das ihre Nachfrage mit ihren Angeboten zur Übereinstimmung bringt. Ein nicht mehr hortbares und sich nicht mehr durch den Zins und Zinseszins vermehrendes Geld sorgt analog zum jüdisch-christlichen Gebot der Eigen- und Nächstenliebe (Lev. 19.18 und Mt 19.19) und zum kategorischen Imperativ Kants für die Einhaltung der „goldenen Regel in der Volkswirtschaft“, wonach der Kreislauf von Käufen und Verkäufen geschlossen werden muss. Dann wird das Geld zum „natürlichsten und mächtigsten Bindemittel der Völker“ und zur „Hebamme der Kultur“.[77]

Und da Gesell „die Welt nicht für einen zoologischen Garten“ hielt, „wo die Völker, durch bunte Eisenstäbe voneinander getrennt, in Einzelhaft leben sollen“, verdeutlichte er sogleich die globale Dimension der Geld- und Bodenreform: „Die Kugel, die da im weiten Bogen um die Sonne kreist – das ist des Menschen Heimat“ im Weltall. „Die ganze Erdkugel ist ein Organ jedes einzelnen Menschen. … Den Schwarzen, den Roten, den Gelben den Weißen - allen ohne Ausnahme gehört die Erde ungeteilt.“[78] Deshalb sollten die Ressourcen als Menschheitseigentum einer internationalen Verwaltung unterstellt werden und eine „Internationale Valuta-Assoziation“ (IVA), bei der auch außereuropäische Länder gleichberechtigte Mitglieder werden können, sollte die internationalen Handelsbeziehungen zum Ausgleich bringen. Damit trat Gesell sowohl dem „Trugbild des ‚geschlossenen Handelsstaates’“ als auch dem „gefährlichen Gedanken eines in sich geschlossenen, durch Kolonien und Eroberungen erweiterten nationalen Wirtschaftsgebiets“ entgegen.[79]

4.3.1  Von der „kapitalistischen Auslese“ auf monopolistischen Märkten zur wieder hergestellten „natürlichen Auslese“ auf monopolfreien Märkten

Der klassische Liberalismus war nach Ansicht von Gesell mit seiner sog. „Manchesterlehre … auf dem richtigen Weg“ gewesen, „obwohl von all diesen schönen Manchesterhoffnungen bis zum heutigen Tage keine Spur der Verwirklichung sich zeigt. … Und auch das, was man von Darwin her später in diese Lehre hineintrug, war richtig.“ Allerdings - und das war aus dieser Sicht das folgenschwere Versäumnis der Klassiker ebenso wie von Darwin und zahlreichen Sozialdarwinisten - „hatte man sich nicht um die Kampfbahn gekümmert, auf der nun die Kräfte sich frei messen sollten. Man nahm an, dass in der gegebenen Ordnung mit Einschluss der Vorrechte des Grundbesitzes und des Geldes die Bürgschaft für einen genügend freien Wettstreit liege - vorausgesetzt, dass sich der Staat nicht weiter in das Getriebe der Wirtschaft mischen würde.“[80] Statt die zwar von Eingriffen merkantilistischer Staaten freien, aber von privatwirtschaftlichen Privilegien verfälschten Marktkräfte im Laissez-faire-Kapitalismus sich selbst zu überlassen, wäre Gesell zufolge eine „gänzliche Ausschaltung von Vorrechten“ nötig gewesen, „um allen Menschen die Quellen der Lebensfreude zugänglich zu machen.“ Dann würden auch bei der ‚natürlichen Auslese’ in der Wirtschaft „ausschließlich angeborene Eigenschaften“ der Menschen anstelle der Privilegien von Adel, Klerus und Kapital maßgebend und die Menschen könnten ihren vom Kapitalismus „schon lange unterbrochenen Aufstieg zu göttlichen Zielen wieder aufnehmen“ und zur „Hochzucht“ gelangen. „Nicht dem Geld, nicht verbrieften Vorrechten, sondern der Tüchtigkeit, der Kraft, der Liebe, der Weisheit der Eltern müssen die Kinder ihre Erfolge verdanken. Dann darf man hoffen, dass mit der Zeit die Menschheit von all dem Minderwertigen erlöst werden wird, mit dem die seit Jahrtausenden vom Geld und Vorrecht geleitete Fehlzucht sie belastet hat.“[81] In ähnlicher Weise hatte zuvor schon der Sozialdemokrat Edgar David in Anknüpfung an Kautsky die ungerechte Vermögensverteilung als „Durchkreuzung der natürlichen Auslese in der heutigen Gesellschaft“ kritisiert. Dadurch würden sich im Kapitalismus die „antisozialen Begabungen im wirtschaftlichen Kampf ums Dasein als nützliche Eigenschaften bewähren und darum immer mehr gezüchtet werden.“[82]

Sobald die Geld- und Bodenreform eine „natürliche Wirtschaftsordnung“ mit den „Vorbedingungen für ein wirklich freies Spiel der Kräfte schafft“, soll nur noch „die Arbeit die einzige Waffe des gesitteten Menschen in seinem ‚Kampf ums Dasein’“ sein. „Man darf sich diesen Wettstreit nicht als Ringkampf wie bei den Tieren in der Wüste vorstellen, noch auch etwa als Totschlag. Diese Art der Auslese hat beim Menschen keinen Sinn.“[83] Bald nach dem Erscheinen der dritten Auflage seiner NWO hat Gesell in seiner Münchener „Verteidigungsrede“ nochmals dargelegt, wie er sich einen von Privilegien befreiten wirtschaftlichen Wettbewerb vorstellte: „Der Wettstreit ist der einzige Weg zur göttlichen Hochzucht des Menschen. Aber dieser Wettstreit soll auf vollkommener Ebene ohne Vorrechte ausgefochten werden, der Sieg darum nur angeborenen, vererbungsfähigen Eigenschaften zuzuschreiben sein. Diesen Wettstreit denke ich mir nicht in der Auswirkung roher Kräfte, nein, denn diese braucht der Mensch nicht mehr. Das ganze unübersehbare Gebiet friedlicher Betätigung in Gewerbe, Kunst, Wissenschaft, Gesetzgebung, geselligem Leben, im Landbau, in der Tierzucht - das ist die Kampfbahn des Wettstreites. Nach hohen, immer höher zu schraubenden Leistungen wird jeder streben müssen, der in der Gesellschaft der Männer und der Frauen nicht ins Hintertreffen geraten will. Dieses Hintertreffen setzt sich um in Hemmungen mancherlei Art, vor allem bei der Gründung und Erhaltung der Familie und demzufolge in geringere Nachkommenschaft, auf diesem Wege, ohne irgendwelchen Kunstgriff irrender Behörden, gelangen wir dahin, dass das Wertvollere gefördert, die Söhne der Lasterhaften, der Schutzzöllner und Verbrecher aber immer weniger Nachkommenschaft hinterlassen. Und so sehe ich, wie das stille folgerichtige Walten der Natur uns umformen wird zu einem neuen schönen, dem Lichte zugewandten Geschlechte.“[84]

4.3.2  Vervollständigung der „natürlichen Auslese“ durch eine das ökonomische Gefälle zwischen Vätern und Müttern ausgleichende „Mütterrente“

Gesells Annahme, dass sich die in der „kapitalistischen Auslese“ erworbenen Eigenschaften auf die folgenden Generationen vererben würden, führte ihn dazu, nicht nur die Zirkulation und Produktion in der kapitalistischen Marktwirtschaft zu analysieren. Im Hinblick auf die sog. „Hochzucht des Menschengeschlechts“ und den „Aufstieg zu göttlichen Zielen“ bezog er deshalb auch den außerhalb der Märkte liegenden Bereich der Reproduktion in seine Überlegungen mit ein.

Dazu wurde Gesell von Darwins „Abstammung des Menschen“ und auch von Alfred Wallace angeregt. Wallace ging es im Zusammenhang mit sozialen Reformen auch um die Herbeiführung eines „state of society, in which all women are economically independent“. Er sprach auch bereits deutliche Warnungen vor jeder Art von elitärer Eugenik aus.[85] Allerdings war Gesell hinsichtlich der ‚Frauenfrage’ noch ähnlich traditionell eingestellt wie Marx und weite Teile der Arbeiterbewegung, für die der Gegensatz zwischen dem Kapital und der männlichen Lohnarbeit im Vordergrund stand. Die von Spencer und einigen Evolutionstheoretikern vertretene und auch von Engels und Bebel aufgegriffene Hypothese eines urgesellschaftlichen Matriarchats, mit der sich die patriarchalische Arbeitsteilung der Geschlechter im Kapitalismus als gesellschaftlich statt biologisch bedingtes und somit überwindbares Unrecht kritisieren ließ, dürfte Gesell nicht gekannt haben.[86] So entstand auf der Grundlage der damaligen, von ihm nicht in Frage gestellten konservativen Vorstellungen von den Geschlechterrollen sein erstmals 1913 ausgesprochener Gedanke, die vergesellschaftete Bodenrente als „Mütterrente“ an die Mütter nach der Anzahl ihrer minderjährigen Kinder auszuschütten: „Von den 300.000 Säuglingen, die im christlichen Deutschen Reich jährlich zugrunde gehen, wäre die Hälfte wenigstens einfach mit schnödem Geld zu retten. Der Kapitalismus entreißt den Säuglingen die Mütter. Die Mütter sperrt man in die lärmende Fabrik.“ Eine „Mütterrente“ sollte dieser „von unseren höchsten kirchlichen und weltlichen Behörden geduldeten und geförderten Unzucht ein Ende machen und Mutter und Kind wieder vereinigen. … Keine Frau braucht aus wirtschaftlichen Gründen den ihr etwa widerwärtigen Mann bei sich noch zu dulden. Sie wird in ihrem Liebesleben frei sein. Und das ist nötig, wenn die Zuchtwahl die Menschheit von all dem Minderwertigen befreien soll, das in all den Jahrhunderten durch die kapitalistische Notzucht hervorgebracht wurde. … Wie bald werden die Männer den Trunk sich abgewöhnen und all die anderen üblen Sitten. … Die Notzuchts- und Versorgungsehen werden ganz verschwinden.“ Nicht mehr wirtschaftliche Abhängigkeiten würden dann die Ehen zusammen halten, sondern „nur die Bande gegenseitiger freier Liebe“. Die „Mütterrente“ trat nunmehr an die Stelle einer bis dahin von Gesell vertretenen „gleichmäßigen Verteilung“ der in eine „gemeinsame Kasse“ einfließenden Bodennutzungsentgelte „an alle Menschen“.[87]

Im Vorwort zur 3. Auflage seiner NWO griff Gesell seinen Gedanken einer Neutralisierung der ökonomischen Privilegien von erwerbstätigen Vätern gegenüber Kinder erziehenden Müttern durch eine „Mütterrente“ wieder auf und sah darin einen Weg, „die Frauen wirtschaftlich so weit unabhängig zu machen, dass sie keine Ehe aus Not einzugehen, auch nicht eine bereits geschlossene gegen ihr Empfinden fortzuführen oder nach einem ‚Fehltritt’ in das Dirnentum zu versinken brauchen.“[88] Mit seinem konservativen Verständnis der Geschlechterrollen und seiner Verklärung des „großen Zuchtwahlrechts“ der Frauen gegenüber ihrem „inhaltsleeren politischen Wahlrecht“ fiel Gesell jedoch weit hinter Ludwig Büchners Forderung nach einer „politischen und sozialen Gleichstellung der Frau mit dem Manne“[89] zurück. Wenn man andererseits bedenkt, dass zum Beispiel die Frauenrechtlerin Helene Stöcker, die zu den Mitbegründerinnen des „Bundes für Mutterschutz“ gehörte, auf einer Tagung des Deutschen Monisten-Bundes 1913 „für Eugenik und Rassenhygiene“ eintrat, „weil wir höherwertige Menschen haben wollen“[90], waren die mit der „Mütterrente“ verbundenen Vorstellungen Gesells noch vergleichsweise gemäßigt.

Erst recht waren bei ihm im Gegensatz zu Platon oder zu den kommunistischen Utopien von Morus und Campanella mit der „Mütterrente“ und der „Hochzucht des Menschengeschlechts“ keinerlei Menschenzüchtungsideen und keine Kontrollen der Sexualität verbunden, sondern ‚nur’ die Vorstellung einer Selbsterziehung und Selbstvervollkommnung von Individuen zu „höherem Menschentum“ - besonders in charakterlicher und kultureller Hinsicht.[91] In einem Vortrag „Der Aufstieg des Abendlandes“, der sich 1923 während der großen Inflation gegen Oswald Spenglers Untergangsprophezeiungen richtete, wiederholte Gesell seinen Vorschlag, die Mütter durch eine „Mütterrente“ von den erwerbstätigen Vätern wirtschaftlich unabhängig zu machen. Er befürwortete auch die Freiheit der Frauen, unglückliche Ehen aufzulösen und sich neu zu binden, sowie ihre „Freiheit, auf die Mutterschaft vollkommen zu verzichten“. Gleichwohl blieb er in den konservativen Vorstellungen einer den Frauen „von Natur zufallenden Rolle“ gefangen und betrachtete ihre „Zuchtmoral“ unter dem Einfluss der materialistischen Philosophie des Monismus sogar als etwas „Triebmäßiges“.[92]

Im weiteren Verlauf der 1920er Jahre verteidigte Gesell die individuelle Freiheit der Liebe und der Wahl des (Ehe-)Partners gegen Machtansprüche von Kirche und Staat und deren Bestreben, von außen mit moralischen und gesetzlichen Vorschriften in das Fortpflanzungsverhalten einzugreifen. So kritisierte er den sozialdemokratischen (!) Medizinalrat Dr. Gerhard Boeters, der in der Zeitschrift „Volksgesundheit“, dem Organ sozialistischer Lebensreformer, eine Eindämmung des „Schlammstroms der geistigen und moralischen Minderwertigkeit“ und „eine Verhütung unwerten Lebens als vorbeugende Fürsorge“ verlangte.[93] Gesell wandte sich gegen Boeters’ Diskriminierung „angeblich minderwertiger“, weil nichtehelicher Kinder und verurteilte dessen Pläne, Frauen mit mehr als zwei nichtehelichen Kindern zu sterilisieren, als „staatliche Pfuscherei“ und einen „ungeheuerlichen Plan. … Sobald die Wissenschaft etwas mehr Licht hinter die Vererbungsgesetze gestreut haben wird, werden ganz bestimmt die Bürokraten mit ihren Forderungen hervortreten. … Die Menschheit braucht keine staatlichen Eingriffe, um sich von allem Ungesunden zu befreien.“ Stattdessen „gebe man den Müttern die Erde wieder“[94] - und zwar in Form der „Mütterrente“, die die Unterhaltskosten der Kinder deckt, aber nicht übersteigt, um das Fortpflanzungsverhalten nicht zu beeinflussen und Frauen nicht zum Gebären zu instrumentalisieren. Bei der „Mütterrente“ hatte Gesell weder bevölkerungspolitische noch rassistische Hintergedanken, denn „keine Mutter, einerlei woher sie kommt, kann von diesen Bezügen ausgeschlossen werden.“[95]

4.4  Weitere Unterschiede zwischen der „Natürlichen Wirtschaftsordnung“ und den konservativ-reaktionären Varianten des Sozialdarwinismus

Bevor Gründe für eine Auflösung der Verbindung der Geld- und Bodenreform mit der Evolutionstheorie dargelegt werden, sollen zunächst noch weitere Unterschiede zwischen Gesells liberaler Variante des Sozialdarwinismus und dem „Sozialdarwinismus des Status quo“ (Koch) und dessen nationalistisch-rassistisch-antisemitischer Steigerung im Nationalsozialismus verdeutlicht werden. Während er mit dem „linken Sozialdarwinismus“ (Koch) den Grundsatz der sozialen Gleichheit aller Menschen teilte, sich auch selbst als „linken Flügelmann der Parteien“ sah[96] und den Kapitalismus mit liberalen statt mit links wie rechts beliebten antiliberalen Mitteln verwirklichen wollte, widersprach er dem vom konservativ-reaktionären Sozialdarwinismus vertretenenen „Ungleichheits- und Ungleichwertigkeitsdogma“ und leistete auch der nationalsozialistischen Tyrannei keinen Vorschub.

Die gleichwohl höchst problematische Rede vom „Wertvolleren“ und „Minderwertigen“ bezog sich bei Gesell nicht auf Völker und Rassen. Schon vor dem Ersten Weltkrieg hatte er sich von „rassenzüchterischen Irrlehren“ distanziert, ohne sich detaillierter mit den Rassen(hygiene)theorien von Gobineau und Chamberlain auseinanderzusetzen. Auch im Vorwort zur 3. Auflage seiner „Natürlichen Wirtschaftsordnung“ (1919) warnte Gesell vor Eingriffen der „irrenden Vernunft des Menschen“ in die Natur. Und 1924 kritisierte er die USA wegen ihrer in der Monroe-Doktrin festgelegten Politik der restriktiven Einwanderungsbeschränkungen: „Wer aber weiß, was es bedeutet, wenn man einen Menschen in seinen Rasseeigenschaften beanstandet, der hat eine Ahnung von dem, wie tief dieser Mensch sich verletzt fühlen muss. Diese Verletzung schmerzt mehr als eine individuelle Verletzung. Wer das weiß, der sieht am blutroten Horizont die Konturen des entsetzlichsten Dramas aufsteigen, das sich auf dem Erdball abgespielt hat, den Zusammenprall der Rassen.“[97]

Trotz seiner höchst bedenklichen Äußerungen aus den Anfängen seiner Beeinflussung durch die Evolutionstheorie meinte Gesell mit den „Minderwertigen“ auch nicht Kranke, Behinderte und Schwache. Während Darwin es noch als „äußerst nachteilig für die Rasse“ erachtet hatte, dass „wir zivilisierten Menschen … Heime für Idioten, Krüppel und Kranke erbauen … und dass auch die schwachen Individuen der zivilisierten Völker ihre Art fortpflanzen“ - er war allerdings der Ansicht, dass „wir uns mit den ohne Zweifel nachteiligen Folgen der Erhaltung und Vermehrung der Schwachen abfinden müssen“[98] - , forderte Gesell unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg, „den sozialen Geist nicht den Rücksichten auf das Vermögen zu opfern“. Mit einer gestaffelten, bis zu 75%igen Vermögensabgabe wollte er anstelle einer großen Inflation die durch den Krieg zerrütteten Staatsfinanzen neu ordnen und dabei auch „die Kriegsverletzten wirtschaftlich den Unverletzten gleichstellen und sie mit einem Schmerzensgeld ausstatten“. Statt die 1918 abgedankten deutschen Fürstenhäuser zu entschädigen, forderte Gesell Entschädigungen für die Kriegsbeschädigten, die „wir unseren verbrecherischen nationalistischen Plänen opferten“.[99]

