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Prof. Dr. Elmar Altvater & Prof. Dr. Birgit Mahnkopf
Grenzen der Globalisierung – Ökonomie, Ökologie und Politik in der Weltgesellschaft
Münster: Verlag Westfälisches Dampfboot, 7. Auflage 2007.

„Vielmehr weist die kapitalistische Ökonomie eine spezifische hierarchische Anordnung von Märkten auf: Der Geldmarkt steuert den Gütermarkt, und dessen Entwicklung ist für die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt, also auch für Beschäftigung und Lohneinkommen, entscheidend.“ (S. 109)

„Die Zinsen sind wie eine ‚Steuer’, die auf die Produktion gelegt wird. Sie erzwingen erwerbswirtschaftliches Verhalten und die entsprechende ‚erwerbswirtschaftliche Rationalität’ (Max Weber), die mitverantwortlich für die enorme kapitalistische Dynamik ist, die außerhalb der Geldlogik keine anderen Handlungsmaximen erkennt und anerkennt.“ (S. 166)

„Denn Schuldner haben den Preis des Geldes (Zinsen) an die Geldvermögensbesitzer zu entrichten, und daher müssen sie bei der Verwendung des Geldes kapitalistisch vorgehen und einen ausreichenden Profit produzieren (lassen), um die Zinsen geliehenen Geldes zu bedienen. Zinsen werden aus den produzierten Überschüssen beglichen, sie sind, sofern ihnen eine reale und nicht nur monetäre Größe zukommt, ein Teil des (globalen) Mehrwerts, der im Zuge der Arbitragetätigkeiten auf den globalen Finanzmärkten umverteilt wird.“ (S. 168 - 169)

„Zinsen erzwingen Produktivitätssteigerungen im Produktionsprozess und sie begrenzen die Möglichkeiten zur Veränderung der Verteilungsrelationen des produzierten Einkommens zwischen Lohnarbeit und Kapital.“ (S. 168)

„Die Zinsen können zu hoch sein - im Vergleich zur Rentabilität produktiver Investitionen und zur Wachstumsrate des Sozialprodukts. Dann reichen die Überschüsse nicht mehr, um die Zinsen abzudecken, so dass die Zahlungen nur erfolgen können, wenn die Vermögenssubstanz von Schuldnern zum Einsatz gelangt.“ (S. 169)

„Wenn die Realzinsen in einer längeren Periode oberhalb der realen Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts liegen, ergeben sich regressive Verteilungseffekte. Schuldner verarmen und gleichzeitig nimmt der Reichtum von Geldvermögensbesitzern extrem zu.“ (S. 170)

„Die Forderungen (‚claims’) üben immer dann eine fatale Rolle aus, wenn die Zinsen höher liegen als die reale Wachstumsrate (oder die Rentabilität von kreditfinanzierten Investitionsobjekten). Dies ist aber … seit Beginn der 1980er Jahre der Fall.“ (S. 191 - 192)

„Die Kehrseite der Akkumulation von Finanzaktiva ist die Anhäufung von Schulden.“ (S. 194)

„Schulden erzwingen mithin eine den Zinsverpflichtungen angemessene Rentabilität und daher die entsprechende wirtschaftlich-rationale Gestaltung des Produktionsprozesses, also die Übernahme und Vervollkommnung der ‚Kapitalrechnung’ (Weber 1976: 48ff), die adäquate Technikwahl und eine Verteilung zwischen Löhnen und Profiten, die die Aufbringung der Zinsen ermöglicht. Dieser Zwang als solcher ist nicht neu. Er hat in den großen Religionen und philosophischen Systemen Abwehrreaktionen ausgelöst: das islamische oder das kanonische Zinsverbot.“ (S. 195)