Wenn parallel zu einem solchen Umgang mit den Kriegsfolgen im Rahmen einer Beseitigung aller wirtschaftlichen Privilegien eine „natürliche Auslese“ an die Stelle der „kapitalistische Auslese“ trete, „können wir uns dem menschlich-christlichen Empfinden, das zur Anwendung der ärztlichen Kunst treibt, unbesorgt weiter hingeben.“[100] Damit unterschied sich Gesell trotz seines inakzeptablen Denkens in den Bahnen der „Auslese“ von der damaligen Ökonomie, in die zu jener Zeit der Begriff „Menschenökonomie“ Einzug hielt. Als angesichts knapper Staatsfinanzen in der Öffentlichkeit die Sorge aufkam, dass der Unterhalt von Kranken und Behinderten für den Staat und die Gesellschaft ‚zu teuer’ werden könnte, begann die „Menschenökonomie“ allen Ernstes, die Kosten und den Nutzen von Behinderten und Kranken zu kalkulieren. Sogar in der sozialistischen Frauenbewegung fand die „Menschenökonomie“ ein positives Echo.[101] Auch die Kriminalität betrachtete Gesell nebenbei bemerkt im Gegensatz zum damaligen Zeitgeist nicht als erblich bedingtes Fehlverhalten, sondern als Folge ungerechter Strukturen der Wirtschaft. Die Todesstrafe für Schwerkriminelle lehnte er deshalb als Ausdrucksform der „Klassenjustiz“ ab.[102]

Als tatsächlich „minderwertig“ galten ihm die durch den Gegensatz von Reichtum und Armut, d.h. die gesellschaftlich bedingten charakterlichen Verformungen von Menschen „namentlich in geistiger Beziehung“: Machtstreben, Selbstsucht, Habgier, Geiz und Neid sowie Untertanengeist, „Kadavergehorsam“ gegenüber Obrigkeiten, Gewalttätigkeit, Demagogie und Lügen. Für besonders „minderwertig“ hielt er unter dem Einfluss der damaligen Lebensreformbewegung den Genuss von Alkohol und Tabak sowie „andere Laster“. Demgegenüber sollte die „Wiederherstellung der natürlichen Auslese“ durch Ausschaltung wirtschaftlicher Privilegien einen „Weg zur Veredelung der Sitten“ ebnen. Zum „Wertvolleren“ zählte Gesell „Selbstverantwortung, Wahrhaftigkeit, Gemeinsinn und Opferfreudigkeit“.[103]

Trotz seiner Sympathien für Nietzsches „Zarathustra“ hatten seine Vorstellungen von einer „Hochzucht des Menschengeschlechts“ auch nichts mit einer Einteilung der Menschen in verschiedenwertige „Über- und Untermenschen“ zu tun. Stattdessen sollte die Geld- und Bodenreform die bisherige hierarchische Über- und Unterordnung von Kapitalisten und Proletariern einschließlich des Lohnarbeitsverhältnisses aufheben und den Übergang in eine egalitäre Bürgergesellschaft mit einem einzigen, in sich homogenen Dritten Stand einleiten, in der alle Menschen ihren nicht mehr durch Bodenrenten und Kapitalzinsen geschmälerten vollen Arbeitsertrag erhalten. Durch die „Rückverwandlung der Proletarier in Eigentümer der Produktionsmittel“ werden sie als „Vollbürger“ zu wirtschaftlich unabhängigen „Freien und Gleichen“ und kommen in die Lage, sich entweder allein oder in Zusammenschlüssen selbstständige Existenzen aufzubauen.[104]

Schließlich bestanden gravierende Unterschiede hinsichtlich der Frage nach den Ursachen des Aufstiegs und Niedergangs der Kulturen zwischen Gesells liberaler Variante des Sozialdarwinismus und dessen konservativ-reaktionären Varianten. Während Darwin immerhin die Rolle der wirtschaftlichen Arbeitsteilung beim Emporkommen „zivilisierter Völker“ aus dem „dunklen“ Entwicklungsstadium der sog. „Wilden“ und der „tiefsten Barbarei“ ahnte, aber letztlich dafür auch keine andere Erklärung als eine steigende Bevölkerungsdichte hatte[105], hatten Gobineau und Chamberlain gar geglaubt, dass höhere Kulturen aufgrund von Rassenmischungen abgestorben seien - ähnlich wie einzelne Lebewesen, die an einer Blutvergiftung sterben können.[106] Für Gesell gab es dagegen keine biologischen, sondern nur ökonomische Gründe für den Aufstieg und Niedergang von Kulturen: „Das zu Geld gewordene Gold war eine Leiter, die es dem Urmenschen gestattete, aus seiner Höhle auf lichtere Höhen des Menschentums zu steigen. Doch es war eine schadhafte Leiter und eine schadhafte Leiter wird umso gefährlicher, je höher man damit steigt. … Es ist heute noch vielen vollkommen rätselhaft, wie fabelhaft schnell die alten Kulturvölker die höchsten Höhen des Menschentums erklommen haben. Man staunt über das, was die Griechen, Römer und ältere Völker vor ihnen in oft verblüffend kurzen Zeiträumen geleistet haben. Dieses Rätsel löst das Geld und die damit ermöglichte Arbeitsteilung. … Das Geld ist die Grundmauer der Kultur. Diese alles überragende Bedeutung des Geldes sagt uns aber auch, was es bedeuten würde, wenn diese Grundmauer einmal versagte. Alles, was darauf gebaut wurde, stürzt dann wieder in sich zusammen. Und tatsächlich sanken auch die alten Kulturvölker in das Nichts zurück, als das Geld verschwand.“ An anderer Stelle betonte Gesell in einer Kritik an Oswald Spenglers „Untergang des Abendlandes“ nochmals, dass es sich beim Aufstieg und Niedergang der Kulturen „nicht um einen organischen Vorgang handelte“. Stattdessen verwies er auf die „gesellschaftliche Struktur“ als Grund dafür, dass aufgestiegene Kulturen ihr Dasein nicht auf hohem Niveau stabilisieren konnten, sondern an der „Klassenspaltung“ zerbrachen und wieder in die wirtschaftliche und politische Barbarei zurückfielen. Das kapitalistische Bodenrecht und Geldwesen bilden die „Gussform, innerhalb derer wir uns seit 6000 Jahren entwickeln. Und Krieg, Mord und Raub sind die Notausgänge aus dieser Form. Alle Kriege, alle Empörungen und Revolutionen haben bisher nicht vermocht, diese Form zu sprengen.“[107] In einer Geld- und Bodenreform sah Gesell eine Möglichkeit, die Wirtschaft so zu stabilisieren, dass sie nicht wieder in Krisen und Katastrophen abstürzt, sondern sowohl in einzelnen Ländern als auch weltweit zu einem dauerhaften Fundament des Friedens und der kulturellen Entfaltung für alle Menschen werden kann.

5  Und dennoch: Plädoyer für eine Lösung der Geld- und Bodenreform von Evolutionstheorie und Sozialdarwinismus

Die von Darwin übernommenen Begriffe „Fehlzucht“, „Minderwertiges“, „natürliche Zuchtwahl“ und „Hochzucht“ wecken zwangsläufig den Eindruck, dass Gesell die Evolutionstheorie für die Rechtfertigung des ‚Rechts’ von vermeintlich ‚Stärkeren’ gegenüber ‚Schwächeren’ - Individuen wie Völkern und Rassen - instrumentalisiert haben könnte. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass diese Begrifflichkeiten bei der Lektüre von Gesells Werken häufig zu Irritationen und Missdeutungen geführt haben.

Angesichts der Komplexität des Sozialdarwinismus als solchem und der gegen seine konservativ-reaktionären Varianten gerichteten Ziele Gesells ist es jedoch trotz einer nicht bestreitbaren Verrohung seiner Sprache nicht gerechtfertigt, ihn undifferenziert als ‚Sozialdarwinisten’ oder gar geistigen Brandstifter zu diffamieren, der der nationalsozialistischen Barbarei Vorschub geleistet hätte.[108] Deshalb sollte sich auch für ihn nachträglich die Hoffnung erfüllen, die schon Darwin für seine Evolutionslehre hatte: dass nämlich „die Macht fortwährender Missdeutung groß, aber nicht von Dauer ist.“[109] Tatsächlich wollte Gesell mit seiner liberalen Variante des Sozialdarwinismus soziale Ungleichheiten gerade nicht biologisch herleiten und rechtfertigen, sondern sie überwinden und gleichsam einer historisch verspäteten Verwirklichung der Ideale der Französischen Revolution in einer nachkapitalistischen Bürgergesellschaft den Weg ebnen. Mit Hilfe der Geld- und Bodenreform sollte die gesellschaftliche Spaltung in Kapitalisten und Proletarier überwunden werden und ausnahmslos alleMenschen sollten als gleichberechtigte und gleichwertige Bürger die Möglichkeit bekommen, sich ohne staatliche Zwangsmaßnahmen allein durch ihre freiwillige Selbsterziehung ‚höher’zu entwickeln.

Dass Gesell sich dabei eine Unterstützung von Seiten der Evolutionstheorie erhoffte, lässt sich aus dem damaligen Zeitgeist und auch aus seinem persönlichen Konflikt mit der christlichen Religion verstehen. Die Unüberbrückbarkeit der Gegensätze zwischen seiner liberalen Variante des Sozialdarwinismus und dessen konservativ-reaktionären Varianten sollte jedoch nicht dazu verleiten, die sozialdarwinistischen Tendenzen bei Gesell weiterhin zu verharmlosen. Auch in seiner liberalen Variante des Sozialdarwinismus gibt es eine Reihe von Widersprüchen zwischen der Geld- und Bodenreform und der ihr nachträglich aufgepfropften Verbindung mit der Evolutionstheorie, die von der späteren Geld- und Bodenreformbewegung noch nicht ausreichend gründlich aufgearbeitet wurden.[110]

5.1  Übersehener Widerspruch zwischen dem „Kampf ums Dasein“ und dem „freien Spiel der wirtschaftlichen Kräfte“

Als erstes stellt sich die Frage, ob und an welcher Stelle Gesell selbst schon die Unverträglichkeit seiner Geld- und Bodenreform mit der Evolutionstheorie hätte erkennen können. Es gibt einen solchen neuralgischen Punkt in Darwins „Entstehung der Arten“, der ihm hätte auffallen können, und zwar die Fundierung der ansonsten zweifellos richtigen Abstammungslehre durch die zweifelhafte Bevölkerungstheorie von Malthus.

Ähnlich wie der von ihm hoch geschätzte Henry George oder der Bodenreformer Franz Oppenheimer lehnte auch Gesell die Bevölkerungstheorie von Malthus ab, weil sie die Verteilungsproblematik völlig ausblendete und keine überzeugende Krisenerklärung bot. Stattdessen schützte sie die Interessen der Oberschichten, indem sie die Fortpflanzung zur sündhaften „verbotenen Frucht“ erklärte und insbesondere von den Armen sexuelle Enthaltsamkeit verlangte. Auf diese Weise wollte Malthus das auf die Löhne drückende Überangebot an Arbeitskräften verringern und das Bevölkerungswachstum entsprechend den begrenzten Möglichkeiten der Nahrungsmittelproduktion drosseln.[111]

Allerdings dürfte sich Gesell nicht so gründlich mit Malthus’ Theorie auseinandergesetzt haben wie George und Oppenheimer, denn sonst hätte ihm bei der Lektüre von Darwins „Entstehung der Arten“ auffallen müssen, dass in dessen Evolutionstheorie eine falsche ökonomische Theorie eingeflossen war. Ohne Malthus’ Behauptung eines die Nahrungsmittelvorräte der Erde übersteigenden Bevölkerungswachstums hätte die Selektionstheorie möglicherweise Darwins Abstammungslehre nicht so stark mitgeprägt und die Evolutionslehre wäre dann vielleicht nicht mit der Vorstellung eines unbarmherzig selektierenden „Kampfes ums Dasein“ auf das gesellschaftliche Zusammenleben der Menschen übertragen worden. Wenn Gesell sich eingehender mit Malthus’ Bevölkerungstheorie auseinander gesetzt und sie als Schwachstelle im Fundament der Evolutionstheorie erkannt hätte, dann hätte ihm bewusst werden können, dass ein mit Hilfe der Geld- und Bodenreform von kapitalistischen Privilegien befreiter wirtschaftlicher Wettbewerb im Gegensatz zur bestehenden kapitalistischen Marktwirtschaft nichts mehr mit einem selektiven „Kampf ums Dasein“ zu tun hätte. Im Gegenteil - die Bodenreform würde jedem Menschen das unveräußerliche Grundrecht auf einen gleichen Zutritt zu den natürlichen Grundlagen des Lebens verschaffen und die Geldreform würde alle Menschen in ein Netz von ausgeglichenen Tausch- und Kreditbeziehungen integrieren. Jeder Mensch wäre darin aufgehoben und niemand bräuchte mehr um sein Dasein zu kämpfen, sondern der von monopolistischen Privilegien befreite Wettbewerb würde nur noch dezentral steuern, wo die einzelnen Menschen innerhalb der nachkapitalistischen Gesellschaft ihre jeweiligen Plätze finden.

Gesell war jedoch noch so sehr in der den Geist seiner Zeit bestimmenden Vorstellung vom „Kampf ums Dasein“ gefangen, dass er den großen qualitativen Unterschied zwischen diesem „Kampf ums Dasein“ und einem tatsächlich „freien Spiel“ gleich starker wirtschaftlicher Kräfte, für das er mit der Geld- und Bodenreform die Voraussetzungen schaffen wollte, nicht wahrnahm. So verfing er sich in einer widersprüchlichen Beschreibung des von Monopolen befreiten „Spiels der Kräfte“ mit den Begriffen des „Kampfes ums Dasein“, die noch die Realität des Kapitalismus widerspiegeln und dem „freien Spiel der gleich starken Kräfte“ nicht angemessen sind.

5.2  Fragwürdige Aufteilung des Lebens in eine vom Egoismus gesteuerte Wirtschaft und in vom Altruismus bestimmte andere Lebensbereiche

Aufgrund der von Darwin übernommenen malthusianischen „Kampf“-Prämisse blieb Gesells Zukunftsbild einer nachkapitalistischen „natürlichen Auslese“ bei aller Chancengleichheit und Friedlichkeit außerdem in der zweifelhaften Vorstellung von rivalisierenden egoistischen Individuen befangen: „Soll sich der Mensch seiner Natur entsprechend gebärden dürfen, so müssen ihn Recht, Sitte und Religion in Schutz nehmen, wenn er bei seinem wirtschaftlichen Tun dem berechtigten Eigennutz, dem Ausdruck des naturgegebenen Selbsterhaltungstriebes, nachgeht. … Die natürliche Wirtschaftsordnung wird darum auf dem Eigennutz aufgebaut sein. … Der Volkswirtschaftler, der mit dem Eigennutz rechnet und auf ihn baut, rechnet richtig und baut feste Burgen. Die religiösen Forderungen des Christentums dürfen wir darum nicht auf die Wirtschaft übertragen; sie versagen hier und schaffen nur Heuchler.“[112]

In einer Hinsicht war diese Rechtfertigung des Egoismus durchaus nicht falsch. Im Hinblick auf die Jahrhunderte lang von den Kirchen gehaltenen Moralpredigten und auch auf die kommunistische Diktatur in Russland wollte Gesell nämlich die Menschen davor schützen, sich von Kirchen und Staaten im Interesse von deren Machterweiterung zum Altruismus umerziehen zu lassen: „In der Regel liefen die Mittel der Propheten darauf hinaus, vom Menschen eine ‚Besserung’ seiner Natur zu fordern. Man stellte an ihn sogenannte ‚moralische’ Forderungen. Damit begann die Herrschaft der Pfuscher. Der Staat, die Kirche, die Philosophen überschütteten die armen Menschen mit tausend Gesetzen. Du musst, du sollst. Dies ist erlaubt, das ist verboten. So entstand denn der unsichere Tropf, dem man auf tausend Schritte ansieht, dass er nicht sich selbst, sondern fremden Wesen gehorcht.“[113] In ähnlicher Weise befürchtete Gesell, dass im bürokratisierten Kommunismus „die Staatsschablone den Menschen formt“. Allerdings respektierte er durchaus kleine Gruppen von Menschen, die sich auf freiwilliger Basis zu kommunistischen Güter- und Lohngemeinschaften zusammenschlossen.[114]

Andererseits enthielt Gesells Vorstellung von der egoistischen „Natur des Menschen“, an die die Wirtschaftsordnung anzupassen sei, auch einen großen Irrtum. Nach Art früherer kirchlicher Zwei-Reiche-Lehren oder medizinischer Trennungen von Körper, Seele und Geist teilte er nämlich das gesellschaftliche Leben auf in den einen Bereich der vom Egoismus bestimmten Wirtschaft und in die anderen sozialen und kulturellen Bereiche, in denen sich altruistische Verhaltensweisen entfalten könnten. Zwar legte Gesell Wert darauf, „dass Eigennutz nicht mit Selbstsucht verwechselt werden darf“. Aber als Ausfluss der darwinistisch-malthusianischen „Kampf“-Prämisse befürwortete er, dass gewinnorientierte Unternehmer „geradeaus auf ihr Ziel lossteuern, ohne sich in ihrer Tatkraft durch Rücksichten ankränkeln zu lassen, die nicht zur Wirtschaft gehören und denen sie außerhalb ihrer immer noch genug Frondienste leisten können.“ Der volle Arbeitsertrag „liefert dem Menschen nicht nur die Gelegenheit zu uneigennützigen Taten, sondern auch die Mittel dazu“, zum Beispiel die Mittel für eine häusliche Krankenpflege. „Zarte und wertvolle Triebe verkümmern, wo jeder seinen in Not geratenen Freund an die Versicherungsgesellschaft verweist, wo man die kranken Familienangehörigen ins Siechenhaus schickt, wo der Staat jede persönliche Hilfsleistung überflüssig macht.“[115]

Demgegenüber würde eine gerechte Einkommens- und Vermögensverteilung sowohl den Unternehmern als auch den Arbeitnehmern, deren Verhältnis sich nach einer Geld- und Bodenreform ohnehin grundlegend wandeln würde, gleichermaßen den finanziellen Spielraum eröffnen, ihrem ihnen von Gesell durchaus zugestandenen „sozialen Richtsinn“ zu folgen und „Gemeinsinn und Opferfreudigkeit“ zu üben - und zwar nicht nur außerhalb der Wirtschaft, sondern auch in ihr. Es mag sein, dass „die geistigen Bedürfnisse dort beginnen, wo die körperlichen befriedigt sind“, wie Gesell schrieb. Aber es trifft nicht zu, dass „die wirtschaftlichen Arbeiten die körperlichen Bedürfnisse befriedigen sollen“. Ebenso sind mit ihr seelische und geistige Bedürfnisse verbunden. Deshalb hieße es keineswegs „die Reihenfolge auf den Kopf zu stellen, wollte man die Arbeit mit einem Gebet oder Gedicht beginnen.“[116] Im Sinne der Unteilbarkeit allen Lebens sind Wirtschaft, Soziales und Kultur untrennbar miteinander verwoben. Und gerade wenn der wirtschaftliche Wettbewerb erst einmal von Privilegien und Macht befreit und auf eine für alle gerechte Grundlage gestellt wird, eröffnen sich vielfältige Möglichkeiten, in der Wirtschaft ebenso wie in sozialen und kulturellen Bereichen eigennützige und gemeinnützige Verhaltensweisen miteinander zu verbinden. Wettbewerb und Kooperation können sich dann ergänzen.

5.3  Von der Überbewertung der Leistungen von „Tüchtigen“ zur Fehldeutung der „natürlichen Wirtschaftsordnung“ als neuer privilegienfreier Form einer Aristokratie

Aus heutiger Sicht lässt sich auch bemängeln, dass Gesell weder den modernen Fortschrittsoptimismus noch seine Schattenseite in Form der Befürchtung einer allgemeinen Degeneration als problematisch erkannt hat. Immerhin distanzierte er sich deutlich von jeglichem rassenbiologischen Kulturpessimismus.

Ein Fehler war es auch, die Vorstellungen vom „Überleben der Tüchtigsten im Kampf ums Dasein“ zu übernehmen und der Vererbbarkeit der dabei erworbenen Eigenschaften eine so hohe Bedeutung beizumessen. Auch unter den Bedingungen eines monopolfreien Wettbewerbs haftet Gesells Fixierung auf die Entfaltung der sog. „Tüchtigen“ noch immer eine einseitige Betonung des Leistungsprinzips an. Sie drängt die bedeutsamere Tatsache in den Hintergrund, dass das Leben ein unverdientes Geschenk an alle Menschen unabhängig von ihrer Leistungsfähigkeit ist und dass nicht nur wirtschaftliche Leistungen für die Würde und den Sinn des Lebens ausschlaggebend sind. Abgesehen davon verfügen nicht nur ‚kerngesunde und kraftstrotzende’ Menschen über Leistungsfähigkeit und „Tüchtigkeit“, sondern sehr wohl auch Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen und Behinderungen. Waren etwa der taube Beethoven oder der durch seine Armut krank gewordene van Gogh und viele andere nicht auch „tüchtig“?[117] Und noch zahlreicheren anderen gehandicapten Menschen mit weniger berühmten oder gar keinen Leistungen gebührt nicht weniger die Anerkennung ihrer Würde.

Ähnlich wie in seinem Aufsatz aus dem Jahr 1913, in dem Gesell die Kreuzigung Jesu sowie die Ermordung von Hus und die Verfolgungen der Hexen, der Demokraten von 1848 und späterer Sozialdemokraten und Anarchisten beklagt hatte, wiederholte er im Vorwort zur dritten Auflage seines Hauptwerks, dass „die Menschheit keine Vorteile davon hat, wenn die Besten immer gekreuzigt werden. Die Hochzucht verlangt eher das umgekehrte Verfahren. Die Besten müssen gefördert werden.“ Nur die „Besten“ und die „Tüchtigsten“? Im Gegensatz zu nur willkürlich definierbaren Eliten verdienen alle Menschen gleiche Chancen, damit sämtliche in ihnen „schlummernden unermesslichen Schätze“ zur Entfaltung gelangen können.[118]

Im Nachhinein erscheint es als sehr bedauerlich, dass Gesell in der damaligen Zeit der weit verbreiteten „Beliebtheit des Darwinismus als politischer Berufungsinstanz“ (Vogt[119]) solche Unstimmigkeiten zwischen seiner Geld- und Bodenreform und der Evolutionstheorie nicht wahrnahm und dass er die generelle Unzulässigkeit der Übertragung der Evolutionstheorie auf die menschliche Gesellschaft nicht erkannte. Vermutlich entging ihm, dass Darwin - der seine Einsichten in die Evolution vielfach aus Beobachtungen bei der Tierzucht(!) gewonnen hatte - sich selbst im Gegensatz zu Haeckel keineswegs sicher war, ob sich die ‚natürliche Zuchtwahl’ wirklich von der Pflanzen- und Tierwelt auf die Menschenwelt übertragen ließ.[120]

Das naturalisierte, die menschliche Gesellschaft auf Triebe und auf historische Gesetzmäßigkeiten reduzierende Denken widerspricht der ansonsten von Gesell gewahrten Achtung vor der persönlichen Freiheit, Würde und Verantwortung des menschlichen Individuums, das sich als ein mit Vernunft und Gewissen begabtes Wesenvon der übrigen Natur unterscheidet. Somit erweist sich auch die Bezeichnung „natürliche Wirtschaftsordnung“ für eine vom Kapitalismus befreite Marktwirtschaft als unpassend, weil die Herstellung ihres geld- und bodenreformerischen Ordnungsrahmens eine - wie es Gesell selbst im Vorwort zur 3. Auflage der NWO zum Ausdruck brachte - „bewusste und gewollte Tat“ und damit gerade nichts Natürliches wäre, sondern eine von moralischem Empfinden und Verantwortungsbewusstsein getragene menschliche Kulturleistung.[121]

An jener Stelle im Vorwort zur 3. Auflage der NWO, an der Gesell - möglicherweise unter dem Einfluss von Haeckels aristokratischem Denken - schrieb, dass in einer „natürlichen Wirtschaftsordnung, wo jedes Vorrecht aufgehoben ist, dem Tüchtigsten die Führung zufällt“[122], kam Gesell schließlich noch der Gefahr nahe, seinen Grundsatz der Freiheit und Gleichheit aller Menschen in einer nachkapitalistischen Bürgergesellschaft zu durchbrechen, indem er den „Tüchtigsten“ eine nicht näher definierte Führungsrolle zubilligte. Tatsächlich näherte er sich am Ende seines Lebens der befremdlichen Ansicht, wonach die Physiokratie bzw. natürliche Wirtschaftsordnung einer nicht auf Privilegien begründeten Aristokratie gleichkäme.[123] Eine solche Denkweise könnte - wie die Philosophin Hannah Arendt später anhand von Darwins und Marx’ Argumentationen mit natürlichen und gesellschaftlichen Gesetzmäßigkeiten gezeigt hat[124] - sehr leicht in totalitäre Sackgassen führen.

5.4  Ungelöst gebliebene Widersprüche in Gesells Menschenbild und in seiner Anhängerschaft vor 1933 bzw. 1945

Bis an sein Lebensende (1930) blieb Gesell tief gespalten zwischen den Überresten seiner frühen christlichen Prägung und den diese überlagernden Einflüssen der individualanarchistischen Philosophie von Max Stirner, der Gott-ist-tot-Philosophie von Friedrich Nietzsche sowie der gleichermaßen materialistischen Evolutionslehre von Charles Darwin und dem Monismus von Ernst Haeckel. Diese nicht zur Auflösung gekommene innere Widersprüchlichkeit wurde mehrfach sichtbar, wenn inmitten von Gesells liberalem Sozialdarwinismus plötzlich Spuren seiner frühen christlichen Prägung zum Vorschein kamen wie zum Beispiel in seinem 1916 entstandenen Aufsatz „Ist der Bürger- und Völkerfrieden vereinbar mit der Goldwährung?“, der in die 3. Auflage der NWO eingearbeitet wurde. Während Gesell im Vorwort geschrieben hatte, dass die Forderungen des Christentums nicht auf die Wirtschaft übertragen werden dürften, lautete der Tenor dieses Aufsatzes ganz anders. Ähnlich wie in seiner Frühschrift, in der die Entstehung des kapitalistischen Geldes mit dem Sündenfall in Verbindung gebracht wurde, erscheint darin das zu jener Zeit aus Gold hergestellte Geld als Ursache jener „wirtschaftlichen Zustände, die der Begründung des Reiches Gottes auf Erden entgegenstehen. Neben dem Gold kann das Christentum in der Menschenfamilie nicht Fuß fassen. Das Christentum ist recht wohl mit der Arbeitsteilung und einem stolzen, freien, wohlhabenden Menschentum vereinbar. Ist aber diese Arbeitsteilung auf Gold gegründet, so muss das Christentum den Platz räumen. Christentum und Zins sind glatte Widersprüche. Aber … Gold und Zins, das passt zusammen.“[125]

Diese innere Zerrissenheit steigerte sich schließlich in Gesells wenig bekannt gewordener Spätschrift „Der abgebaute Staat“ bis ins Extrem. Darin betrachtete er einerseits „nur die Liebe als Fundament des Zukunftsstaates, die aus dem Glauben an Gott erwächst, die unendliche Liebe zum Menschen aller Sprachen, aller Staaten, aller Farben - die große Liebe, die keinen Sinn hat für Macht, Militär, Gewalt, Zölle, Monopole, Monarchie und Parteistandpunkte.“[126] Andererseits führte ihn sein naturalisiertes Denken in dieser Spätschrift zu der absurden Vorstellung, dass Konflikte in einem völlig entstaatlichten Leben wie im Wilden Westen durch ein Faustrecht geregelt werden könnten. Schockiert und mit hilfloser Sprachlosigkeit verdrängten Gesells Anhänger den „Abgebauten Staat“. Nur ganz wenige wie Karl Walker hatten den Mut zur offenen Kritik.[127]

Das religiös-philosophische Chaos in Gesell wirkte auch als Spaltpilz innerhalb seiner Anhängerschaft weiter. Im proletarisch orientierten „Fysiokratischen Kampfbund“ organisierten sich Geld- und Bodenreformer, die sich an der individualanarchistischen Philosophie von Max Stirner orientierten. Die Mitglieder des bürgerlichen „Freiwirtschaftsbundes“ verpflichteten sich einerseits zu einer strikten weltanschaulichen Neutralität, um für Menschen aller Religionen, Herkünfte und Hautfarben offen zu sein; andererseits gingen sie darüber hinweg, dass die Geld- und Bodenreform in Verbindung mit Darwins Evolutionstheorie keineswegs weltanschaulich neutral war. Dies spürten vor allem christlich orientierte Anhänger, die sich in Deutschland um Benedikt Uhlemayr, in der Schweiz um den reformierten Theologen Eduard Burri und in Österreich um den katholischen Theologieprofessor Johannes Ude sammelten. Ude war schon in den frühen 1920er Jahren dem Haeckelschen Monismus entgegengetreten, ohne die „große Tragweite der Naturwissenschaften“ in Abrede zu stellen. „Bibel und Naturwissenschaften stehen in keinem Widerspruch.“[128] In den wenigen Jahren bis 1933 vermochten Ude, Uhlemayr und Burri allerdings keine eigene Organisation mehr zu bilden.

Während der NS-Diktatur erkaufte sich Otto Lautenbach mit äußerst bedenklichen Zugeständnissen an das Regime wie zum Beispiel der Akzeptanz des die Bodenreform antisemitisch pervertierenden Reichserbhofgesetzes als „gesunde Bevölkerungspolitik“ die Erlaubnis zur Herausgabe einer wirtschaftspolitischen Zeitschrift „Schule der Freiheit“. In deren „Almanach 1937“ stellte Johannes Schumann „Kräftiges und Gesundes“ und „Minderwertiges und Untermenschliches“ einander gegenüber und bezeichnete es als wünschenswert, „dass die Menschen dem Guten, Schönen und Wahren immer näher kommen“. Damit geriet Schumann in die Nähe der Missachtung von sog. „unwertem Leben“. Aber er trat nicht für dessen „Ausmerzung“ durch Zwangssterilisierung und Euthanasie ein, sondern beließ es bei der Forderung, die „kapitalistischen Wirtschaftsverhältnisse“ zu ändern, die eine „Höherentwicklung des Menschen verhindern“. Im Übrigen vertrat die „Schule der Freiheit“ keinen klaren Kurs. Auf einen offen rassistischen Aufsatz über die „Auslese des Menschen in der Kultur“ folgte eine seriöse Kritik am Materialismus der Naturwissenschaften.[129]

5.5  Nach 1945: Der allzu lange versäumte Abschied der Geld- und Bodenreform vom Sozialdarwinismus und ihre Suche nach einem neuen Menschenbild

Nach dem Ende des menschenverachtenden NS-Regimes und des Zweiten Weltkriegs setzte innerhalb der Geld- und Bodenreformbewegung im Zuge ihrer Neuorganisation auch eine Suche nach einem tragfähigen Menschenbild ein. Sie fand zunächst in der ab 1946 erschienenen Zeitschrift „Die Gefährten – Monatsschrift für Erkenntnis und Tat“ statt, die Anfang 1950 eingestellt werden musste. Den von Gesell hinterlassenen Widersprüchen entsprechend und gemäß der durch Diktatur und Krieg eingetretenen geistigen Zerrüttung Deutschlands verlief die Suche nach einem neuen Menschenbild in widersprüchlichen Bahnen und führte zu einem Nebeneinander der verschiedensten geistigen Strömungen. Es erfolgte eine Hinwendung sowohl zu fernöstlichen Weisheitslehren von Konfuzius und Laotse als auch in Anknüpfung an christliche Geld- und Bodenreformer aus der Zeit vor 1933 zu Annäherungen an ein herrschaftskritisches Verständnis des Christentums, wie es beim Religiösen Sozialismus und in Teilen der Christlichen Soziallehren anzutreffen war. Zu einer Identifikationsfigur wurde für zahlreiche Geld- und Bodenreformer auch Gandhi, dessen gewaltfreier Widerstand gegen die englische Kolonialherrschaft sowohl im Hinduismus als auch im Christentum verankert war. Außerdem lebte der Einfluss der individualanarchistischen Philosophie von Max Stirner, der Richard Batz als erster Redakteur der „Gefährten“ zugeneigt war, wieder auf. Und in Erinnerung an die Losung der Französischen Revolution trat Werner Zimmermann für die Brüderlichkeit als Leitbild der Wirtschaft ein.[130]

Am intensivsten bemühte sich Karl Walker um die Arbeit an einem neuen Menschenbild für die Geld- und Bodenreform, nachdem er von Batz die Redaktion der „Gefährten“ übernommen hatte. In einem Aufsatz über Gesells „Werk und Weltanschauung“ (1948) und in seinem Vorwort zur 9. Auflage der „Natürlichen Wirtschaftsordnung“ (1949) griff Walker mehr auf das vom ehemaligen katholischen Theologen Paulus Klüpfel verfasste ‚physiokratische’ Vorwort zur 2. Auflage (1916) als auf Gesells ‚darwinistisches’ Vorwort zur 3. Auflage zurück.[131] In „Werk und Weltanschauung“ ging es ihm darum, die Geld- und Bodenreform zunächst noch ohne offene Zurückweisung von Gesells Hang zur Evolutionstheorie auf die von Klüpfel vorgezeichnete Grundlage einer von Konfessionen unabhängigen Religiosität zu stellen, welche jeglichen naturwissenschaftlichen oder marxistischen Materialismus überwinden sollte. Nach Ansicht von Walker war Gesell „in eine Zeit hineingeraten, in der der Materialismus auf seinem Höhepunkt stand. … Aber das Denken Gesells kommt eben von einer anderen geistigen Grundlage her als das Denken der überwiegenden Zahl seiner Zeitgenossen.“ Deshalb müsse es aus den Einflüssen seiner Zeit wieder herausgeschält und „auf der geistigen Grundlage der alten Physiokraten“ erneuert werden. Statt vom Zufall werde das Leben vom „Geist als allgegenwärtiger gestaltender Urkraft“ bestimmt und es komme nunmehr darauf an, die wirtschaftliche Ordnung „mit jenen Ordnungsprinzipien in Übereinstimmung zu bringen, die in der großen kosmischen Ordnung walten“. In diesen Rückgriff auf die „natürliche Ordnung“ der französischen Physiokraten mischten sich bei Walker jedoch auch noch Elemente des darwinistischen Denkens, indem er die Ansicht vertrat, dass „Eigennutz, Lebenskampf und Wettbewerb sein soll“. Auch die Vorstellung einer „Höherentwicklung der Menschheit“ als Folge einer Integration der Wirtschaft in die „große kosmische Ordnung“ behielt er noch bei.[132]

Ein Jahrzehnt später ging Walker in seinem Buch „Geist und Weltgestaltung“ sowohl über das „ebenso brutale wie ernüchternd einfache Prinzip“ des Darwinismus als auch über die „erstarrten Bilder“ des Christentums hinaus. „Das Verhältnis des Menschen zum Transzendenten muss eine neue Basis erhalten. Vom Bewusstwerden der Wunder des Lebens ist es näher zu einer neuen Religiosität und einer verlässlichen Ethik als vom mechanistischen Weltbild her.“[133] Sowohl dem naturwissenschaftlichen als auch dem historisch-dialektischen Materialismus hielt Walker die Überzeugung entgegen, dass das „Mysterium der Lebensentfaltung“ nicht vom Zufall, sondern von einem zielstrebigen Geist gesteuert werde, welcher mehr auf sinnvolle Weiterentwicklung als auf bloße Anpassung ausgerichtet sei und auch nicht mit „göttlicher Willkür“ verwechselt werden dürfe.[134]

Unter dem Eindruck des Kalten Krieges kritisierte Walker sowohl den Materialismus des bolschewistischen Ostblocks als auch eine „weltanschauliche Schizophrenie“ des Westens. Während sich der Westen einerseits auf seine christlich-humanistischen Werte berufe, sei er andererseits selbst vom materialistischen Streben nach Reichtum und Macht durchdrungen. In der Konfrontation der Blöcke sei der Lauf der Welt von Seiten des Westens durch die „törichte Absicht, das Rentabilitätsprinzip des Kapitalismus auf Zeit und Ewigkeit zu erhalten“, blockiert. Aufgabe der Menschen im Westen seien deshalb eine „rückhaltlose Erneuerung der Freiheits-Idee“ und eine „Weltgestaltung“ im Sinne der Schaffung einer gerechten und friedlichen Ordnung der Gesellschaft, welche Walker allerdings - um sich vom mechanistischen Denken der Naturwissenschaften abzuheben - als eine „Ordnung des Organisch-Ganzheitlichen“ verstand.[135]

Mit seiner Suche nach einem religiös-humanistischen, konfessionell ungebundenen Menschenbild für die Geld- und Bodenreform geriet Walker allerdings zwischen alle Stühle. Als damals größter Teil der Geld- und Bodenreformbewegung glaubte die „Radikalsoziale Freiheitspartei“ (RSF) bzw. ab 1950 die „Freisoziale Union“ (FSU), sich auf der Grundlage einer strikten weltanschaulichen Neutralität auf wirtschaftspolitische Themen konzentrieren zu müssen, um jeden theologisch-philosophischen Streit zu vermeiden, der die Aussichten auf eine baldige machtpolitische Realisierung der Geld- und Bodenreform verschlechtern würde. Von diesem Grundsatz ließ sich auch die 1950 gegründete, aber erst ab 1964 aktiv gewordene „Sozialwissenschaftliche Gesellschaft“ (SG) leiten. Bei ihren mühsamen Versuchen, die Aufmerksamkeit der auf dem Menschenbild des sog. „homo oeconomicus“ basierenden Wirtschaftswissenschaften für die Geld- und Bodenreform zu wecken, verzichtete die SG ebenfalls darauf, den Einfluss der Evolutionstheorie auf Gesell kritisch aufzuarbeiten. So wurde die Arbeit an einem neuen Menschenbild für die Geld- und Bodenreform lange Zeit sehr vernachlässigt, was möglicherweise auch deshalb nicht als Versäumnis empfunden wurde, weil der berühmte britische Ökonom John Maynard Keynes bei seiner Würdigung von Gesells Theorie ausdrücklich die „moralische Höhe“ von dessen Vorwort zur dritten Auflage seines Hauptwerks hervorgehoben hatte.[136]

Die 1950 entstandene „Arbeitsgemeinschaft freiwirtschaftlicher Christen“ (AfC) blieb ein nur kleines Sammelbecken derjenigen Kräfte der Geld- und Bodenreformbewegung, die sich schon in den späten 1920er und frühen 1930er Jahren an christlichen Wertvorstellungen orientiert hatten. Einzelne von ihnen wie der zeitweilige Vorsitzende Walther Bischoff hatten während der NS-Diktatur Verbindungen zur Bekennenden Kirche gehabt. Ohne offene Kritik am Vorwort zur dritten Auflage von Gesells Hauptwerk stellte Johannes Ude die Geld- und Bodenreform auf die Grundlage des Naturrechts und postulierte eine nicht nur am Gewinn orientierte „Bedarfswirtschaft“. Daneben verknüpfte der schweizerische reformierte Theologie Eduard Burri die Geld- und Bodenreform mit dem Religiösen Sozialismus des Theologen Leonhard Ragaz.[137] Während der 1950er und 1960er Jahre engagierte sich die AfC gegen die Gewinnung von Energie aus der atomaren Kernspaltung und beteiligte sich am Kampf der damaligen Friedensbewegung gegen die Verbreitung von Atomwaffen - ebenso wie ein ebenfalls sehr klein gebliebener „Neuer Bund“, als dessen Organ Will Noebe ab 1958 die Zeitschrift „Telos – Die Welt von Morgen“ herausgab. Durch das auf ihrem Titelblatt abgebildete chinesische Yin-Yang-Symbol ließ sie ihre Ausrichtung an fernöstlichen Weisheitslehren deutlich erkennen.