„Die Zinsen, so hieß es, sind wie eine „Steuer auf die Produktion“. Nun zeigt es sich, dass die Zinsen tatsächlich durch die hoheitliche Erhebung von Steuern aufgebracht werden müssen. Die ist sozial und ökonomisch außerordentlich kostspielig, da die Leistungen für den Schuldendienst (im Sekundärbudget) den Spielraum für staatliche Politikgestaltung (im Primärbudget) einschränken. Finanzminister erwerben sich politischen Glanz, indem sie harte Sparpakete schnüren, in denen der Schuldendienst politisch unhinterfragbares, extern fixiertes Datum ist. Problematisch ist dabei, dass mit den öffentlich garantierten Zinszahlungen nicht nur Sozialleistungen unter Druck geraten, sondern dass auf diese Weise - positiver Rückkopplungseffekt - die Geldvermögen weiter steigen und mit ihnen - wenn die Realzinsen nicht sinken - die Zinsansprüche. Hinzu kommt, dass in vielen Ländern Zinseinkünfte gar nicht oder geringer besteuert sind als andere Einkünfte. Die Bezieher von Kontrakteinkommen finanzieren folglich einen wachsenden Teil der Staatsaufgaben.“ (S. 201)

„Schuldner werden als ‚Fraktionen’ des Weltkapitals behandelt und müssen harte Anpassungsleistungen erbringen, um wieder ‚attraktiv’ für Kapitalanlagen zu werden. Gläubiger müssen dies nicht. Diese Logik der Ungleichbehandlung von Gläubigern und Schuldnern im globalen System ist von Keynes während der Verhandlungen um das internationale Währungssystem 1944 kritisiert worden. Sein damaliger ‚Keynes-Plan’ sah ja die Notwendigkeit auch für Überschuss- und daher Gläubigerländer vor, ihre Wirtschaftspolitik so zu gestalten, dass die Überschüsse abgebaut werden. Dieser Plan ist damals verworfen worden; nur Schuldner sollten ihre Wirtschaftspolitik anpassen müssen.“ (S. 213)

„Die Zinsen werden nur sinken können, wenn die Risiken der globalen Finanztransaktionen geringer werden. Diesen Effekt können die bislang aufgeführten Maßnahmen haben, so dass die Risikokomponente im Zins (der Spread) reduziert werden kann. Doch bleibt dies eine marktkonforme Maßnahme. Die erleichternde Zinssenkung unter die reale Wachstumsrate kann so nicht erreicht werden. In Zeiten der ‚great transformation’ des vergangenen Jahrhunderts haben Schuldnerbankrotte die Bereinigung und die Senkung der Zinsen bewirkt. Das Problem heute ist darin zu sehen, dass von den internationalen Institutionen eine Kapitalvernichtung (Entwertung von Geldvermögen) verhindert wird.“ (S. 218)

„Die gewachsenen öffentlichen Schulden (in Relation zum BIP) sind die Kehrseite der ebenfalls gewachsenen privaten Geldvermögen, vor allem im Bankensektor. Wenn man also die öffentlichen Schulden ‚nachhaltig’ - also nicht nur auf ein Jahr bezogen, sondern dauerhaft - eindämmen will, müssen die privaten Geldvermögen abgebaut werden. Das ist eine Strategie, die fast einer Währungsreform entspricht.“ (S. 415)
„Das nächste Problem ist … das der Verteilung, wenn der Planet Erde als ein einziger Umweltraum aller Menschen - der gegenwärtigen und zukünftiger Generationen - verstanden wird, die alle gleiches Recht als Erdenbürger in Anspruch nehmen können.“ (S. 462)

„Von der Anwendung politischer und militärischer Macht zur Regulierung von Ressourcen und Emissionskonflikten kann also ebenso wenig eine globale Gleichverteilung der Zugriffsmöglichkeiten auf die Natur erwartet werden wie vom Wirken des Marktmechanismus. Es bleibt die dritte Möglichkeit der Verteilung positioneller Güter gemäß dem Prinzip der Solidarität. Dieses widerspricht den ökonomischen Prinzipien des Marktes ebenso wie den politischen Prinzipien des Machterhalts und der Machtausweitung. Denn alle Menschen hätten im Prinzip den gleichen Anspruch auf die Nutzung der Natur.“ (S. 475)