Das 1957 von den Gebrüdern Diether, Heinz-Hartmut und Lothar Vogel gegründete „Seminar für freiheitliche Ordnung“ fußte in weltanschaulicher Hinsicht auf der Anthroposophie Rudolf Steiners Goetheanismus und der „Dreigliederung des sozialen Organismus“. Dadurch kamen wie schon bei Walker auch organizistische Metaphern in die Geld- und Bodenreformbewegung hinein. Aus ihnen wurden allerdings keinerlei Rechtfertigungen hierarchischer Gesellschaftsstrukturen abgeleitet - im Gegenteil, dem Seminar ging es darum, die mit dem Mantel der ‚Sozialpartnerschaft’ umgebene Hierarchie von Kapital und Lohnarbeit in eine egalitäre Bürgergesellschaft mit „freien Produktionsgemeinschaften“ zu transformieren, welche nicht nur im Wettbewerb miteinander stehen, sondern auch eine „große Assoziation aller in der Wirtschaft wirkenden Kräfte“ bilden. Deshalb ist „Brüderlichkeit … die Grundlage der menschlich-gesellschaftlichen Existenz überhaupt.“ Dementsprechend betonte das Seminar neben dem Tauschen und Leihen auch die Bedeutung des Teilens und Schenkens insbesondere für die Bildung und Kultur sowie für die Wohlfahrtspflege. Und als Rechtsphilosoph fügte Dieter Suhr dem hinzu, dass nach einer Überwindung des „in die Geldordnung einprogrammierten Strukturmangels“ die „Geselligkeit der Menschen“ voll zur Geltung kommen könne. Aus wirtschaftlichen Abhängigkeiten befreite Menschen könnten dann zugleich „als gesellschaftliche Menschen auf gleicher Augenhöhe in rechtsstaatlich garantierten Strukturen der Gerechtigkeit“ leben.[138]

Nachdem sich die frühere AfC 1989 als „Christen für gerechte Wirtschaftsordnung“ (CGW) neu gegründet hatte, setzte Anfang der 1990er Jahren eine stärkere Suche nach einem zur Geld- und Bodenreform passenden Menschenbild ein. An ihr beteiligte sich auch die „Sozialwissenschaftliche Gesellschaft“ (SG), die ihr Organ um 1980 in „Zeitschrift für Sozialökonomie“ umbenannt hatte, um eine Gegenposition zu dem während der 1970er Jahre zur Vorherrschaft gelangten sog. Neoliberalismus zu artikulieren. Während sich die CGW unter der Leitung von Roland Geitmann und Christoph Körner im Gegensatz zu Gesells liberalem Sozialdarwinismus eindeutig an der Geschwisterlichkeit und Solidarität als Leitbild für die Wirtschaft orientierten[139], vertrat Ekkehard Lindner von der SG kurz nach dem Ende des kommunistischen Sowjetimperiums zunächst noch in Anknüpfung an Gesells Vorwort zur 3. Auflage der „Natürlichen Wirtschaftsordnung“ sowie auch an die neuere Soziobiologie die Ansicht, dass altruistisches Verhalten in Wirklichkeit eine „Form sublimierten Eigennutzens“ sei und dass „der wahre Egoist kooperiert“. Nach einer Überwindung wirtschaftlicher Privilegien durch den „Ordnungsrahmen einer monopolfreien Marktwirtschaft“ werde der Eigennutz seine „wohltätige Macht“ entfalten und auch „solidarisches Verhalten wettbewerbsfähig“.[140] Noch einmal wurden in dieser Kontroverse die von Gesell hinterlassene religiös-philosophische Widersprüchlichkeit und die Notwendigkeit ihrer Auflösung deutlich.

In einer Übersicht über mögliche Bedeutungen des Naturbegriffs wies Johannes Heinrichs erstmals differenziert, aber deutlich auf die Notwendigkeit einer „kritischen Korrektur … der biologistischen Inkonsequenz von Gesells Freiheitsdenken“ hin.[141] Wie stark jedoch die Bindung der neueren Geld- und Bodenreformbewegung an den traditionellen Begriff „Natürliche Wirtschaftsordnung“ noch immer war, zeigte unter anderem die Tatsache, dass während der 1980er Jahre eine weitere überparteiliche Organisation entstanden war, die den Titel von Gesells Hauptwerk in ihren Namen aufnahm. Diese „Initiative für Natürliche Wirtschaftsordnung“ (INWO) setzte sich wie der „Freiwirtschaftsbund“ aus der Zeit vor 1933 das Ziel, die Geld- und Bodenreform ohne jede weltanschauliche Bindung einer breiteren Öffentlichkeit nahe zu bringen. Auch wenn das sozialdarwinistische Erbe der Geld- und Bodenreform in ihrer Tätigkeit keine Rolle mehr spielte, trug die INWO es dennoch unterschwellig in ihrem Namen weiter.

In einer ersten Hinwendung zur „integrativen Wirtschaftsethik“ des St. Galler Ökonomen Peter Ulrich verband Lindner seine Überlegungen auch mit dessen Ziel, „die Ethik über die wirtschaftliche Rationalität zur Wirkung kommen zu lassen“.[142] Anhand eines Aufsatzes des ebenfalls in St. Gallen lehrenden Ökonomen Hans Christoph Binswanger über das „Menschenbild der herkömmlichen Ökonomie“ setzte innerhalb der SG eine kritische Auseinandersetzung mit dem sog. homo oeconomicus ein.[143] Und Christian Böttcher ging der Frage nach, ob der von Amitai Etzioni und Michael Walzer formulierte Kommunitarismus Anknüpfungspunkte für die Geld- und Bodenreform enthalten könnte.[144]

Außer einer Information über die neuere ökonomische Forschungsrichtung der Evolutorischen Ökonomik initiierte Lindner schließlich im Rahmen der „Mündener Gespräche“ der SG im Frühjahr 2001 eine erste fundierte Auseinandersetzung mit dem Sozialdarwinismus, indem er den Biologen Andreas Paul zu einem Vortrag einlud. Kurz zuvor hatte Franz Laxy eine Distanzierung der Geld- und Bodenreform von Darwins Evolutionstheorie angemahnt: „Da kam einiges zusammen, was so gar nicht zusammengehörte.“[145] Wenig später stellte Josef Hüwe fest, dass Gesell es „seinen Kritikern sehr leicht gemacht hat“, in ihm einen Sozialdarwinisten zu sehen und Roland Wirth kritisierte sodann die Verbindung der Geld- und Bodenreform mit der Evolutionstheorie als „größten Schwachpunkt in Gesells Theoriegebäude“ und stärkte stattdessen ihre neue Verbindung mit der von Peter Ulrich entwickelten „integrativen Wirtschaftsethik“.[146]

Inzwischen hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass sich Gesell dem damaligen Zeitgeist folgend auf den Sozialdarwinismus als ein „Tretminenfeld“ verlaufen hat (Gerhard Senft[147]), aus dem die Geld- und Bodenreform gerettet werden muss, damit sie auf der Grundlage eines neuen Menschbildes zur Schaffung einer nicht nur gerechten, sondern auch solidarischen Ökonomie als Alternative sowohl zum sog. ’neoliberalen’ globalisierten Kapitalismus als auch zu den verschiedenen Formen des Totalitarismus beitragen kann.

Mit ihrem Eintreten für Geschwisterlichkeit und Solidarität in der Wirtschaft waren das Seminar für freiheitliche Ordnung und die AfC/CGW lange Zeit die Vorreiter bei der Suche der Geld- und Bodenreformbewegung nach einem neuen Bild eines freien, an sein Gewissen gebundenen und in eigener Verantwortung sittlich handelnden Menschen, der die Verwirklichung eigener Interessen innerhalb und außerhalb der Wirtschaft im Einklang mit der Ethik der Bergpredigt anstrebt und sich erst dadurch seiner Gottebenbildlichkeit annähert. In dieser nach-sozialdarwinistischen Form vermag die Geld- und Bodenreform sowohl den christlichen Soziallehren als auch der integrativen Wirtschaftsethik Impulse für die Entwicklung einer Strukturethik zu geben, welche jene im Geldwesen und Bodenrecht wurzelnde Eigendynamik der kapitalistischen Marktwirtschaft bezwingt, an der bislang Appelle an die Moral der Individuen ebenso zerschellten wie sozialstaatliche Ausgleichsbemühungen. Sobald die Individuen und der soziale Rechtsstaat aus den sich aus der Rentabilitätsorientierung ergebenden Sachzwängen befreit werden, öffnet sich der Blick auf neue Strukturen einer nachkapitalistischen Marktwirtschaft, in denen sich die Wirtschaftlichkeit einerseits sowie die Geschwisterlichkeit und Solidarität andererseits gleichermaßen entfalten und sich gegenseitig durchdringen können. Mit diesem Wandel kann im Sinne der Sozialpsychologie von Erich Fromm auch ein Übergang vom „Haben“ zum „Sein“ einhergehen. An die Stelle der Pseudoreligion der Geldvermehrung können dann neue Sinnorientierungen und Möglichkeiten treten, das „tief eingewurzelte“ auszuleben und „durch Einssein mit anderen die eigene Isolierung zu überwinden.“[148]

In der gegenwärtigen Diskussion ist außerdem die menschenrechtliche Neuinterpretation der Geld- und Bodenreform von Fritz Andres vom „Seminar für freiheitliche Ordnung“ von Bedeutung. In einem längeren Aufsatz mit dem von Tolstoi entlehnten Titel „Wie viel Erde braucht der Mensch?“ kritisiert Andres, dass „unsere Bodenordnung dem Menschen kein ursprünglich-eigenes, ihm kraft seines Daseins zustehendes Zugangs- und Teilhaberecht am Boden zubilligt, sondern nur ein Eigentum, das er von anderen Menschen auf dem einen oder anderen Wege erwerben muss. Eine Bodenordnung, die auf solchen abgeleiteten Rechten beruht, bei der also das Recht, die Erde zu betreten, von der Erlaubnis derer abhängt, die schon da sind, eine solche Bodenordnung prägt die ganze Gesellschaft.“ Um die „Entfremdung des Menschen von der Erde“ zu überwinden, „brauchen wir eine Boden- und Umweltordnung, die uns kraft unseres Daseins ein Teilhaberecht an der ganzen Erde als unserer Lebensgrundlage zuspricht“, und zwar als ein „echtes, für alle gleiches Menschenrecht“.“[149]

Die Schaffung eines solchen „ursprünglich-eigenen Zugangs- und Teilhaberechts jedes einzelnen Menschen an der ganzen Erde“ setzt die Umwandlung des Bodens und der Ressourcen von handelbaren und zur Spekulation missbrauchbaren Kapitalgütern in unveräußerliche Gemeinschaftsgüter voraus, an denen im Interesse einer dezentralen Allokation private, klar definierte und entgeltliche Nutzungsrechte einzurichten sind. Durch eine Rückverteilung der dann der Gemeinschaft zufließenden Boden- und Ressourcennutzungsentgelte pro Kopf der (Welt-)Bevölkerung würde ausnahmslos jeder Mensch unabhängig von seiner Leistungsfähigkeit (!) ein im Durchschnitt kostenloses Grundrecht auf eine gleiche Teilhabe an den Lebensgrundlagen erhalten, ohne noch ‚um sein Dasein kämpfen’ zu müssen. Damit kehrt Andres zur ursprünglichen Bodenreform vor ihrer Verknüpfung mit dem Gedanken der „Mütterrente“ zurück. Im Unterschied zu Gesell und anderen, die die „Mütterrente“ zwischenzeitlich gemäß einem flexiblen Verständnis der Geschlechterrollen zu einem Erziehungsentgelt für beide Elternteile modifiziert hatten - im Idealfall je zur Hälfte für gleichermaßen halbtags tätige Mütter und Väter - , empfiehlt Andres eine „gleichmäßige Rückverteilung“ der Bodenrente an alle Menschen unabhängig von Geschlecht und Alter, weil „sie allein das Menschenrecht auf gleiche Teilhabe am Boden garantiert“. Die finanzielle Absicherung von Kindern und den sich um sie kümmernden Elternteilen könne besser im Rahmen eines neu geordneten „Generationenvertrags erfolgen, bei dem die Kosten der Kinder ebenso wie die Renten der Alten von der mittleren Generation im Umlageverfahren aufgebracht werden“.[150] In jüngster Zeit verbindet Alwine Schreiber-Martens den Gedanken einer allgemeinen Rückverteilung der Boden- und Ressourcenrenten mit der Diskussion über ein bedingungsloses Grundeinkommen.[151]

Abschließend verweist Andres darauf, dass neben dem Boden auch das Geld ein „Gemeinschaftsgut“ ist und dass unsere Rechtsordnung bislang weder beim Boden noch beim Geld ein rechtlich-ökonomisches „Band zwischen der Gemeinschaft und den Inhabern der individuellen Nutzungsrechte vorsieht“. Dieses Band ließe sich mit einer weiterentwickelten Form der von Gesell konzipierten und auch von Keynes ernst genommenen Geldreform herstellen und „müsste beim Geld in der Abschöpfung seines Liquiditätsvorteils bestehen“[152], damit der Kreislauf des Gebens und Nehmens auch in einer hoch entwickelten arbeitsteiligen Geldwirtschaft ähnlich geschlossen wird wie in einer Naturaltauschwirtschaft und damit das Zinsniveau infolge eines sich allmählich einstellenden Ausgleichs von Angebot und Nachfrage auf den Kapital-, Güter- und Arbeitsmärkten absinken und etwas oberhalb von Null um eine neue Gleichgewichtslage pendeln kann.[153]

Anhand des berühmten Spiels „Die Reise nach Jerusalem“ veranschaulicht Andres den sozialdarwinistischen Charakter, den der Wettbewerb beim bestehenden Geldwesen annimmt, in dem der Kreislauf des Gebens und Nehmens aus unterschiedlichen Motiven wie der Vorsicht oder der Spekulation zeitweise unterbrochen werden kann. Dadurch wird immer einem Teil der Menschen der ihnen zustehende Stuhl vorenthalten, so dass sie und auch alle anderen permanent einem bedrohlichen „Gefühl der existenziellen Unsicherheit“ ausgeliefert sind. Infolgedessen betrachten sich alle „gegenseitig als Rivalen“ und befinden sich „in einem latenten Krieg aller gegen alle“, bei dem nach Marktmacht und Verdrängung von Konkurrenten getrachtet wird. Im Gegensatz dazu würden mit einer Geld- und Bodenreform und - wie Andres in Anknüpfung an den Ordoliberalismus von Walter Eucken hinzufügt - mit begleitenden Reformen des Haftungs-, Patent- und Gesellschaftsrechts die Regeln des Spiels „Eine Reise nach Jerusalem“ grundlegend mit dem Ergebnis geändert, dass nunmehr für jede/n Mitspieler/in immer auch ein Stuhl da ist. „Die existenzielle Bedrohung durch eine unzureichende Nachfrage, die heute über dem Gesamtangebot schwebt, wäre behoben. … Die Einführung eines geschlossenen Kreislaufs bedeutet das Ende des Existenzkampfes“ und des Verdrängungswettbewerbs. Niemand kann dann mehr bei einem strukturellen Wandel der Wirtschaft „an den Rand der Gesellschaft oder aus ihr heraus ins wirtschaftliche Nichts gedrängt werden.“[154] Ein mit Hilfe der Geldreform geschlossener wirtschaftlicher Kreislauf verbindet alle Teile der arbeitsteiligen Wirtschaft zu einem Ganzen und schafft Existenzsicherheit für alle Beteiligten sowie eine Sicherheit der ihren wirtschaftlichen Dispositionen zugrunde liegenden Erwartungen.

Hinzu käme bei einem gegen Null sinkenden Zinsniveau, dass sich - um im Bild des Spiels zu bleiben - die Größe der Stühle nicht mehr in dem Sinne verändern könnte, dass die Stühle der Vermögenden von Spielrunde zu Spielrunde größer und die Stühle der Arbeitenden und Arbeitslosen kleiner werden. Unter diesen Umständen begegnen sich Anbieter und Nachfrager, Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach und nach „auf gleicher Augenhöhe“, so dass neue egalitär-kooperative Unternehmensverfassungen jenseits der alten hierarchischen Lohnabhängigkeit entstehen können.[155]

Eine Pro-Kopf-Rückverteilung der Boden- und Ressourcenrenten an alle Menschen und ein Absinken der Vermögenseinkommen zugunsten der Arbeitseinkommen bilden gleichsam eine Kombination von bedingungslosem Grundeinkommen und leistungsgerecht verteiltem Arbeitseinkommen, so dass als nächstes noch zu überlegen bliebe, wie sich zusätzlich zum Generationenvertrag andere Risiken des Lebens wie Unfälle, Krankheiten und Behinderungen neben Markt und Staat in einem „Dritten Sektor“ solidargemeinschaftlich im Sinne einer gegenseitigen Hilfe auffangen ließen und wie sonstige Unterschiede der individuellen Leistungsfähigkeiten ausgeglichen werden könnten.

5.6  Zwischenbilanz und Schlussfolgerung

Die Verbindung mit der Evolutionstheorie war für die Anfänge der Geld- und Bodenreform nicht konstituierend, sondern sie kam erst mehr als zehn Jahre nach ihrer Entstehungsphase hinzu, weil sich Gesell hiervon eine Unterstützung bei der Verbreitung der Geld- und Bodenreform erhoffte. Dadurch drangen zwar Elemente eines inhumanen Denkens in sie ein, aber sie konnten das Streben nach sozialer Gleichheit und Gerechtigkeit als unaufgebbares Fundament der Geld- und Bodenreform nicht zerstören. Dafür, dass sich Gesells Hoffnungen auf die Evolutionslehre als Trägerin seiner Geld- und Bodenreform in keiner Weise erfüllten, waren die Beschädigungen dieses Fundaments ein hoher Preis mit der tragischen Langzeitfolge, dass die Geld- und Bodenreform für viele christlich und humanistisch denkende oder an gewerkschaftlicher Solidarität orientierte Menschen geradezu abstoßend wirkte.

Aber nicht nur aus taktischen Gründen, sondern mehr noch um ihrer eigenen inneren Klarheit willen steht die Geld- und Bodenreformbewegung vor der allzu lange verkannten Notwendigkeit, ihre historische Verbindung mit Darwins Evolutionslehre und dem Sozialdarwinismus im Dialog mit Theologen und Philosophen sowie Biologen und Medizinern (selbst-)kritisch aufzuarbeiten und diese Verbindung endgültig aufzulösen. In der Zeit nach 1945 hat sie sich davon bereits in unterschiedlichen Formen mehr oder weniger weit entfernt. Als nächste Station auf dem Weg der Geld- und Bodenreform zu einem zukünftigen Menschenbild wird im Anschluss an die CGW-/INWO-Tagung im Mai 2007 über ein bedingungsloses Grundeinkommen auf der nächsten Tagung im Mai 2008 die Arbeit am Entwurf einer geschwisterlichen und solidarischen Marktwirtschaft ohne Kapitalismus fortgesetzt.[156]

Der endgültige Abschied der Geld- und Bodenreformbewegung von ihrem sozialdarwinistischen Erbe sollte auch in einem veränderten Sprachgebrauch sichtbar werden, bei dem der Begriff „Natürliche Wirtschaftsordnung“ nur noch als ideengeschichtlicher Terminus zur Benennung von Gesells Hauptwerk verwendet wird. Zukunftsorientierte Inhalte und Organisationen sollten damit aber nicht mehr bezeichnet werden - was sowohl für die INWO als auch für den erst 2006 als Träger der Zeitschrift „Humanwirtschaft“ gegründeten „Förderverein für Natürliche Wirtschaftsordnung“ gilt. In der bereits in „Fairconomy“ umbenannten Zeitschrift der INWO hat ebenfalls eine Diskussion über eine Namensänderung der INWO begonnen.[157]

6  Sozialdarwinismus in modernen Gewändern

Ein endgültiger Abschied der Geld- und Bodenreform von Evolutionslehre und Sozialdarwinismus bliebe rückwärts gewandt und unvollständig, wenn der Blick dabei nicht auch auf die Gegenwart gerichtet würde. Noch immer sind nämlich in den Wirtschafts- und anderen Wissenschaften sozialdarwinistische Einstellungen sowohl gegenüber dem Menschen als auch gegenüber der Natur verbreitet, die unter anderen Bezeichnungen weiterwirken und beispielsweise vorgeben, den Welthunger und Krankheiten überwinden oder die westliche Zivilisation vor dem Terror von Fundamentalisten schützen zu wollen. Möglicherweise geht es ihnen eher um Kapitalrentabilität und den Zugang zu knapper werdenden Ressourcen.

Gemäß der seit drei Jahrzehnten vorherrschenden Ideologie des sog. Neoliberalismus gilt die gegenwärtige kapitalistische Marktwirtschaft - besonders seit dem Ende des kommunistischen Sowjetimperiums - als die beste aller möglichen Welten. Auch wenn sie nach dem vermeintlichen „Ende der Geschichte“ (Fukuyama) als ultimative Verwirklichung von Freiheit, Wohlstand und Fortschritt gilt, stellt sie dennoch de facto einen rücksichtslosen sozialdarwinistischen Kampf ums Dasein dar, in dem die Starken auf Seiten des Kapitals die Schwachen (Menschen und Natur) sowohl innerhalb der Industrieländer als auch weltweit an den Rand drängen.

Dies wird selbst von modernen Evolutionsforschern gesehen. So hat der Biologe und Darwin-Experte Franz Wuketits den „Eindruck, dass die sogenannte, lediglich von Profit und Kapital gelenkte new economy dem Sozialdarwinismus zu neuer Blüte verhilft. … Damit wird eine brutale Wirtschaftspolitik des 19. Jahrhunderts wiederbelebt.“[158] In ähnlicher Weise nimmt der Sozialethiker Markus Vogt im Rahmen seiner Übersicht über das ganze Spektrum von Sozialdarwinismen noch eine feine Differenzierung zwischen dem „liberalistischen Sozialdarwinismus als amerikanischer Variante“ und dem „liberalen Sozialdarwinismus (vor), der verdeutlicht, wie defizitär das Laissez-faire-Konzept ist, das völlig auf eine soziale und (wie heute zu ergänzen ist) ökologische Rahmengesetzgebung verzichtet. … Insbesondere in der ohne eine hinreichende soziale Rahmenordnung rasant evolvierenden Weltwirtschaft werden heute zunehmend die dehumanisierenden Folgen des Wirtschaftsliberalismus deutlich.“[159]

Die vielfach verdrängte soziale Schieflage in der globalisierten kapitalistischen Marktwirtschaft, zu der inzwischen noch die ökologische Krise hinzugekommen ist, bildet das angeblich waagerechte Fundament für die Entwicklungen, die sich gegenwärtig in der kapitalistischen Weltökonomie einschließlich der Agrarökonomie, in der Medizin und Bioethik, in der Philosophie und in der internationalen Politik vollziehen. So könnte die vormals liberal-sozialdarwinistische und mittlerweile gemäß dem Leitbild der Geschwisterlichkeit und Solidarität erneuerte Geld- und Bodenreform zur Entwicklung einer zukünftigen „Solidarischen Ökonomie“[160] beitragen, indem sie mithilft, die ihr in der Ökonomie und in anderen Wissenschaften entgegenstehenden Hindernisse zu durchschauen und eine soziale und ökologische Rahmenordnung für die Freiheit nachkapitalistischer Märkte zu entwickeln. Zwei von ihnen - die Soziobiologie und die Evolutorische Ökonomik - entstanden etwa gleichzeitig in den frühen 1980er Jahren als geistige Spiegelbilder des selektiven „Kampfes ums Dasein“ in der Epoche des ‚neoliberalen’ Kapitalismus. Beide verleihen sie dem sich mehr und mehr verschärfenden globalen Verdrängungswettbewerb eine wissenschaftliche Legitimation.

6.1  Vom soziobiologischen „Kampf egoistischer Gene“ zum „Prinzip Menschlichkeit“

Seit Mitte der 1970er Jahre popularisierte Edward Wilson die erst kurz zuvor entstandene neue Wissenschaft der (Human-)Soziobiologie, die tierliches und menschliches Sozialverhalten hinsichtlich der Selbsterhaltung und Fortpflanzung evolutionsbiologisch deuten will. Auf der Grundlage einer Biologisierung des Sozialen strebt sie mit dem „Vokabular einer Ökonomie-Vorlesung“ eine neue Synthese von Natur- und Sozialwissenschaften an. Ohne den Einfluss der Umwelt in Abrede stellen zu wollen, hebt die Soziobiologie die zentrale Rolle der „egoistischen Gene“ des Menschen (Richard Dawkins) hervor. Parallel dazu postulierte Dawkins die Existenz sog. „Meme“ als Träger einer eigenständigen menschlichen Kulturentwicklung.[161]

Das Denken der neodarwinistischen Soziobiologie in den Bahnen eines Mechanismus der von „egoistischen Genen“ gesteuerten „natürlichen Auslese“ und des „Kampfes ums Dasein“ bzw. der Konkurrenz um die angesichts einer wachsenden Population immer nur begrenzt vorhandenen Ressourcen hat aufgrund historischer Erfahrungen mit dem Sozialdarwinismus starke Vorbehalte von Wissenschaftlern geweckt, die eine biologische Deutbarkeit des menschlichen Sozialverhaltens anzweifeln. Die „Soziobiologie“ hat sich deshalb vielfach ausweichend „Evolutionspsychologie“ genannt: „Unter dem neuen Etikett hat das darwinsche Projekt in den letzten Jahren gute Fortschritte erzielt. … Getragen vom Darwinschen Paradigma offeriert die Soziobiologie eine naturalistische Perspektive der conditio humana“. Hinsichtlich der Möglichkeit der Soziobiologie, „humanistische Antworten“ zu finden, ist Voland auch deshalb zuversichtlich, weil sie „Angepasstheit und Fitnessmaximierung“ bei Menschen als „vielschichtiger“ betrachte als bei Tieren und weil sie jenseits einer traditionellen „Natur-/Kultur-Antinomie“ davon ausgeht, dass es in Bezug auf die kulturellen Evolution keine „scharfe Trennlinie zwischen Tieren und Menschen gibt“.[162]

Gegen den Vorwurf, eine Neuauflage des früheren Sozialdarwinismus und damit eine „Quelle weltanschaulichen Übels“ zu sein, nimmt Voland die Soziobiologie in Schutz. Er lehnt es ebenfalls ab, sie „vor den Karren düsterer Ideologien zu spannen. … Sich für die evolutionsbiologischen Ursachen und Konsequenzen sozialer Ungleichheit, Konkurrenz, Ausbeutung und Unterdrückung zu interessieren, bedeutet selbstverständlich weder, die Existenz dieser Phänomene zu rechtfertigen, noch für sie verantwortlich zu sein.“[163] Allerdings gibt die Soziobiologie auch keinerlei Impulse für die Überwindung von sozialer Ungleichheit und Ausbeutung, obwohl sie Voland zufolge diese nicht rechtfertigen will. Auf der Grundlage der Interpretation von „Kooperation und Wechselseitigkeit (‚Reziprozität’) als Ausdruck des ‚Prinzips Eigennutz’“ und ohne einen Ausblick auf eine mögliche Differenzierung zwischen sozialer Ungleichheit, Konkurrenz und Ausbeutung einerseits und andererseits eines Wettbewerbs, der nicht mehr den Charakter eines selektierenden Kampfes hat, dürfte dies auch kaum zu erwarten sein.[164]

Dementsprechend bewegen sich die Vorstellungen der Soziobiologie von der Evolution sozialer Lebensformen, von den Nutzen und Kosten des Lebens in Gruppen sowie von Strategien der Durchsetzung innerhalb von Gruppen sehr weitgehend in den Bahnen von „Kampf, Dominanz und sozialer Unterordnung“. Soziale Hierarchien in der Tierwelt erscheinen als „eine Art Gesellschaftsvertrag, von dem alle profitieren“. Im Anschluss an seinen Hinweis auf eine „stammesgeschichtlich erworbene Bereitschaft soziallebender Tiere, in Dominanzbeziehungen einzutreten“, zeigt Voland, wie die Soziobiologie das Problem ‚löst’, „menschliches Vormachtstreben aus biologischen Anpassungsvorgängen“ herzuleiten. Sie greift auf die „in der Anthropologie bewährte“ Methode zurück, „zeitgenössische tropische und subtropische Wildbeuter- und Pflanzergesellschaften als mögliche Modelle historischer Situationen der Menschheitsgeschichte zu betrachten.“ Auch in solchen „sog. egalitären Gesellschaften, deren Sozialsysteme nicht auf Besitz- und Machtasymmetrien gründen, konkurrieren Menschen um gesellschaftlich anerkannte, prestigeträchtige und privilegierte Positionen. Und diese herausgehobenen Positionen gehen interessanterweise im Durchschnitt mit erhöhtem Reproduktionserfolg einher.“[165] Auch vorindustrielle Agrargesellschaften, „deren Sozialstrukturen sich gut in den Kategorien von Land- und Viehbesitz beschreiben lassen“, zieht die Soziobiologie heran, um die „Fitnesseffekte“ einer überwiegend männlich dominierten Konkurrenz um Nahrung, Ressourcen und Reproduktionsmöglichkeiten zu illustrieren: „Die reichen Bauern zeugten durchschnittlich mehr Kinder als Männer anderer Bevölkerungsgruppen. … Außerdem hatten Großbauernkinder im Mittel deutlich bessere Heirats- (und somit Reproduktions-)chancen als die Nachkommen der Kleinbauern und Landlosen.“[166] Großzügig geht die Soziobiologie allerdings darüber hinweg, dass die Sozialstrukturen in vorindustriellen Agrargesellschaften von keineswegs naturgegebenen feudalen Privilegien durchsetzt waren. So erspart sie sich jeden Zweifel an der Naturbedingtheit von Kämpfen um beste Plätze in sozialen Hierarchien. Und auch in modernen Industriegesellschaften erfordert „Territorialität“ keineswegs ein privates Eigentum am Boden und den Ressourcen einschließlich ihrer Behandlung als private Kapitalgüter. „Exklusive Nutzungsmöglichkeiten“ lassen sich besser in der Form eines gemeinschaftlichen Boden- und Ressourceneigentums schaffen, an dem alle Menschen gleiche, zeitlich befristete und entgeltliche Nutzungsrechte erhalten.[167]

Was die auf dem Tauschen beruhenden und sich durch die Akkumulation von Geld und Besitz auszeichnenden modernen Industriegesellschaften anbelangt, so kann man nach Ansicht der Soziobiologie auch hier unbesorgt sein. Bereits in der Stammesgeschichte höherer Primaten gab es nämlich „vielfältige Gelegenheiten des Gebens und Nehmens zum gegenseitigen Vorteil“, bei denen ein „gen-egoistischen Zwecken dienender reziproker Altruismus“ ausgebildet wurde. „Durch die Primatenforschung ist deutlich geworden, dass die Fähigkeiten zum sozialbindenden und –verpflichtenden Gütertausch bereits im Tierreich angelegt sind.“ So haben Schimpansen ein Gespür für den Verlust der „Reziprozität der sozialen Beziehungen“ in Form eines Betrugs. Folglich „enthalten die sozialen Transaktionen der Menschen reziprok-altruistische Elemente, die … für einen allseitigen Vorteil der Beteiligten arbeiten. … Unser Wahrnehmungs-, Erkenntnis- und Denkapparat ist ganz speziell dazu eingerichtet, soziale Einseitigkeiten aufzuspüren. … Ein differenziertes sozio-emotionales Gegenseitigkeitsempfinden gehört zu unserer evolvierten psychischen Grundausstattung.“[168] Entgegen dieser offensichtlichen Blindheit der Soziobiologie für die Realität in der Wirtschaft bleibt die Frage, weshalb die Gegensätze zwischen Reichtum und Armut innerhalb einzelner Länder als auch weltweit so gigantische Ausmaße annehmen konnten. Sollte unsere „evolvierte psychische Grundausstattung“ für die Erkenntnis der ungerechten Verteilungswirkungen des zinstragenden Geldes und anderer Privilegien in der Wirtschaft nicht ausreichend sein?

Patriarchalisch eingefärbt ist der Blick der Soziobiologie auf das Verhältnis zwischen den Geschlechtern. Für Voland gibt es in „historischen Milieus der Menschwerdung“ entstandene „unterschiedliche geschlechtstypische Partnerwahlpräferenzen“. Männer würden in erster Linie auf das Alter und das Äußere von Frauen als Zeichen ihrer Gesundheit und Fruchtbarkeit achten, während für Frauen „vorrangig Indikatoren des sozialen Erfolgs (Besitz, Sozialstatus, Clanzugehörigkeit)“ ausschlaggebend seien.[169] Hierin spiegelt sich keineswegs ein naturgegebenes und unveränderliches Geschlechterverhältnis, sondern ein über Jahrhunderte konserviertes ökonomisches Gefälle zwischen erwerbstätigen Männern und Kinder erziehenden Frauen, das gesellschaftlich bedingt ist und sich über bisherige Ansätze hinaus noch mehr in Richtung einer egalitären Geschlechterbeziehung ändern würde, wenn die Gesellschaft die Phase der Mutter- bzw. Elternschaft stärker ökonomisch absichern würde.

Nach einem durchaus interessanten Hinweis, dass Schimpansen auf Störungen des sozialen Ausgleichs oder gar auf seinen Verlust mit aggressivem Verhalten reagieren, gelangt Voland schließlich zu der Vermutung, „dass es sich bei den Gruppenkämpfen unter Schimpansen um stammesgeschichtliche Vorformen des menschlichen Kriegsgeschehens handeln könnte“. Indem die Soziobiologie in menschlichen Kriegen „gewalttätige Gruppenkonflikte als biologisch angepasste Strategien im genetischen Vermehrungsinteresse“ sieht, gerät sie schließlich in eine gefährliche Nähe zu früheren sozialdarwinistischen Rechtfertigungen von Kriegen.[170]

Trotz solcher eklatanter Verirrungen hat sich die Soziobiologie inzwischen in den Wissenschaften etablieren können, zumal eine „moralisch-politisch intendierte Kritik gegen ihren vermuteten Konservatismus“ zu mancherlei theoretischen Verfeinerungen führte, welche die Kritik vorsichtiger werden ließ. So hält der Soziologe Dirk Richter die Biologisierung des Sozialen in ihrer anfangs von Wilson intendierten Form für gescheitert; gleichwohl lässt er in begrenztem Umfang „evolutionäre Universalien“ als Brücke zwischen den Natur- und Sozialwissenschaften gelten.“[171] -

Dem früheren Sozialdarwinismus ebenso wie der neueren Soziobiologie hält der Psychiater und Psychotherapeut Joachim Bauer das von neurobiologischen Studien gestützte Bild eines Menschen entgegen, „dessen zentrale Motivationen auf Zuwendung und gelingende mitmenschliche Beziehungen gerichtet sind. … Wir sind auf soziale Resonanz und Kooperation angelegte Wesen.“[172]

Für Bauer steht die unbedingte Richtigkeit von Darwins Abstammungslehre „außer Frage“, wonach sich Individuen an Überlebensbedingungen anpassen. Dennoch hält er es für erforderlich, „über Darwin kritisch nachzudenken, ohne an seiner Abstammungslehre zu zweifeln“ und ohne in den Kreationismus zurückzufallen.[173] Vor allem bezweifelt Bauer die Richtigkeit der in der Soziobiologie wiedergekehrten „Kampf“-Prämisse von Darwin und Malthus, wonach Menschen aufgrund ihrer „egoistischen Gene“ darauf angelegt sind, sich im Prozess der Anpassung wechselseitig zu bekämpfen und zu verdrängen. „Zu den Irrtümern, die sich bis heute gehalten haben, zählt Charles Darwins Grundannahme, die Evolution habe Konkurrenz, Kampf und Selektion zum zentralen Impetus lebender Systeme gemacht. Diese Grundannahme beruht auf der unzulässigen Übertragung eines ökonomischen, auf Konkurrenzkampf und Profitstreben basierenden Denkens auf die belebte Natur. … Der Darwinismus ist mittlerweile zu einer Art Albtraum geworden, von dem wir uns befreien sollten“[174] - gerade auch im Hinblick auf die Ökonomie. Zwar entspricht das von Darwin und Malthus geprägte Denken ihrer geschichtlich gewordenen kapitalistischen Form, aber es gibt durchaus keinen von Natur aus zwingenden Grund dafür, dass dies immer so bleiben muss.

Der soziobiologischen These egoistischer Gene stellt Bauer die Betrachtung der Gene als „große Kommunikatoren unseres Körpers“ entgegen: „Nichts spricht dafür, dass Gene ‚kämpfen’, nichts deutet darauf hin, dass sie uns zu Kampfmaschinen machen. … Gene sind sowohl in ihrer Beziehung untereinander als auch gegenüber der Umwelt ein kooperierendes Netzwerk. … Ein Blick auf die frühe Evolution macht deutlich, dass die Entstehung des Lebens und seine Entwicklung hin zu komplexeren Strukturen primär kooperative Prozesse erfordern und dass die Bewahrung von Leben, so sehr sie sekundär auch Konkurrenz und Kampf erfordern mag, vor allem durch fortbestehende biologische Kooperation gesichert wird. … Das Streben des Menschen nach Zuwendung und Kooperation bildet den Kern des menschlichen Daseins.“ Dementsprechend „steht das Bindungsbedürfnis an erster Stelle und Aggression fungiert im Dienste der Bindung.“[175]

Am Ende seines Buches kommt Bauer dem aus der Sicht der Geld- und Bodenreform entscheidenden Problem nahe, dass die „Gestaltung eines auf gelingende Beziehungen zielenden gesellschaftlichen Zusammenlebens“ bislang misslungen ist, weil sie blockiert wird durch eine „gesellschaftliche Ideologie, die auf maximale Kapitalverzinsung, die Wahrung individueller Vorteile und kurzfristige Ausbeutung menschlicher Ressourcen eingeengt ist.“[176] Aufgrund des Primats der Kapitalverzinsung kann in kapitalistischen Marktwirtschaften der Verdrängungswettbewerb noch nicht in eine Balance von Wettbewerb und Kooperation übergehen.

„Oberste Maxime“ muss es deshalb Bauer zufolge werden, „dass Kooperation und Menschlichkeit vor maximaler Rentabilität rangieren.“[177] Statt von hier aus gleich in die Richtung einer Strukturreform des Geldes und einer „Marktwirtschaft ohne Kapitalismus“ weiter zu denken, bleibt Bauer bei der realpolitischen, zwar für den Übergang notwendigen, aber nicht hinreichenden Überlegung stehen, dass innerhalb von hierarchisch organisierten Unternehmen mehr Wert auf Kooperation zwischen der Leitung und der Belegschaft gelegt werden müsste. „Wo die Frage eines übergeordneten Sinns des Wirtschaftens von der Führungsebene im Auge behalten wird, lassen sich insbesondere dann Potenziale aktivieren, wenn in einem Unternehmen Krisen oder vorübergehende Härtephasen überbrückt werden müssen.“ Allzu leicht werden Motivation und Kooperationsbereitschaft der MitarbeiterInnen jedoch zum festen Bestandteil einer weiterhin primär rentabilitätsmaximierenden Firmenstrategie.[178] Damit die Erwartung an die Belegschaft, „kurzfristig unangenehme Entscheidungen“ mit zu tragen, sich nicht zum Dauerzustand verewigt, müsste Bauers auf „sozialer Resonanz und Kooperation“ beruhendes Menschenbild realutopisch in die Richtung einer „Marktwirtschaft ohne Kapitalismus“ weitergedacht werden. „Soziale Resonanz und Kooperation“ erfordern ein in seiner Grundstruktur verändertes Geld, das zum einen Anbieter und Nachfrager in einer arbeitsteiligen Wirtschaft nur noch miteinander verbindet statt wie bisher widersprüchlich sowohl verbindend als auch sprengend zu wirken und das zum anderen den Weg in eine egalitäre Bürgergesellschaft bahnt, in der sich die Lohnabhängigkeit überwinden lässt.[179] Genau das widerspricht jedoch den Intentionen der Evolutorischen Ökonomik, deren Denken sich ganz um die hierarchisch strukturierten Großunternehmen dreht.

6.2  Evolutorische Ökonomik: „natürliche Auslese“ im Wettlauf der Großunternehmen um Innovationen und Wachstum

Innerhalb der modernen Ökonomie gibt es Bemühungen um ein neues Menschenbild, das den lediglich von rationalen Gewinnkalkülen und mit seinem Mitmenschen konkurrierenden statt kooperierenden homo oeconomicus überwindet.[180] Gleichwohl ist das Denken in Darwins Kategorien von Entwicklung, „natürlicher Auslese und Kampf ums Dasein“ nach wie vor fester Bestandteil der allgemeinen Markt- und Wettbewerbstheorie[181], die sich im Zuge der fortschreitenden Konzentration und Monopolisierung immer mehr an die Realität von Preiskämpfen, aggressivem Marketing und Werbefeldzügen angepasst hat statt die Monopolisierung zu kritisieren und die Voraussetzungen für freie Märkte herzustellen.

Und seit den 1980er Jahren hat es ganz besonders - auch unter dem Einfluss der Soziobiologie[182] - in der neueren Forschungsrichtung der Evolutorischen Ökonomik Verbreitung gefunden. Ihr zentrales Anliegen ist es, die in der Welt der neoklassischen Gleichgewichtsmodelle nicht beachteten Auswirkungen unternehmerischen Handelns sowie die Prozesse des wirtschaftlichen und sozialen Wandels zu verstehen. Dabei gab es gemäß einer Übersicht von Ulrich Witt, einem führenden Vertreter der Evolutorischen Ökonomik in Deutschland, zwei schon ältere Gedankenstränge, die 1982 von den amerikanischen Ökonomen Nelson und Winter zu einem Gesamtkonzept zusammengeführt wurden:

a) ein an Darwin angelehntes und die Fehlerhaftigkeit von Malthus’ Bevölkerungstheorie nicht beachtendes Verständnis des Wettbewerbes in kapitalistischen Marktwirtschaften als „Kampf ums Dasein“ und „natürliche Auslese“ und - in Verbindung damit - Thorstein Veblens Frage, wie inmitten des Geschehens auf ‚freien’ Märkten Institutionen entstehen und die wirtschaftlichen Vorgänge beeinflussen;

b) ein von Joseph A. Schumpeter entwickeltes Verständnis der wirtschaftlichen Evolution als Prozess einer sog. „schöpferischen Zerstörung“, bei dem ‚alternde’ Industrien aufgrund von technischen Innovationen durch besonders innovative Unternehmer von ‚jungen’ Industrien verdrängt werden. Schumpeter knüpfte damit an Marx’ Theorie der Kapitalkonzentration an, setzte an die Stelle von dessen Erwartung eines krisenhaften Zusammenbruchs des Kapitalismus aber seine eigene optimistische Interpretation des Kapitalismus als eines sich durch fortwährende Innovationen dauerhaft am Leben erhaltenden Systems. Schumpeter sah in der „Großunternehmung den kräftigsten Motor dieses Fortschritts“ und betonte ausdrücklich, dass die „vollkommene Konkurrenz keinen Anspruch erheben kann, als Muster idealer Leistungsfähigkeit zu gelten“.[183] An die Stelle der von ihm so hoch geschätzten innovativen Unternehmerpersönlichkeiten traten inzwischen große Forschungs- und Entwicklungsabteilungen von Großkonzernen. „Großunternehmen mögen wohl“, wie Witt ihnen gegenüber verständnisvoll und nachsichtig schreibt, „monopolistische Praktiken anwenden, aber sie bringen auch mehr Innovationen hervor. Durch das wirtschaftliche Wachstum, das ihre Innovationen induzieren, tragen sie deshalb mehr zur Entwicklung des Wohlstands einer Volkswirtschaft bei, als eine Vervollkommnung des Wettbewerbs es je tun könnte.“[184]

Die von Nelson und Winter hergestellte „Synthese aus Schumpeters Ideen und (von Schumpeter selbst abgelehnten) darwinistischen Analogien“ bildet seit den 1980er Jahren die Legitimationsbasis für die „Vorherrschaft der Großkonzerne“ (Schumpeter) und den Ausgangspunkt für das Verständnis von wirtschaftlicher Evolution in Form der „Anpassung“ von Großunternehmen an die sich ständig ändernden Marktbedingungen, deren „Selektionsdynamik“(!) die „intellektuelle Anziehungskraft“ geweckt haben mag, „die die Darwinsche (oder vielleicht besser die neo-darwinistische) Interpretation von Evolution heute ausübt“.[185]

Mit der nach Ansicht der Evolutorischen Ökonomik für den kapitalistischen Wachstumsprozess entscheidenden „Diffusion größerer Innovationen“ geht ein von ihr nicht nur billigend in Kauf genommener, sondern geradezu befürworteter Verdrängungsprozess einher, bei dem es „zu oft massiven Substitutionsprozessen kommt. Etablierte Produkte und Verfahren werden verdrängt. Produzenten und Faktoreigner werden zu Anpassungen und ungeplanten Abschreibungen gezwungen. Diese oft schmerzlichen Nebenwirkungen … sind unvermeidliche Begleiterscheinungen von Innovationen. Ein hohes Innovationstempo in einer Wirtschaft ist immer gleichbedeutend mit einem hohen Maß an Verunsicherung auslösendem strukturellen Wandel.“ Zum Repertoire der Evolutorischen Ökonomik gehören dementsprechend auch mathematisch modellierte, gleichwohl biologisierende „Analogiekonstruktionen zur natürlichen Auslese und die Lebenszyklus-Metapher“.[186]

Das Resultat all dieser „monopolistischen Praktiken“ der Großunternehmen sei Witt zufolge letztendlich segensreich: „Auf längere Sicht sind die Konsequenzen bisher jedoch die von allen gewünschten Produktivitätssteigerungen gewesen, das steigende Pro-Kopf-Einkommen und die Verbesserung des Lebensstandards der Massen. … Neu entstehende Industrien bieten Beschäftigungsmöglichkeiten, wo der Produktivitätsfortschritt in den alten Industrien Beschäftigte freisetzt.“ Allerdings kommt Witt nicht umhin zuzugestehen, dass diese heile Welt der Evolutorischen Ökonomik leider einen Schönheitsfehler hat. Es ist nämlich „kaum zu erwarten, dass der von der Evolution der Industrien getriebene gesamtwirtschaftliche Strukturwandel ein reibungsloser Transformationsprozess wäre.“[187]

Im Hinblick auf die Reaktionen der wirtschaftlichen Akteure auf den Strukturwandel geht die Evolutorische Ökonomik gemäß dem schon vor langer Zeit von Jeremy Bentham formulierten Utilitarismus vom Bild hedonistischer Individuen aus, die ihrer „genetischen Ausstattung“ entsprechend darauf bedacht sind, ihren Nutzen zu maximieren.[188] Damit befindet sie sich in der Nähe des homo oeconomicus der Neoklassik. Trotz der Unterschiedlichkeit ihrer Blickrichtungen auf die wirtschaftliche Realität der kapitalistischen Marktwirtschaft sind sich die Evolutorische Ökonomik und die Neoklassik darin einig, diese Realität nicht grundlegend verändern zu wollen - auch nicht im Blick auf die näher rückenden ökologischen Grenzen des Kampfes um Innovationen und Wachstum, denn sie sind noch immer zuversichtlich, dass sich durch entsprechende technische Innovationen auch ein ‚nachhaltiges Wachstum’ erreichen lässt.

Insofern kann es letztlich nicht verwundern, dass es innerhalb der Evolutorischen Ökonomik angesichts ihrer einseitigen Anknüpfung an Darwin keine Erinnerung mehr an die Bodenreformbestrebungen von Alfred Russel Wallace gibt und dass das „Geldwesen ein weißer Fleck auf der evolutorischen Landkarte“ geblieben ist.[189] Stattdessen entsteht gerade ein neues Forschungsfeld „Evolutionary finance“, auf dem Vertreter der Evolutorischen Ökonomik wie Thorsten Hens die Strategien von Anlegern bei ihrem „Kampf ums Dasein“ an den Börsen untersuchen.[190]

7  Ausblick

Die Soziobiologie und die Evolutorische Ökonomik gehören zu jenen theoretische Innovationen, die während der vergangenen drei Jahrzehnte der Vorherrschaft des sog. ‚Neoliberalismus’ in erheblichem Umfang in die Wissenschaften und in das Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit diffundieren konnten. Mit ihnen entstand in den Wissenschaften ebenso wie im wirtschaftlichen Alltag ein Verdrängungswettbewerb, dessen sozialdarwinistische Folgen sich sowohl im Bereich der Produktion als auch im Bereich der Reproduktion beobachten lassen.

Beispielsweise wurden unter dem Einfluss von großen Lebensmittel- und Pharmakonzernen neue, hohe Kapitalrenditen versprechende und dadurch Wachstum induzierende Innovationen in den Bereichen der Gen- und Biotechnologien forciert. Dabei wird der Welthunger noch immer nicht als Folge einer ungerechten Verteilung von Land, Arbeitsgeräten und Lebensmittel gesehen, sondern ganz im Sinne der falschen Bevölkerungstheorie von Malthus als Problem einer vermeintlich unzureichenden Produktion von Lebensmitteln, die sich aber mit Hilfe der Gentechnologie steigern ließe. Zugleich monopolisieren Großkonzerne die Produktion mit den Methoden der „Biopiraterie“ und verdrängen jene (klein)bäuerliche Landwirtschaft von den Agrarmärkten, die bei einer gerechteren Land- und Ressourcenverteilung in der Lage wäre, in genügendem Maße Lebensmittel in naturverträglicher Qualität für alle Menschen zu erzeugen.[191]

Ähnlich widersprüchlich wie der ‚Kampf’ gegen den Welthunger ist der ‚Kampf’ gegen Krankheiten. Während dabei einerseits die Tatsache ignoriert wird, „dass die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen, wie sie sich in den gegebenen sozialen Ungleichheiten widerspiegeln, die Menschen krank und hilfebedürftig machen können“[192], bewegen sich die Medizin, besonders die Humangenetik und die Reproduktionsmedizin, unter dem Einfluss der Pharmakonzerne inzwischen in einem Grenzbereich, wo sich kaum noch eindeutig differenzieren lässt, wo das Bemühen um Heilung oder um die Linderung von Leiden aufhört und wo das „Gespenst der Menschenzüchtung“ auch ohne rassistische Zuchtziele wieder auftaucht. Vom Beginn des Lebens als Embryo bis zum Schluss als Sterbenskranker begleitet den modernen Menschen eine widersprüchliche Mischung aus Humanität und dem Drang des Kapitals nach einer rentablen künstlichen Schöpfung eines Neuen Menschen. Während es dem Menschen einerseits dient, verletzt es andererseits beständig seine Würde. Bereits vor zehn Jahren konstatierte Peter Weingart, dass „die Genforschung Wissen und Techniken bereitgestellt hat, die alle Träume der Eugeniker weit übertreffen und deren Menschenzüchtungsutopien hoffnungslos konservativ erscheinen lassen.“[193] Aufgrund des internationalen Verdrängungswettbewerbs werden deren (bio-)ethische Beurteilbarkeit und demokratische Kontrolle immer schwieriger. Im Hinblick auf den gentechnologisch geführten ‚Kampf’ gegen Welthunger und Krankheiten erscheinen Warnungen vor der „irrenden Vernunft des Menschen“[194] notwendiger denn je. „Die Naturwissenschaft ist ein Teil der Marktwirtschaft geworden“, beklagte vor wenigen Jahren der Biochemiker Erwin Chargaff, „sie hat alle Merkmale des Kapitalismus übernommen, der aber nur existieren kann, wenn er sich beständig vergrößert und erneuert. Der unentwegte Drang zur Innovation, das Gefühl nichts auf der Welt sei gut genug und müsse kontinuierlich verbessert werden, ist eine Krankheit. Mit frommen Augenaufschlag wird dann behauptet, alles drehe sich nur um eine Bekämpfung von Krankheiten. … Wir haben uns gegen den Kannibalismus gewandt, halbwegs zumindestens, aber jetzt herrscht ein kapitalistischer Kannibalismus vor“[195], der den Menschen ‚perfektionieren’ und seine Unvollkommenheiten zu überwinden vorgibt, statt die noch unvollkommenen Gesellschaftsstrukturen zu verbessern.

Schließlich erweisen sich der nach dem Ende des kommunistischen Sowjetimperiums von dem amerikanischen Politologen proklamierte „Kampf der Kulturen“ (1996) und der sog. Krieg gegen den Terror islamistischer Fundamentalisten immer mehr als ein Krieg um die erst durch Raubbau und Verschwendung knapp gewordenen Ressourcen. Nicht zufällig hatte Huntingtons „Kampf der Kulturen“ in der Hochphase des Imperialismus um 1900 einen Vorläufer im Buch „Clash of Empires“, in dem der englische Schriftsteller Rowland Thirlmere die These vertrat, dass gemäß dem Gesetz der Evolution und der natürlichen Auslese alle zivilisierten Nationen Rivalen seien, deren Überleben von ihrer wirtschaftlichen und militärischen Stärke abhinge.[196]

Damit nach weiteren einhundert Jahren nicht immer noch die zerstörerische Ideologie und Praxis des wirtschaftlichen und kriegerischen „Kampfes ums Dasein“ herrscht, ist ein Umdenken in Richtung eines auf Kooperation statt auf Kampf beruhenden Menschenbildes notwendig. Dazu und zur Bereitung eines Weges zu einer Solidarischen Ökonomie kann der von seiner früheren zeitgeistbedingten Verquickung mit sozialdarwinistischen „Kampf“-Metaphern befreite Denkansatz einer Geld- und Bodenreform einen Baustein beitragen. Der von Lateinamerika ausgegangene und inzwischen auch in Europa angekommene Gedanke einer Solidarischen Ökonomie steckt noch in zuweilen unübersichtlichen Anfängen und konzentriert sich vorerst darauf, neben den Sektoren des Kapitals und des Staates einen solidarischen Dritten Sektor aufzubauen, in dem sich ökonomisches Handeln auf lokaler und regionaler Ebene unter anderem durch Tauschringe und Regionalgelder wieder stärker sozial und kulturell einbetten lässt.[197] Damit die Solidarische Ökonomie jedoch mittel- und längerfristig keine in ihrer Existenz ständig bedrohte Nische innerhalb der kapitalistischen Marktwirtschaft bleibt, bedarf sie auch auf staatlicher und globaler Ebene einer geld- und bodenökonomischen Fundierung, die es ermöglicht, auch die beiden anderen Sektoren von Markt und Staat nach und nach im Sinne einer Solidarischen Ökonomie umzuwandeln.

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Anmerkungen

[1] Elmar Altvater (2004). - Peter Bierl (2004).
[2] Silvio Gesell (1913b), S. 199 – 211 (Teil 1) und S. 216 – 226 (Teil 2). – (1917), S. 164 – 166. – (1918), S. 166 – 168. - (1919), S. XV – XXV. – (1920), in: Band 12, S. 17 – 40. – (1923), S. 199 – 218.
[3] Jutta Ditfurth (1996). – Peter Bierl (2004).
[4] Franz Wuketits (1987), S. 15 ff. und 55 ff. - Franz Wuketits (2005), S. 51 – 78.
[5] Hannsjoachim W. Koch (1973), S. 38 – 49. - Franz Wuketits (1987), S. 34 – 36 und 44 – 45. – Markus Vogt (1997), S. 73 – 78.
[6] Charles Darwin (1963/1984), S. 27, 103, 649 – 650, 666 und 678. – Zu Malthus vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Robert_Malthus - Franz Wuketits betrachtet die Lektüre des Buches von Malthus als „Schlüsselerlebnis“ in Darwins Forscherleben und datiert sie auf den September 1838 (1987, S. 48 und 52). Zu dieser Zeit war die Monopolisierung der vermeintlich freien Märkte schon in vollem Gange. – Zu Darwins Verhältnis zur Religion vgl. das Kapitel „Darwin und Gott“ in: Franz Wuketits (1987), S. 111 – 119. – Vgl. außerdem Markus Vogt (1997), S. 87 – 101 und 141 – 191.
[7] Charles Darwin (2005), S. 77, 125, 129, 136, 148 (Sklaverei) und 169.
[8] Charles Darwin (2005), S. 173 – 175. – „Im Allgemeinen nahm Darwin politisch eine sehr liberale Haltung ein. … Es ist nicht zu leugnen, dass Darwins Denken mit den Laissez-faire-Auffassungen des Victorianischen England konform läuft.“ (Franz Wuketits 1987, S. 70 – 71)
[9] Charles Darwin (1963/1984), S. 665, 668 und 676 - 677. – Zum Einfluss von Malthus auf Darwin vgl. Hannsjoachim W. Koch (1973), S. 26 – 33 und 51 – 62.
[10] „Der Forscher sucht vergeblich nach Äußerungen oder Warnungen, mit denen Darwin hätte versuchen können, dieser gefährlichen Tendenz ausdrücklich entgegenzuwirken und Einhalt zu gebieten. … Seine Verantwortung für die Perversionen, die mit seinen Theorien sanktioniert wurden, liegt in der einfachen Tatsache, dass er schwieg. Somit half er den allgemeinen Nihilismus fördern, der die Massen gegen christliche und humanistische Ethik, zumindest teilweise, gleichgültig werden ließ.“ (Hannsjoachim W. Koch 1973, S. 66 – 67)
[11] Vgl. Alfred Russel Wallace (1913), S. 152 und 171. - Ebenso wie Darwin hatte auch Wallace kein naturwissenschaftliches Studium absolviert. Seine Tätigkeit als Landvermesser (Wuketits 2005, S. 52) könnte möglicherweise sein Interesse an der Bodenproblematik geweckt haben.
[12] Vgl. Franz Wuketits (1987), S. 66, sowie den Artikel über Alfred Russel Wallace im Internetlexikon Wikipedia http://de.wikipedia.org/wiki/Alfred_Russel_Wallace (31.7.2007). – Alfred Russel Wallace (1892). – Zum Verhältnis zwischen Darwin und Wallace vgl. Franz Wuketits (2005), S. 51 – 54. – Zu Wallace vgl. Hannsjoachim Koch (1973), S. 34 – 37.
[13] Karl Snell (1863/1981), S. 21, 101, 179, 181 und 202 - 203. – Als Mathematiker konnte Snell außerdem keine Autorität auf dem Gebiet der Biologie für sich beanspruchen. Allerdings waren auch Darwin und Wallace keine studierten Biologen. - Vgl. die Rezension der Neuherausgabe von Karl Snells „Schöpfung des Menschen“ durch Gerhardus Lang, in: Fragen der Freiheit Nr. 201/1989, S. 60 – 63.
[14] Franz Wuketits (1987), S. 29 – 30. – Zum Verhältnis zwischen Darwin und Haeckel vgl. Franz Wuketits (2005), S. 67 – 71. – Vgl. außerdem Hans-Günter Zmarzlik (1963), S. 249 und 259.
[15] Ernst Haeckel, Die Lebenswunder, Leipzig 1904; zitiert nach dem Artikel über Ernst Haeckel im Internetlexikon Wikipedia http://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Haeckel (31.7.2007). - Vgl. hierzu auch Franz Wuketits (1987), S. 103 – 104, und Markus Vogt (1997), S. 224 – 240.
[16] Vgl. hierzu Leopold von Wiese (1950), S. 62. - Friedrich Jonas (1976), S. 256 – 263. – Zum Sozialdarwinismus in der Dichtung vgl. Hannsjoachim W. Koch (1973), S. 74 – 86. – Zur Rezeption der Eugenik in katholischen Kreisen vgl. Ingrid Richter, Katholizismus und Eugenik, 2001.
http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/type=rezbuecher&id=922 (5.8.2007)
[17] Zitiert nach Peter Weingart, Jürgen Kroll und Kurt Bayertz (1992), S. 70 – 71.
[18] Hannah Arendt (1955), S. 293.
[19] Hans-Günter Zmarzlik (1963), S. 247.
[20] Markus Vogt (1997), S. 193 – 197 und 203.
[21] Hannsjoachim W. Koch (1973), S. 19 und 71 – 73.
[22] Rolf Peter Sieferle (1994), S. 134 und 139
[23] Hannsjoachim W. Koch (1973), S. 73.
[24] Brief von Engels an Marx vom 11./12.12.1859, in: Karl Marx und Friedrich Engels (1970), S. 524. – Briefe von Marx an Engels vom 19.12.1860 und an Lassalle vom 16.11861, in: Karl Marx und Friedrich Engels (1964), S. 131 und 578. – Vgl. dazu Franz Wuketits (2005), S. 89.
[25] Karl Marx (1974), S. 285 - 286 (über Degenerationserscheinungen als Folge der kapitalistischen Produktion) und S. 361 (über Darwins „Entstehung der Arten“).
[26] Rolf Peter Sieferle (1997), S. 140 – 141. – Vgl. auch Hans-Günter Zmarzlik (1963), S. 260
[27] Brief von Marx an Engels vom 18.6.1862, in: Karl Marx und Friedrich Engels (1972), S. 249. - Zu dieser „kaum zu überbietenden Spannung zwischen enthusiastischer Zustimmung und vernichtender Kritik“ im Verhältnis von Marx und Engels zu Darwin vgl. Markus Vogt (1997), S. 245.
[28] Walter Rossmanith (1994), S. 192 – 200. – Leo Tolstoi (1974), S. 641 – 646 und 656 - 661. – Peter Kropotkin (1908/1993). – Zu Kropotkin vgl. Markus Vogt (1997), S. 246 – 249.
[29] Urheber dieser Bezeichnung war D. Groh, zitiert nach Markus Vogt (1997), S. 249 – 250.
[30] Vgl. hierzu Peter Weingart, Jürgen Kroll und Kurt Bayertz (1992), S. 104 – 114, hier: S. 91 und 106. – Zu Wilhem Schallmayer vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Schallmayer und zu Alfred Ploetz vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Alfred_Ploetz Ploetz war ein Schüler des Psychiaters und Zoologen August Forel.
[31] Vgl. Markus Vogt (1997), S. 251 – 255, und Peter Weingart, Jürgen Kroll und Kurt Bayertz (1992), S. 110 - 111. – Zur Verbreitung eugenischen und rassehygienischen Denkens innerhalb der deutschen Sozialdemokratie vgl. Michael Schwartz (1995). – Zum linken Sozialdarwinismus in Frankreich vgl. Linda Clark (1994), S. 76 – 89. – Zur Vertiefung empfiehlt sich das Kapitel „Darwinismus und Sozialismus“ in: Peter Emil Becker (1990), S. 379 – 422.
[32] George Mosse (1990/2006), S. 103. – Zu Anastasius Nordenholz vgl. auch den Eintrag im Wikipedia-Internetlexikon http://de.wikipedia.org/wiki/Anastasius_Nordenholz, wo im Übrigen darauf hingewiesen wird, dass der Scientology-Gründer Ron Hubbard von Nordenholz beeinflusst war.
[33] Peter Weingart, Jürgen Kroll und Kurt Bayertz (1992), S. 114 - 116.
[34] Markus Vogt (1997), S. 206 – 219.
[35] Hannsjoachim W. Koch (1973), S. 136 – 139. – Markus Vogt (1997), S. 214 – 224. – Vgl. auch Richard Hofstadter (1962).
[36] Hannsjoachim W. Koch (1973), S. 140 – 145. – Henry George, Fortschritt und Armut (1849), deutsche Übersetzung Düsseldorf 1959, Kapitel 6 über Malthus, S. 50 – 69, hier: S. 53 - 54. - Vgl. außerdem Werner Onken, Henry George – ein Sozialreformer des Gedankens und der Tat, in: Fragen der Freiheit Nr. 245/1997, S. 3 – 18, sowie Hans Diefenbacher und Klaus Hugler, Adolf Damaschke und Henry George – Ansätze zu einer Theorie und Politik der Bodenreform, Marburg 2005.
[37] Hannsjoachim W. Koch (1973), S. 113 – 125 (Kap. „Sozialdarwinismus und Rassismus“). - Zum konservativ-reaktionären Sozialdarwinismus in Frankreich vgl. Linda Clark (1984), S. 90 – 105.
[38] Rolf Peter Sieferle (1994), S. 139. – Peter Weingart, Jürgen Kroll und Kurt Bayertz (1992), S. 118 – 119. – Tille war einige Jahre an der Universität Glasgow als Germanist tätig und veröffentlichte während dieser Zeit seine englische Übersetzung von Nietzsches „Zarathustra“; vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_Tille
[39] Haeckels gemeinverständliche Vorträge zitiert nach Markus Vogt (1997), S. 256 – 257.
[40] Hannsjoachim W. Koch (1973), S. 85 und 95.
[41] Hannsjoachim W. Koch (1973), S. 129 und 132 – 134. – George Bernhard Shaw war von Houston Stewart Chamberlains „Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts“ so begeistert, dass er das Buch als ein „Meisterwerk wahrhaft wissenschaftlicher Geschichtsschreibung“ lobte; vgl. hierzu Peter Emil Becker (1990), S. 176. - Vgl. außerdem George Mosse (1990/2006), S. 89 – 100.
[42] Michael Schwartz (1995), S. 11 – 12, 28 – 29, 43 (Kautsky) und 328 - 343.
[43] Zu Alfred Grotjahn vgl. den Eintrag im Wikipedia-Internetlexikon http://de.wikipedia.org/wiki/Alfred_Grotjahn und Michael Schwartz (1995), S. 70 – 100, 266 – 269 und 290 – 292. Eine Veröffentlichung von Grotjahn aus der Mitte der 1920er Jahre trug den Titel „Wie schützen wir uns vor Entartung?“; vgl. dazu Michael Schwartz (1995), S. 350.
[44] Hannsjoachim W. Koch (1973), S. 126 – 127.
[45] Zu Arthur Gobineau und Houston Steward Chamberlain vgl. Markus Vogt (1997), S. 260 – 276, bes. S. 269; außerdem S. 293 – 295 über Unterschiede zwischen dem Darwinismus und dem Nationalsozialismus.
[46] Markus Vogt (1997), S. 268 – 277. - Vgl. außerdem George Mosse (1990/2006), S. 101 - die sehr detaillierten Ausführungen bei Peter Weingart, Jürgen Kroll und Kurt Bayertz (1992), S. 139 – 366.
[47] Markus Vogt (1997), S. 277 - 306. - Peter Weingart, Jürgen Kroll und Kurt Bayertz (1992), S. 367 – 543. – Peter Malina (2006), S. 19 – 23. - Vgl. auch Ernst Klee (2001).
[48] In Gesells Werken gibt es keine direkte Bezugnahme auf Lamarck und nur beiläufige Zitate zweier kritischer Äußerungen von Spencer über Interessenpolitik und das Expansionsstreben des Staates; vgl. SG, GW Band 8, S. 108; Band 13, S. 61; Band 14, S. 68, und Band 16, S. 92.
[49] Hannsjoachim W. Koch (1973), S. 18.
[50] Hannsjoachim W. Koch (1973), S. 151 – 152.
[51] Silvio Gesell, Die Reformation im Münzwesen als Brücke zum sozialen Staat (1891), in: GW Band 1, S. 32 und 66 sowie Band 1, S. 247, 252 und 325.
[52] Brief an Georg Blumenthal vom 22.4.1907 aus Buenos Aires, in: GW Band 18, S. 58.
[53] Ernst Frankfurth war Tuberkulosepatient im schweizerischen Kurort Arosa, als er Gesells Veröffentlichungen über die Geld- und Bodenreform kennen lernte. In einer Broschüre „Das arbeitslose Einkommen“ (Leipzig 1906) verband Frankfurth erstmals die Geld- und Bodenreform mit der Evolutionstheorie. Auf Einladung Gesells kam er nach Buenos Aires, wo er gesundete und eine Tätigkeit in der „Casa Gesell“ aufnahm, bevor er sich in Montevideo als Inhaber eines eigenen Geschäfts selbstständig machte.
[54] Silvio Gesell, Geldreform und Christentum (1913), in: Band 6, S. 287.
[55] Hannsjoachim W. Koch verweist darauf, dass Rudyard Kipling seine Idee der Unausweichlichkeit biologischer Gesetze im Leben der Menschen und Nationen aus seiner alttestamentarischen Vorstellung vom Wirken Gottes ableitete. (Koch 1973, S. 79) – In der Schriftenreihe „Proletarische Jugend – Sammlung sozialistischer Jugendschriften“ erschien beispielsweise eine Broschüre von Engelbert Graf „Von Moses bis Darwin – Zur Geschichte des Entwicklungsgedankens“. (Nr. 6/1921) – Vgl. auch das Kapitel „Die infizierte Christenheit“ in George Mosse (1990/2006), S. 163 – 184.
[56] Silvio Gesell (1913b), S. 199 – 201.
[57] Silvio Gesell (1913b), S. 203 – 204.
[58] Silvio Gesell (1913b), S. 221.
[59] Silvio Gesell (1913b), S. 217 - 222.
[60] Karl Kautsky (1910), S. 267. – Zur Lebensreformbewegung vgl. Peter Weingart, Jürgen Kroll und Kurt Bayertz (1992), S. 68 – 70, und den kontrastierenden Hinweis auf die kränkliche Gestalt des jungen Hanno in Thomas Manns „Buddenbrooks“, S. 63.
[61] Silvio Gesell (1913b), S. 206 und 208. – Zum Einfluss der Lebensreformbewegung auf den Sozialdarwinismus vgl. Peter Weingart, Jürgen Kroll und Kurt Bayertz (1992), S. 68 – 70.
[62] Brief Gesells an Ernst Haeckel vom 28.6.1916. Dieser Brief fehlt in den Gesammelten Werken; er tauchte erst nach deren Abschluss im Archiv des Ernst-Haeckel-Hauses in Jena auf und liegt dem Verfasser als Kopie vor. Zu Gesells Kritik an der biologistischen Rechtfertigung von Kriegen vgl. auch seinen am 5.7.1917 in der Schweiz gehaltenen Vortrag „Freiland – die eherne Forderung des Friedens“, der 1919 in die 3. Auflage der NWO aufgenommen wurde (1919, S. 101).
[63] Alfred Russel Wallace (1913), S. 152 und 171. - Zu Wallace vgl. den Eintrag im Wikipedia-Internetlexikon http://de.wikipedia.org/wiki/Alfred_Russel_Wallace (31.7.2007) und die dort angegebene Sekundärliteratur.
[64] Silvio Gesell (1913b), S. 227. – Gesell las regelmäßig die Zeitschrift der „Land Nationalisation Society“ und könnte auch versucht haben, eine briefliche Verbindung mit Wallace aufzunehmen. Jedoch ist eine eventuelle Korrespondenz nicht erhalten geblieben.
[65] Ludwig Büchner (1910), S. 3 und 7 – 9. - Zu Ludwig Büchner vgl. den Eintrag im Wikipedia-Internetlexikon http://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_B%C3%BCchner; außerdem Peter Weingart, Jürgen Kroll und Kurt Bayertz (1992), S. 114 – 116.
[66] Ludwig Büchner (1910), S. 7 und 13 – 14.
[67] Ludwig Büchner (1910), S. 10 (Kritik an Malthus), 12, 22 und 40 (Anknüpfungen an Henry George) und 18 – 19 (Bodenreform), 18 und 32 (Staat).
[68] Ludwig Büchner (1910), S. 16 (Staat), 29 und 48 (Manchester-Doktrin), 34 (Bismarck), 13 – 14 und 39 (Sozialdemokratie und Kommunismus).
[69] Ludwig Büchner (1910), S. 24, 29 und 31. - Anmerkung des Verfassers: Während meiner Reise zu Gesells Nachkommen in Argentinien im Oktober 2006 konnte ich die noch erhaltenen Reste von Gesells Bibliothek einsehen und fand darunter auch ein Exemplar der dritten Auflage von Ludwig Büchners „Darwinismus und Sozialismus“ und ein Exemplar von Ernst Haeckels „Welträtseln“, aus denen Gesell ebenfalls nicht zitierte.
[70] Wilhelm Ostwald (1914a), S. 337 – 352. - (1914b), S. 369 – 384. – Zu Wilhelm Ostwald vgl. den Eintrag im Wikipedia-Internetlexikon http://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Ostwald
[71] August Forel (1926), S. 17. – Zu Forel vgl. den Eintrag im Wikipedia-Internetlexikon http://de.wikipedia.org/wiki/Auguste_Forel, demzufolge Forel allerdings auch mit Sterilisierungen experimentierte und nicht frei war von rassistischen Gedanken.
[72] Vgl. hierzu das von Paulus Klüpfel verfasste Vorwort zu Gesells „Natürlicher Wirtschaftsordnung“ (1916), in: GW Band 11, S. 392 – 396.
[73] Silvio Gesell (1917), S. 164 – 166), und (1918), S. 166 – 168.
[74] Silvio Gesell (1919), S. 56.
[75] Heinrich Driesmans (1904), S. 8.
[76] Silvio Gesell (1919), S. 68 und 72.
[77] Silvio Gesell (1919), S. 149, 220 und 225. – Zur „goldenen Regel in der Volkswirtschaft“ vgl. Gesell (1988 – 1997), Band 3, S. 317 – 321. - Zur differenzierteren Betrachtung der Bestandteile des Zinses vgl. das Kapitel 5 der NWO über die Freigeld-, Zins- und Kapitaltheorie, in: Gesell (1919), S. 319 – 380. - Zur Einstellung Gesells zum Judentum und zum Antisemitismus vgl. Werner Onken (2007).
[78] Silvio Gesell (1919), S. 72, 99, 101und 229.
[79] Silvio Gesell, Internationale Valuta-Assoziation, in: GW Band 12, S. 149 – 190, hier: S. 150 und 187, sowie Das Reichswährungsamt, in: GW Band 12, S. 61.
[80] Silvio Gesell (1919), S. XVIII – XIX.
[81] Silvio Gesell (1919), S. XV und XXII.
[82] Eduard David (1909), S. 50 und 52.
[83] Silvio Gesell (1919), S. XX – XXI.
[84] Silvio Gesell, Verteidigungsrede (1920), in: Band 12, S. 35 – 36.
[85] Silvio Gesell (1919), S. XV. - Alfred Russel Wallace (1913), S. 147 – 152. – Vgl. auch die Website http://www.wku.edu/~smithch/wallace/S733.htm (31.7.2007)
[86] Vgl. die Kapitel „Die Irrtümer der Evolutionisten – Auf der vergeblichen Suche nach der Urgesellschaft“ und „Die Väter des Sozialismus: Patriarchen oder Erlöser der Frauen?“ in: Marielouise Janssen-Jurreit (1979), S. 112 – 127 und 191 – 218.
[87] Silvio Gesell (1913b), S. 222 – 225. – Zur gleichmäßigen Rückverteilung der Bodennutzungsentgelte pro Kopf der Bevölkerung vgl. die 1916 in Berlin und Bern erschienene zweite Auflage der „Natürlichen Wirtschaftsordnung“, in: Gesell (1988 – 1997) Band 9, S. 77.
[88] Silvio Gesell (1919), S. XXI.
[89] Ludwig Büchner (1910), S. 49.
[90] Helene Stöcker (1914), S. 40, zitiert nach Joachim Bauer (2006), S. 113. – Zur eugenischen Orientierung der sozialistischen Frauenbewegung vgl. Michael Schwartz (1995), S. 90 – 102.
[91] Silvio Gesell (1988 – 1997) Band 7, S. 28, und (1919), S. XXI. – Zur „natürlichen Zuchtwahl“ vgl. Charles Darwin (2005), S. 54 – 74 und 171. – Zu Menschenzüchtungsutopien vgl. Peter Weingart (1997), S. 113 - 114.
[92] Silvio Gesell (1923), S. 208 und 213, und (1917).
[93] Michael Schwartz (1995), S. 108 – 109 und 274 – 277.
[94] Silvio Gesell (1925), S. 346 – 350. – Vgl. außerdem Silvio Gesell, Susannas unbefleckte Empfängnis, in: GW Band 15, S. 328 – 329, und einen Brief Gesells an Hermann Muckermann, einen von drei Direktoren des Berliner Kaiser-Wilhelm-Instituts für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik, mit einer Warnung von dem „Gräuel Staat“, in: GW Band 18, S. 380. – Auch August Forel experimentierte bereits während der 1880er Jahre mit Sterilisierungen; vgl. dazu http://de.wikipedia.org/wiki/Auguste_Forel . - Zu Boeters vgl. Peter Weingart, Jürgen Kroll und Kurt Bayertz (1992), S. 291 – 292, und Michael Schwartz (1995), S. 108 – 110.
[95] Silvio Gesell (1919), S. 72.
[96] Silvio Gesell (1913c) Band 7, S. 258.
[97] Silvio Gesell (1988 – 1997) Band 8, S. 192 und 298, sowie (1919), S. XX (irrende Vernunft des Menschen) und Band 14, S. 208 und 334, sowie Band 15, S. 198 – 202.
[98] Charles Darwin (2005), S. 171 – 172.
[99] Silvio Gesell (1988 – 1997) Band 12, S. 310, und Band 16, S. 188.
[100] Silvio Gesell (1919), S. XXI.
[101] Peter Weingart, Jürgen Kroll und Kurt Bayertz (1992), S. 254 – 266. – Michael Schwartz (1995), S. 91.
[102] Silvio Gesell (1988 – 1997) Band 13, S. 68 – 72; Band 16, S. 245 – 249; Band 17, S. 151 – 153.
[103] Silvio Gesell (1919), S. XV – XVII und XX, sowie (1920), S. 35 - 36 und 76. – Silvio Gesell (1923), S. 214. – Außerdem Band 10, S. 167 – 168. - Zur Lebensreformbewegung vgl. Peter Weingart, Jürgen Kroll und Kurt Bayertz (1992), S. 69.
[104] Zu Gesells Sympathien für Nietzsche vgl. (1919), S. XXVI, und (1923), S. 215. – Zu seinem Vorstellungen von einer egalitären Bürgergesellschaft vgl. (1919), S. 71, 226 und 255; (1920), S. 35 und Band 12, S. 218; Band 13, S. 135, 150 und 397.
[105] Charles Darwin (2005), S. 162 und 181- 185.
[106] Arthur Gobineau, Versuch über die Ungleichheit der Menschenrassen, zitiert nach Peter Emil Becker (1990), S. 11 – 17. – Houston Stewart Chamberlain, Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts, zitiert nach Peter Emil Becker (1990), S. 179 – 186.
[107] Silvio Gesell (1919), S. 217 – 223, und (1923), S. 202 – 205.
[108] Jutta Ditfurth (1996) und Peter Bierl (2004). – Vgl. hierzu: Werner Onken, Das Verhältnis der Geld- und Bodenreform zum Judentum und zum Antisemitismus, u AKG-3-3
[109] Charles Darwin (1963/1984), S. 665 – 666.
[110] Anmerkung des Verfassers: Im Rahmen der Herausgabe von Gesells Gesammelten Werken (1988 – 1997) habe ich es aufgrund meines damals noch zu geringen Abstandes zu diesem Werk und auch aufgrund einer unzureichenden Übersicht über die Evolutionstheorie und die Geschichte des Sozialdarwinismus leider versäumt, diesen Einfluss auf Gesell kritischer zu beleuchten. Als mir Zweifel an meiner anfänglichen Überlegung kamen, dass die Geld- und Bodenreform vielleicht zum Bau einer Brücke zwischen der Evolutionstheorie und der Religion beitragen könnte (Vorwort zum Band 7), beließ ich es bei dem Hinweis, dass sich die Verbindung von Gesell und Darwin ebenso „überlebt“ habe wie die Verbindung von Psychoanalyse und Marxismus (S. 92). Damals hoffte ich, mit der Herausgabe von Gesells Werken deren kritische Rezeption und auch einen Dialog von Geld- und Bodenreformern mit Theologen, Philosophen und Naturwissenschaftlern in Gang bringen zu können, aus dem sich dann auch neue Orientierungen in Fragen des Menschenbildes ergeben würden. Bislang blieb diese Hoffnung leider unerfüllt.
[111] Gesell hielt Henry George für den „umsichtigsten Strategen“ und „größten und tapfersten Eroberer aller Zeiten“, weil George den Menschen gezeigt habe, wie sie sich die Bodenrente zurückerobern könnten; vgl. dazu (1988 – 1997) Band 3, S. 325. – Franz Oppenheimer (1901). – SG (1919), S. 296 (Kritik an Malthus).
[112] Silvio Gesell (1919), S. XVI.
[113] Silvio Gesell (1923), S. 205.
[114] Silvio Gesell (1919), S. XXI – XXII. – Was Gesell im Hinblick auf den Kommunismus kommen sah, hätte er ebenso gut gegen den Faschismus einwenden können. Ihn hatte er aber unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg noch nicht vor Augen, sondern nur erst die Alternative „Entweder Eigen- oder Staatswirtschaft – ein Drittes gibt es nicht.“ (S. XX)
[115] Silvio Gesell (1919), S. XV – XVII.
[116] Silvio Gesell (1919), S. XVI – XVII und 67 (sozialer Richtsinn).
[117] Vgl. hierzu Fritz Heinrich Ryssel (1974). – Vgl. auch Swantje Köbsell (2006a) und (2006b).
[118] Silvio Gesell (1919), S. XVI.
[119] Markus Vogt (1997), S. 310.
[120] Vgl. hierzu Franz Wuketits (1987), S. 50, und Peter Weingart, Jürgen Kroll und Kurt Bayertz (1992), S. 80. – Markus Vogt erwähnt eine Äußerung Darwins in einem Brief an Lyell vom 25.9.1860: „Wenn ich noch einmal de novo anzufangen hätte, würde ich ‚natürliche Erhaltung’ gebraucht haben.“ (1997, S. 103)
[121] Silvio Gesell (1919), S. XV.
[122] Silvio Gesell (1919), S. XVII.
[123] Silvio Gesell, Rezension zu Hermann Heinrich Gossen „Entwicklung der Gesetze des menschlichen Verkehrs“, in: (1988 – 1997) Band 17, S. 45, sowie ein Brief an Ernst Netzband vom 2.11.1927, in: GW Band 18, S. 342.
[124] Hannah Arendt (1955), S. 262, 293 – 303 und 728 – 732 . – Vgl. hierzu auch Markus Vogt (1997), S. 257 – 259.
[125] Silvio Gesell (1919), S. 225.
[126] Silvio Gesell (1988 – 1997) Band 16, S. 282 (Glaube an Gott) und 337 – 339 (Faustrecht). – Anm. d. Verf.: Im Vorwort zum Band 16 von Gesells Gesammelten Werken habe ich 1995 diese Entgleisung Gesells kritisiert und ihr gegenüber die Unverzichtbarkeit der Grundprinzipien von Rechtsstaatlichkeit betont. Leider war mir aber damals noch nicht deutlich, wie sehr Gesells „Akratie“ auch ein Ausfluss seines naturalistischen Denkens war.
[127] Karl Walker, Die Physiokraten und der Staat, in: Letzte Politik Nr. 15/1929, S. 3.
[128] Benedikt Uhlemayr, Dokumente der katholischen Wirtschaftsreformbewegung, in: Freiwirtschaftliches Archiv Nr. 9/1929, S. 262 – 277; Nr. 10/1929, S. 331 – 343; Nr. 12/1929, S. 353 - 365. Ders., Christliche Wirtschaftsordnung, Lauf bei Nürnberg 1933. – Johannes Ude (1923a), S. 142 und 144. Johannes Ude (1923b), S. 6 und 139 – 142. – Eduard Burri, Christentum und Zins – Eine Eingabe an die theologischen Fakultäten der schweizerischen Hochschulen und die Antworten der Fakultäten, Bern 2. Aufl. 1926. -
[129] Otto Lautenbach, Volkstod, in: Schule der Freiheit Nr. 37/1937, S. 2. - Johannes Schumann (1937), S. 103 – 106. - Paul Hasse, Die Auslese des Menschen in der Kultur, in: Schule der Freiheit Nr. 6/1938, S. 167 – 187. - Ernst Johannsen, Zum Fiasko des biologischen Materialismus, in: Schule der Freiheit Nr. 21-22/1939, S. 665 – 669.
[130] Helmut Franzke über Konfuzius und Laotse, in: Die Gefährten Nr. 1 - 3/1946, S. 21 – 25, 78 – 81 und 129 - 132. – Benedikt Uhlemayr, Christliche Wirtschaftsordnung, in: Die Gefährten Nr. 3/1946, S. 118 – 122. - Werner Zimmermann, Freiheit – Gleichheit – Brüderlichkeit, in: Die Gefährten Nr. 1/1947, S. 3 – 5. - Das Interesse an den fernöstlichen Weisheiten wurde besonders durch den schweizerischen Lebensreformer Werner Zimmermann verstärkt, der große Reisen nach Indien und China unternahm und darüber in Büchern berichtete. Vgl. Werner Zimmermann, Mahatma Gandhi, München 1948. – Werner Zimmermann, Zu neuen Ufern, München 1950. - Karl Jung (d.i. Ernst Winkler), Christentum und Sozialismus, in: Die Gefährten Nr. 3/1946, S. 107 - 117. – Wilhelm Bäuerle, Die Kirchen und das soziale Problem, in: Die Gefährten Nr. 25/1948, S. 262 – 265.
[131] Karl Walker (1949/1995), S. 222 - 229. – Karl Walker, Vorwort zur 9. Auflage der „Natürlichen Wirtschaftsordnung“, Lauf bei Nürnberg 1949, S. 9 – 11.
[132] Karl Walker (1949), S. 223 - 229.
[133] Karl Walker (1960), S. 24 – 28, 46, 50 und 56.
[134] Karl Walker (1960), S. 24, 32 und 57 – 72, besonders S. 66 - 68.
[135] Karl Walker (1960), S. 10, 13, 77, 103, 105 und 120.
[136] John Maynard Keynes (1936/1974), S. 300.
[137] Günter Bartsch, Auf der Suche nach Gerechtigkeit – Zukunftspotenziale aus 50 Jahren AfC/CGW, Berlin 2000. – Zur Sympathie von Leonhard Ragaz für die Geld- und Bodenreform vgl. sein Werk: Die Bibel – eine Deutung Band 2, Zürich 1947, S. 133 - 134 (auf der Website www.cgw.de im Bereich Texte und Zitate). – Johannes Ude (1948), S. 24 und 27. Vgl. auch ders., Christliche Moraltheologen als Helfershelfer des Kapitalismus, Brüggen 1957. Ders., Staat, Kirche, Christentum, Einzelmensch und deren Verhältnis zueinander, Grundlsee 1963.
[138] Diether Vogel (1961), S. 7 – 18. - Heinz-Hartmut Vogel (1964), S. 20. – Lothar Vogel (1973), S. 340, und ders. (1986), S. 35 – 41. – Vgl. auch Dieter Suhr (1983), S. 16 – 17, sowie Eckhard Behrens (1989) und (1991).
[139] Roland Geitmann (1992), S. 27. – Rudolf Mehl (1995), S. 7. – Roland Geitmann (2000), S. 7. – Bei der Neugründung der AfC als CGW stand auch der Namensvorschlag „Christen für eine Natürliche Wirtschaftsordnung“ zur Debatte, der jedoch schnell verworfen wurde. Auch in ihren späteren Rundbriefen haben die CGW immer wieder eindeutig ihr Leitbild der Geschwisterlichkeit und Solidarität vertreten.
[140] Ekkehard Lindner (1990) und (1995), S. 9 - 13. – Zur Soziobiologie vgl. Franz Wuketits (1987), S. 132 – 137, und das weiter unten folgende Kap. 6.1.
[141] Johannes Heinrichs (1995), S. 22 – 23.
[142] Ekkehard Lindner (1995), S. 12. – Vgl. auch Peter Ulrich (1989).
[143] Hans Christoph Binswanger (1993). – Vgl. auch die Übersicht über Menschenbilder der Ökonomie bei Helmut Woll (1994).
[144] Christian Böttcher (1997).
[145] Vgl. Ulrich Witt (2001) und Andreas Paul (2001). – Franz Laxy (2000), S. 13.
[146] Josef Hüwe (2001), S. 15. - Vgl. die bei Peter Ulrich in St. Gallen entstandene Dissertation von Roland Wirth (2003), S. 159 – 160, und seinen im Frühjahr 2004 bei den Mündener Gesprächen gehaltenen Vortrag (2004).
[147] Gerhard Senft (2006), S. 79 und 81.
[148] Erich Fromm (1979), S. 103 – 107. – Vgl. hierzu Johannes Heinrichs (2001).
[149] Fritz Andres (2001), S. 24 – 27.
[150] Fritz Andres (2001), S. 26, 28 und 48 – 49, sowie zum Generationenvertrag Fritz Andres (2005). - Zur zwischenzeitlichen Modifikation der „Mütterrente“ als Elterngeld vgl. Wera Wendnagel, Die Frauenfrage in der männlichen Ökonomie, in: Zeitschrift für Sozialökonomie 118. Folge/1998, S. 26 – 36. – Werner Onken, Umrisse einer weiblichen und männlichen Ökonomie, Lütjenburg 1998.
[151] Alwine Schreiber-Martens (2007).
[152] Fritz Andres (2001), S. 61.
[153] Während die „Liquiditätsverzichtsprämie“ (Keynes) und bei einer entsprechenden Feinsteuerung der Geldmenge auch der Inflationsausgleich aus dem Zins verschwinden, bleiben die Bankvermittlungsgebühr und eine bei geschlossenem Kreislauf verminderte Risikoprämie erhalten. Näheres bei Helmut Creutz, Das Geldsyndrom, 5. Aufl. München 2001, und Bernd Senf, Die blinden Flecken der Ökonomie, 4. Auflage Kiel 2007.
[154] Fritz Andres (2007).
[155] Fritz Andres (1999).
[156] Vgl. die Beiträge von Roland Geitmann, Günther Moewes, Ronald Blaschke und Alwine Schreiber-Martens in der 154. Folge / 2007 der Zeitschrift für Sozialökonomie – www.sozialoekonomie-online.de
[157] Vgl. hierzu Wera Wendnagel und Alwine Schreiber-Martens, Natürlich oder Nachhaltig?, in: Fairconomy Nr. 1/2006, S. 14; weitere Beiträge von Werner Onken und Josef Hüwe, in: Fairconomy Nr. 4/2006, S. 10, und Beate Bockting , in: Fairconomy Nr. 2/2007, S. 10.
[158] Franz Wuketits (2005), S. 96.
[159] Markus Vogt (1997), S. 312 – 313.- Vgl. hierzu auch Andreas Renner, Die zwei Neoliberalismen, in: Fragen der Freiheit Nr. 256/2000, S. 48 – 64.
[160] Clarita Müller-Plantenberg et al. (2005). - Elmar Altvater und Nicola Sekler (2006). - Sven Giegold und Dagmar Embshoff (2007).
[161] Eckart Voland, S. X und 13 - 16. - Richard Dawkins, Universal Darwinism, in: D.S. Bendall (Hg.), Evolution from Molecules to Man, Cambridge 1983, S. 402 – 425. – Ders., Das egoistische Gen (1996).
[162] Eckart Voland (2000), S. VII, 1, 17 und 22.
[163] Eckart Voland (2000), S. 26 - 27.
[164] Eckart Voland (2000), S. 76.
[165] Eckart Voland (2000), S. 77, 83, 88 - 89
[166] Eckart Voland (2000), S. 90 – 92.
[167] Eckart Voland (2000), S. 120 – 123.
[168] Eckart Voland (2000), S. 97 und 108 – 113.
[169] Eckart Voland (2000), S. 192 – 193.
[170] Eckart Voland (2000), S. 111, 127 – 131.
[171] Dirk Richter (2005), S. 530 und 538 – 539. – Zur Kritik der Soziobiologie und zum Beitrag der Entwicklungspsychologie zur „Dehumanisierung des Menschenbildes“ vgl. auch Manfred Velden (2005), S. 141 – 145.
[172] Joachim Bauer (2006), S. 7 – 8 und 21 – 22.
[173] Joachim Bauer (2006), S. 13, 20, 96 – 106 und 115 - 121.
[174] Joachim Bauer (2006), S. 123 und 130.
[175] Joachim Bauer (2006), S. 133 – 174, hier S. 133, 135, 153, 160, 179 und 221. Zur Rolle der Aggressionen vgl. auch Joachim Bauer (2006), S. 73 – 93.
[176] Joachim Bauer (2006), S. 196.
[177] Joachim Bauer (2006), S. 203
[178] Joachim Bauer (2006), S. 204 – 207.
[179] Joachim Bauer (2006), S. 21 und 205. – Zur Überwindung der Lohnabhängigkeit vgl. Fritz Andres (1999).
[180] Gerhard Scherhorn (1991), S. 153 – 172. – Bernd Siebenhüner (2003).
[181] Olten, Rainer (1995), S. 26.
[182] Ulrich Witt (2006), S. 36.
[183] Joseph A. Schumpeter (1950), S. 134 – 175, hier: S. 174 – 175.
[184] Ulrich Witt (2006), S. 25. – Vgl. hierzu auch Joseph A. Schumpeter (1950), S. 134 – 175.
[185] Ulrich Witt (2006), S. 26 – 27.
[186] Ulrich Witt (2006), S. 32 – 35.
[187] Ulrich Witt (2006), S. 32 und 34.
[188] Ulrich Witt (2006), S. 47 – 52.
[189] Ulrich Witt in einem Brief an den Verfasser vom 28.6.2001 und in einer eMail vom 17.9.2007. – Zu Schumpeter vgl. aus geld- und bodenreformerischer Perspektive Gerhard Senft, Friedrich A. Hayeks „Liberalismus“ versus Joseph A. Schumpeters „Sozialismus“ – Ein imaginärer Diskurs, in: Zeitschrift für Sozialökonomie 97. Folge / 1993, S. 9 – 17.
[190] Vgl. hierzu Thorsten Hens (2004). – Es gibt auch Bestrebungen, Elemente des Denkens von Marx in die Evolutorische Ökonomik zu integrieren; vgl. hierzu Heinz-Dieter Haustein (1998).
[191] Vgl. hierzu Vandana Shiva (2002). - Werner Onken (2004), S. 63 – 80. – Zu der die Biopiraterie legitimierenden ökonomischen Property-Rights-Theorie vgl. die Beiträge von Dirk Löhr (2006) und (2007; in Vorbereitung)
[192] Matthias Richter und Klaus Hurrelmann (2007), S. 10.
[193] Peter Weingart (1997), S. 122 – 124. – Vgl. auch Peter Weingart, Jürgen Kroll und Kurt Bayertz (1992), S. 562 – 684. – Zu den Hindernissen einer „rationalen Diskussion über Klonen und Gentechnologie“ vgl. Manfred Velden (2005), S. 135 – 140.
[194] Silvio Gesell (1919), S. XX. – „Derzeit herrscht Goldgräberstimmung. Weltweit werden die Claims abgesteckt und durch Patente abgesichert – in der Hoffnung, am Ende menschliche Embryonen zu erzeugen und auszubeuten. Einige Firmen haben längst eine so mächtige Position eingenommen, dass die Kooperation mit ihnen, wie der Stammzellenforscher Austin Smith feststellt, ein ‚Pakt mit dem Teufel’ sei. Allein bei den umstrittenen embryonalen Stammzellen geht es um einen lukrativen Markt, den Experten auf 7 bis 14 Milliarden Mark pro Jahr schätzen.“ (Michael Müller, Wissenschaftsfreiheit? Eine Schimäre, in: Die Zeit Nr. 34/2001, S. 7. - Zur neueren Bioethik vgl. Evangelische Kirche Deutschlands (2007), sowie Dieter Birnbacher (2006).
[195] Erwin Chargaff (2001) und Peter Malina (2006), S. 24 – 27.
[196] Hannsjoachim W. Koch (1973), S. 94 – 95.
[197] Clarita Müller-Plantenberg (2004). – Sven Giegold und Dagmar Embshoff (2007).